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MongoleiWenn Kohle Wohlstand bedeutet

Mongolische Jurte bei Nacht mit Sternenhimmel.
Die Mongolei ist dünn besiedelt, die Emissionen des Landes sind absolut gesehen niedrig – doch sie steigen. (Foto: Christopher Michel auf Flickr / CC BY 2.0)

Für die Mongolei ist der Kohleexport ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Auch in der Hauptstadt Ulaanbataar kommen Strom und Wärme aus Kohlekraft. Und obwohl die Nomaden in der Steppe nahezu klimaneutral leben, steigen die Emissionen des Landes.

17.11.2021 – Die Staaten der Welt finden beim Klimaschutz nur mühsam Kompromisse. Jedes Land sitzt mit seinen ganz eigenen Voraussetzungen am Verhandlungstisch. Historische Klimaschuld, aktuelle Emissionen, Zuschnitt des Energiesektors, Zugang zu Finanzmitteln, Standortbedingungen für Erneuerbare Energien, Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern sowie bereits spürbare Schäden durch die Klimakrise: Die Gemenge-Lage ist bunt gemischt. Immerhin gibt es inzwischen ein gemeinsames Ziel – die Erderwärmung soll begrenzt werden, indem schädliche Emissionen drastisch reduziert werden.

Ein Blick auf die Mongolei zeigt, wie verschieden die Startbedingungen und die Wege zur Klimaneutralität sind. Solch ein Blick auf die Unterschiede kann helfen, den Weg jedes einzelnen Landes zu würdigen und Drückeberger zu entlarven.

Die Mongolei hat in den letzten 30 Jahren – nach der Abkoppelung vom dominanten Bruderstaat Sowjetunion – eine große Transformation erlebt. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich verdreifacht, demokratische Anfänge sind gemacht. Das am dünnsten besiedelte Land der Welt ist fünfmal so groß wie die Bundesrepublik, die riesigen Entfernungen sind immer mitzudenken. Steppen und Wüsten, im Norden Ausläufer der Taiga, im Westen das Altai-Gebirge, im Süden die Wüste Gobi, lange kalte Winter, Permafrostböden und viele Bodenschätze bestimmen die Geografie. Und das Land hat zwei mächtige Nachbarn, von denen es in vielerlei Hinsicht abhängig ist: Russland und China.

Traditionell ist die Mongolei ein Agrarstaat, die Viehzucht dominiert. Heute leben 70 Millionen Nutztiere im Land – und rund drei Millionen Menschen. Kaschmirwolle ist ein wichtiges Exportgut. Doch auch der Bergbau gehört zum Land. Neben Gold, Eisenerz, Kupfer, seltenen Erden hat das Land in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr auf Kohle gesetzt.

Die Emissionen haben sich nahezu verdoppelt

Für den Bedarf im Land wird Kohle schon seit hundert Jahren abgebaut, meist im Tagebau. In den letzten zehn Jahren wurde der Kohleabbau intensiviert, die Kohle zum größten Teil exportiert. 2019 wurden rund 47 Millionen Tonnen gefördert, davon 37 Millionen Tonnen exportiert und nur rund 10 Millionen Tonnen im Land selbst genutzt. (Zum Vergleich: Deutschland förderte 2019 insgesamt 131 Millionen Tonnen Kohle und importierte zusätzlich 40 Millionen Tonnen.)

Doch die Einnahmen aus dem Export der Rohstoffe versickern. Ein Bericht der Weltbank schätzt, dass von jedem Dollar, den die Mongolei in den letzten 20 Jahren mit Bodenschätzen eingenommen hat, nur je ein Cent für künftige Generationen angelegt wurde.

Die Kohlenstoffemissionen des Landes stiegen zwischen 2014 und 2019 um 93 Prozent, sie haben sich nahezu verdoppelt. Das ist kein Pfad zur Klimaneutralität, auch wenn die absolute Menge verglichen mit anderen Staaten gering ist.

