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KriseWindindustrie fürchtet um mehr Jobs als die Kohle noch hat

Dunkle Wolken über dem Senvion-Werk im brandenburgischen Trampe.
Dunkle Wolken über dem Senvion-Werk im brandenburgischen Trampe. (Foto: © Molgreen, Wikimedia.Commons, CC BY-SA 4.0)

Die Krise der Windindustrie ist weit von einer Lösung entfernt und hat die ersten Firmen in die Pleite getrieben. Langsam wird klar: Es stehen mehr Jobs auf dem Spiel als beim Kohleausstieg. Neue Zahlen und Studien zeigen die Dimension auf.

30.10.2019 – Wer die dramatische Lage der deutschen Windindustrie betrachten will, muss sich vor allem zwei Fragen stellen:

  1. Wie viele Windräder wurden in diesem Jahr bislang gebaut?

  2. Und wie steht es um die Arbeitsplätze?

Der Ausbau neuer Windräder bricht um 80 Prozent ein…

Im ersten Dreivierteljahr 2019 wurden gerade einmal 148 Windräder neu errichtet, das sind 507 Megawatt Leistung, zeigt eine aktuelle Auswertung der Fachagentur für Windenergie an Land. Netto bleiben noch weniger übrig, denn es werden fortlaufend Anlagen abgebaut. Damit waren das die schwächsten ersten neun Monate der Windindustrie seit 20 Jahren, also seit im größeren Maßstab Windräder gebaut werden. Errechnet man den Durchschnitt der letzten fünf Jahre, liegen die Zahlen aus 2019 um 82 Prozent unter dem Normalwert.

Warum das so ist, zeigt ein Blick auf die letzte Ausschreibungsrunde der Bundesnetzagentur, über die neue Windräder gefördert werden. Für eine Leistung von 675 Megawatt suchte die Behörde neue Windräder, es wurden aber nur Anträge für neue Anlagen mit 204 Megawatt eingereicht. Also nicht einmal ein Drittel. Alle, die bauen wollten, erhielten einen Zuschlag. So geht das schon das ganze Jahr.

Der Grund: Zu wenige ausgewiesene Flächen, zu lange Genehmigungszeiten, überforderte Behörden, schlecht gemachte Ausschreibungsverfahren und viele Klagen, die sich jahrelang hinziehen und keine Sicherheit bieten. Das Problem kündigte sich in Fachkreisen bereits vor Jahren an, wurde aber von der Bundesregierung ignoriert. Sie hat mehr Furcht vor besorgten Bürgern, die keine Windräder wollen, als vor der Klimakrise.

Die 148 neuen Windräder in diesem Jahr benötigten laut Fachagentur im Durchschnitt gut 20 Monate, bis sie fertig gebaut waren. Das sind fast zwei Jahre und für viele Unternehmen eine zu lange Zeit der Unsicherheit. Die fehlende Planungssicherheit, lange Genehmigungsverfahren und sich hinziehende Klagen von Anwohnern oder Naturschützern nehmen immer weniger Investoren in Kauf. Die schnellste Anlage wurde übrigens nach vier Monaten errichtet, die längste nach 66. Das sind fünfeinhalb Jahre.

… und das wirkt sich auf die Jobs aus

Die Branche endgültig aufgeschreckt hat die Insolvenz des Windanlagenherstellers Senvion im April dieses Jahres. Das Unternehmen musste zerschlagen werden, Siemens Gamesa sicherte sich einen Teil und immerhin 500 Arbeitsplätze in Deutschland. Die Turbinenfertigung in Bremerhaven mit 200 Mitarbeitern wird ganz aufgegeben. Insgesamt verlieren wohl 900 Mitarbeiter ihren Job.

Auch die deutschen Maschinenbauer schlagen Alarm: Hält die Schwäche der Windindustrie an, seien fast so viele Jobs in Gefahr wie beim geplanten Kohleausstieg. 27 Prozent der 64.000 direkten Arbeitsplätze in der Onshore-Windbranche könnten dann wegfallen oder ins Ausland abwandern. Das zeigt eine neue Studie des Beratungsunternehmens Prognos im Auftrag des Maschinenbauverbands VDMA.

Die 17.000 gefährdeten Arbeitsplätze sind aber nicht die ganze Wahrheit. Bereits in den vergangenen Jahren sind Zehntausende Arbeitsplätze verloren gegangen, offizielle Zahlen gibt es nicht. Der Bundesverband Windenergie schätzt, dass „eine Zahl zwischen 35.000 und 40.000 abgebauten Jobs durchaus realistisch“ ist. Das sind deutlich mehr als die 20.000 noch in der deutschen Braunkohle Beschäftigten.

Politisch sind Kohlejobs wichtiger als Arbeitsplätze in der Windindustrie

Der Politik scheint das Schicksal der Kohlekumpel näher zu gehen, als das der Arbeiter in der Windindustrie. Dass mit zweierlei Maß gemessen wird, zeigte sich jüngst: Während im Lausitzer Lauchhammer 500 Arbeiter ihren Job in einem Werk des Windanlagenherstellers Vestas verloren und keine finanzielle Hilfe von Bund oder Land kam, führte der heftige Protest der Politik dazu, dass Siemens ein Dampfturbinenwerk in Görlitz doch nicht schloss.