Im Süden des Landes, nur wenige hundert Kilometer von der Grenze zu China entfernt, finden sich große Steinkohlevorkommen von besonderer Qualität. Die hier in Tawan Tolgoi abgebaute Steinkohle wird nach China exportiert. Sie eignet sich zur Verkokung und damit zur Stahlproduktion. Die Sandpiste, auf der die Riesen-LKW die Kohle über Jahre transportierten, ist mittlerweile geteert. Nun ist eine Bahnstrecke in Bau.

Weniger Emissionen vor allem durch Effizienzmaßnahmen

Die Kohletransporte von der Straße auf die Schiene zu bringen, ist einer der größeren Posten im mongolischen Plan zur Emissionsreduktion. Rund 1.000 Tonnen Treibhausgase könnten so reduziert werden. Die Kosten für den Bau der Bahnstrecke sollen nach Wunsch der mongolischen Regierung von der internationalen Gemeinschaft mitfinanziert werden, als Klimaschutzmaßnahme. 8.000 Tonnen will das Land außerdem im Energiesektor bis 2030 einsparen, vor allem, indem Transportverluste minimiert, Kraftwerke umgebaut, Gebäude saniert und die in die Jahre gekommenen Fernwärmenetze in den Städten modernisiert werden.

Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit unterstützt diese Aktivitäten. Ein Schwerpunkt der Arbeit der GIZ sind Energieeffizienzprojekte im Gebäudesektor. Der Gebäudebestand ist nahezu durchweg sehr alt und stammt noch aus der Sowjetzeit. Wird in großem Stil renoviert und isoliert, sind bis zu 50 Prozent Energieeinsparung pro Gebäude möglich. Die mit solchen Maßnahmen vermiedenen CO2-Emissionen sind immens: Arbeiten größere Gebäude mit einem eigenen kleinen Heizkraftwerk, können bis zu 700 Tonnen pro Gebäude und Jahr eingespart werden. Gebäude, die an die Fernwärme angeschlossen sind, können bis zu 250 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Bei diesen Projekten - insbesondere handelt es sich um Kindergärten und Schulen - arbeitet die GIZ mit der Stadtverwaltung und örtlichen Unternehmen zusammen .

Zusätzlich zu den Effizienzmaßnahmen werden immer öfter solar betriebene Luft-Wärme-Kollektoren mit Luftfilter eingebaut. Wegen der schlechten Luft, vor allem im Winter, werden die Fenster eher geschlossen gehalten. Gleichzeitig sind Schulen und Kindergärten oft mit der doppelten Anzahl Kinder ausgelastet, der Kohlenmonoxidgehalt der Luft in den Innenräumen steigt entsprechend an. „Dabei gibt es eine weitere Dimension, die uns vorher gar nicht so bewusst war. Weil es auch wärmer in den Gebäuden ist und die Luft besser, werden Kinder und Personal weniger oft krank – was wiederum die Mütter entlastet. Sie können deshalb stetiger berufstätig sein und zum Familieneinkommen beitragen“, berichtet Thorge Ketelhodt, der als Berater für die GIZ seit drei Jahren vor Ort tätig ist.

Die Hauptstadt Ulaanbataar wächst beständig

Seit dem Jahr 2000 nimmt der Zuzug in die Hauptstadt stetig zu. Damals gab es drei Jahre in Folge extrem strenge Winter – Tsud werden sie genannt. Wenn die Tiere keine Nahrung finden, weil es im Sommer zu trocken war und der Winter zu lange dauert oder zu viel Schnee bringt, sterben sie. Die Abstände zwischen diesen Wetterextremen verkürzen sich, eine mögliche Folge des Klimawandels. So entsteht Binnenmigration, die Jurtenviertel an den Stadträndern wachsen. Die Infrastruktur der Stadt kann mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten.

In diesen Ger-Vierteln – Ger ist die mongolische Bezeichnung der Jurten – wird begonnen, kleine energieeffiziente Familienhäuser neu zu bauen. Hier arbeitet die GIZ mit der mongolischen Bankenassoziation zusammen. Die 40 bis 60 Quadratmeter großen Häuser sparen im Vergleich zu einem üblichen kleinen Familienhaus rund neun Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr. Eines dieser Häuser erhielt kürzlich das internationale EDGE Zertifikat für Energieeffizienz und ist damit das erste zertifizierte grüne Gebäude der Mongolei.

Positive Anfänge für mehr Klima- und Umweltschutz im städtischen Raum sind gemacht. Der Bergbausektor ist die zweite große Baustelle in Sachen Natur- und Umweltschutz. Rund 2.700 gültige Bergbaulizenzen führt das zuständige Ministerium für das Jahr 2019 auf. Die Palette der geförderten Bodenschätze ist breit gefächert, ebenso variiert die Größe der einzelnen Abbaustätten.

Leben mit dem Bergbau

Bergbau bedeutet grundsätzlich immer Eingriffe in die Landschaft und den Wasserhaushalt. Kleinere Goldtagebaue mit nur wenigen 100 Meter Ausmaß können relativ schnell wieder rekultiviert werden, erzählt Thekla Abel von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Bei großflächigen Tagebauen im Festgestein ist die Rekultivierung beziehungsweise die Entwicklung einer sinnvollen und sicheren Nachnutzung ungleich schwieriger. Die Konzepte müssen an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden.

Für die Dauer ihres Betriebes engen die Minen – ob groß oder klein – den Bewegungsraum der Nomaden und ihrer Tiere ein und nutzen oft ein Großteil des knappen Wassers. Auch wenn nur wenige Langzeituntersuchungen und Daten vorhanden sind, das Wasser ist ein kritischer Punkt. „Es gibt mehr Tiere, mehr Tourismus, mehr Bergbau. Das ist ein Problem für ein eher trockenes Land wie die Mongolei“, berichtet Thekla Abel.

Auch Unglücke, die mit großen Umweltschäden einhergehen gibt es. Vor einigen Jahren ergoss sich das Abwasser einer Goldmine in den Fluss Orhon. Ein großes Fischsterben war die Folge. Die dort lebenden Menschen konnten das Wasser nicht mehr nutzen, wie Galtaikhuu Galsan berichtet. Er ist Tourismusunternehmer und stammt aus dem Westen der Mongolei.

Für die erst seit 2013 betriebene große Kupfermine in Oyu Tolgoi gelten moderne Umweltstandards. Die Mine wird vom international tätigen Konzern Rio Tinto im Süden des Landes betrieben. Doch trotz hoher Standards gilt: Bergbaufolgen gibt es immer. Immerhin gehen mit der Tätigkeit großer Konzerne auch kleine Vorteile einher. Sie sind zu Transparenz verpflichtet und haben das Wissen und das Geld, einige Umweltschäden abzumildern. Werden beispielsweise Straßen und Schienen gebaut, könnten Übergänge für Wildtiere gleich mitgebaut werden.

Abel räumt auch mit einem Irrtum auf: „Obwohl das Land sehr dünn besiedelt ist, wird es dennoch fast vollständig genutzt. Die endlosen Weiten sind Weideland für die Tiere der Viehzüchter. Werden sie unpassierbar, beschädigt oder unbenutzbar, hat das direkte Folgen für die Nomaden.“

Galtaikhuu Galsan berichtet im Interview auch von der erstarkenden Umweltbewegung im Land. Wird eine Bergbaulizenz zu nah an einem Fluss oder einer heiligen Stätte vergeben, regt sich inzwischen regelmäßig Widerstand. Viele Lizenzen wurden auf diesem Weg für ungültig erklärt.