Auch im Braunkohlekraftwerk Jänschwalde, 60 Kilometer Luftlinie von Lauchhammer entfernt, geht es sozialverträglicher zu. Die planmäßige Abschaltung eines Blocks des Kraftwerks bedeutet einen Verlust von 600 Arbeitsplätze, entlassen wird dennoch niemand. Die Mitarbeiter gehen in den Vorruhestand oder in andere Bereiche des Braunkohlekonzerns LEAG.

Sozialverträglich dürfte der Kohleausstieg ohnehin werden, das hatte im vergangenen Jahre eine Studie für das Umweltbundesamt herausgefunden. Dank der Altersstruktur der Kohlekumpel gehen bis 2030 zwei Drittel der Braunkohlearbeiter automatisch in den Ruhestand, das sind sogar noch etwas mehr Beschäftigte als Arbeitsplätze für den Klimaschutz abgebaut werden müssen. Von solchen Bedingungen können die Arbeiter in der Windbranche nur träumen. cw


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Kommentare

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Denkender Bürger 30.10.2019, 08:46:59

+159 Gut Antworten

"Wie könnt es so einfach sen - ist es aber nicht!" hat Herbert Grölemeyer mal zusammen mt den Fantastische 4 gesungen - und sie hatten Recht:

 

Savonius WIndkraftanlagen scheinen den Verantwortlichen irgendwie unbekannt zu sein.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Savonius-Rotor

 

In Kompakt-Format könnte man diese nahezu überall aufstellen - also auch auf Hausdächern und vorhandenen (Strom)-Masten und die gewonnenen Energie mit der entsprechenden Umformertechnik nahezu überall eins Natz einspeisen. Technisch wäre das auch heute schon problemlos möglich.

Man bräuchte Deutschland also nicht mit weiteren Windparks zu "verspargeln". Zudem sind diese Anagen in Kopakt-Format für die Tierwelt nahezu ungefählich - man knnte sie also auch im großen Maßstab aufstellen, ohne auf die Tier- und Pflanzenwelt Rücksicht nehmen zu müssen.

Die Anlagen könnten zudem in weiten Teilen aus Recycling-Material hergestellt werden - womit sie der Lösung eines weiteren Umwelt-Problems dienlich sind.

Die Arbeitsplätze, welche die Herstellung und der Aufbau dieiser Anlagen im großen Maßstab sichern würde, seinen hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Nun haben diese Anlagen leider den Nachteil, daß sie aufgrund des Aufwandes für Bau und Instalation im Verhältnis zur erzeugten Energie wirtschaftlich nicht rentabel sind. Aber dieses Problem wäre lösbar:

Man könnte ja die geplante CO2-Steuer zu einer Sonderabgabe machen und diese dann gezielt dafür verwenden, diese Anlagen wirtschaftlich zu machen. Das Geld aus der CO2-Abgabe würde dann nicht irgendwo im Nirvana des Staatshaushaltes versickern, sondern käme einer konkreten Sache im Sinne der CO2-Reduzierung zugute.

Das würde die Reduzierung des CO"-Ausstoßes als solches konkret fördern - was ja der CO2-Steuer sein soll.

Und der Bürger würde konkret und handhabbar sehen, wo die von ihm zu leistende Abgabe hin geht und hätte dann ein ganz anderes Verständnis dafür, wieso und wofür er diese leisten soll.

 

Ideen braucht der Mensch !!!

Johannes 30.10.2019, 12:39:35

+150 Gut Antworten

Denkender Bürger 30.10.2019, 19:46:33

+145 Gut

Wenn es mehr solcher Aktivitäten gäbe, hätte die Windindustrie die Probleme nicht und müßte nicht das große Wehklagen anstimmen.

So habe ich den Eindruck, das die sog. Windindustrie eher eine Wind-Industrie ist ...

Ullrich Meyer 09.12.2019, 09:15:19

+126 Gut Antworten

Man macht es sich leicht, die Schuld für den geringeren Ausbau der Windkraft der Regierung zuzuschieben. Ich sehe die Hauptschuld bei den Herstellern, denen es nicht gelungen ist, die Kosten für die Anlagen so weit zu senken, dass keine Subvention seitens des Stromkunden notwendig ist. Wenn die Regierung ein weiteres Ansteigen der EEG-Umlage verhindern will, handelt sie nur im Sinne der Stromkunden, also der Bevölkerung und der Wirtschaft. Im Jahre 2000 wurde das EEG geschaffen als "Anschubfinanzierung" für die erneuerbaren Energien, aber nicht als Dauersubvention für eine Industrie, die sich nicht intensiv um eine Kostensenkung bemüht. Vorschläge, wie man die Kosten für den Offshore-Windstrom auf 2-3 Cent/kWh begrenzen kann, wurden und werden all die Jahre ignoriert. Allen wichtigen Herstellern von WEA habe ich das Konzept zukommen lassen, doch nicht einer ist auf das Gesprächsangebot eingegangen.


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