Erneuerbare Energien erst langsam im Aufbau

Wind und Sonne gibt es in der Mongolei im Überfluss. Das Land hat viele Sonnentage – rund 300 pro Jahr. Der stetige Wind ist legendär, bringt aber auch oft Sand und Staub. Hinzu kommt der Winter mit sehr niedrigen Temperaturen über viele Monate. Für jedes Material eine Belastung.

Der Zubau Erneuerbarer Energien war bisher eher verhalten. In Summe waren es Ende 2020 rund 277 Megawatt Leistung. 156 davon entfielen auf die Windkraft, 90 auf die Photovoltaik, 31 Megawatt auf die Wasserkraft. Das Land hat wenig Industrie, deshalb sind die Haushalte in Summe die größten Energieverbraucher.

Der erste große Windpark ging 2013 ans Netz, der erste große Solarpark wurde 2017 in Betrieb genommen. Seitdem kamen einige Erzeugungsanlagen hinzu, gemessen an den Möglichkeiten aber noch sehr wenig. Gerade mal 3,4 Prozent betrug 2018 der Anteil Erneuerbarer Energien am Energieverbrauch der Mongolei. Derzeit sind einige größere Wasserkraftwerke geplant. Für Windkraft und Sonne fehlen feste Ausbauziele. Es gibt auch kein Konzept und keine Förderung zur Integration Erneuerbarer Energien in den Strommarkt, wie Galtaikhuu Galsan im Interview berichtet.  Die staatlichen Subventionen für die bestehenden Anlagen wurden jeweils individuell vertraglich vereinbart.

Ein weiterer Grund könnten die außergewöhnlichen klimatischen Bedingungen sein. Durch Frosthub können Montagestelle von Photovoltaikanlagen aus dem saisonal gefrorenen Boden herausgedrückt werden, wenn sie nicht ausreichend verankert sind. Starker Wind mit Sandpartikeln tut den Glasoberflächen der Module nicht gut. Extrem niedrige Temperaturen können der Leistungselektronik Probleme bereiten. Vielleicht zögern Investoren wegen dieser herausfordernden Bedingungen, zumal der Kraftwerksbau in anderen Gegenden der Welt leichter ist. Der Ausbau des Stromnetzes dürfte eine weitere wichtige Voraussetzung und große Investition sein, um mehr Erneuerbare Energien aufzunehmen.

Kohleausstieg derzeit kaum vorstellbar

Für ein Land, dessen Wirtschaft so stark auf die Kohle setzt, scheint ein Kohleausstieg unvorstellbar. Galtaikhuu Galsan kann sich ihn trotzdem vorstellen. Er sieht eine gute Zukunft für die Mongolei ohne fossile Energieträger: „Hier in Ulanbataar könnten verschiedene Erzeugungsanlagen Strom und Wärme bereitstellen und die Kohlekraftwerke ersetzen. Die Hälfte der Bevölkerung wäre dann erneuerbar versorgt, die Nomaden im Land nutzen keine Kohlekraft. Wir könnten mit einer naturfreundlichen Politik ein Beispiel für andere Länder sein.“

Angesichts all dieser landesspezifischen Bedingungen wird klar, wie schwierig es ist, ein einheitliches Schema im globalen Maßstab zu finden. Der mongolische Präsident hat auf der Klimakonferenz in Glasgow verkündet, in den nächsten Jahren eine Milliarde Bäume in der Mongolei pflanzen zu wollen. Das ist ein großes Projekt, an dem viel Infrastruktur hängt. Doch auch an einem Kohleausstieg wird das Land früher oder später nicht vorbeikommen. Er ist auch für die Mongolei möglich, und wie für andere Länder auch, ist er nicht leicht. Lieber heute als morgen zu beginnen, sollte die Devise sein. Petra Franke


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Kommentare

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Vait Scholz 18.11.2021, 04:00:22

Eigentlich müsste man die exportiert Kohle der Mongolei mit in die CO2 Bilanz des Landes mit einrechnen. Weil die Kohle wird zwar wo anders verbrannt, aber Urheber der Kohle ist das Erzeugerland.


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