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Mehr als ein BekenntnisWie die Nordkirche Klimaschutz voranbringt

Alte Scheune mit Ziegelfassade, im Hintergrund Kirchturmspitze
Die Pfarrscheune in Lichtenhagen Dorf bei Rostock wurde nachhaltig saniert und schafft Raum für Begegnungen und Teilhabe. (Foto: Kirchengemeinde Lichtenhagen Dorf)

Gebäude in kirchlicher Nutzung sind oft Jahrhunderte alt. Auch bei jüngeren Immobilien ist die Energiebilanz oft bescheiden. Eine riesige Herausforderung für die Institution, deren Immobilienbestand so divers ist wie ihre Mitglieder.

26.05.2022 – Die Kirche als Institution verfügt über unzählige Gebäude, nicht nur die Gotteshäuser selbst, sondern auch Kindertagesstätten, Pfarrhäuser, Gemeindehäuser. Wird hier der Klimaschutz ernsthaft und ambitioniert vorangetrieben, kann viel erreicht werden. Die Nordkirche, entstanden aus der Fusion dreier Landeskirchen, scheint hierbei auf einem guten Weg zu sein. Ihr Klimaschutzplan und das Handbuch dazu lesen sich wie eine Blaupause für Immobilieneigentümer mit ähnlich diversem Gebäudebestand.

Über die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, von der dänischen bis zur polnischen Grenze erstrecken sich die 13 Kirchenkreise, die unter dem Dach der Nordkirche vereint sind, aber jeweils für ihr Gebiet die Regeln setzen. Die Verschiedenartigkeit könnte nicht größer sein, vom großstädtischen urbanen Hamburg, über kleinstädtische Strukturen bis ins weite Land Mecklenburg-Vorpommern sind die rund 5000 beheizten Gebäude der Kirchengemeinden verteilt.

Monitoring und Energiebilanzen

Der Klimaschutzplan der Nordkirche gilt für sie alle, Monitoring und Vorgaben für Energiebilanzen sowie Best-Practice-Beispiel. „Diese große Spannbreite in der gemeinsamen Arbeit ist eine große Herausforderung“, erzählt Jan Christensen. Er ist Pastor für Umweltfragen und in der Kirche seit Jahrzehnten in Sachen Klimaschutz aktiv. Christensen nennt Beispiele: „In Mecklenburg gibt es unglaublich viele Dorfkirchen, die auch meist unter Denkmalschutz stehen. Glücklicherweise wurden hier keine Heizungen eingebaut, wie in den Kirchen der ehemaligen Bundesrepublik, wo es in den 50er und 60er Jahren ein entsprechendes Bauprogramm gab. Die Unterschiede setzen sich fort bei den Gemeindehäusern, aber auch im öffentlichen Nahverkehr. Insofern haben wir extrem verschiedene Ausgangssituationen für Gebäude und Mobilität.“

Die Landessynode beschloss 2015 als erste in Deutschland ein eigenes Klimaschutzgesetz. Dieses ist Ergebnis eines langen Prozesses, der bereits vor mehr als einem Jahrzehnt begann. Alle sechs Jahre, analog zur Amtszeit einer Synode, wird ein entsprechender Klimaschutzplan überarbeitet. So muss sich jede Synode mindestens einmal mit dem Thema vertieft auseinandersetzen. Auch personell ist Klimaschutz kein Nischenthema. Inzwischen arbeiten rund 20 Menschen hauptamtlich in der Nordkirche für mehr Transparenz, Beratung und Umsetzung von Projekten für den Klimaschutz.

Für die Bilanzierung der Gebäude gibt es Richtlinien von der Forschungsstelle der Evangelischen Studiengesellschaft in Heidelberg. Dort ist sehr detailliert angegeben, wie beispielsweise Emissionen ermittelt werden und welche Maßstäbe bei der Einordnung von Gebäuden und Energieträgern anzulegen sind.

Energiebedarf halbieren

Grob gegliedert arbeitet die Nordkirche auf drei Ebenen: der Bedarfsreduktion, der Effizienzsteigerung und dem Umstieg auf Erneuerbare Energieträger. Der gesamte Energieverbrauch der Nordkirche soll sich bis 2035 halbieren. Das wird in Zwischenschritten erreicht und überprüft. Die Maßnahmen dafür sind einerseits die Reduktion des Gebäudebestandes, aber eben auch Gebäudedämmungen und ähnliches.  Auch der Energieverbrauch für Mobilität zählt dazu, wobei hier noch die größten Wissenslücken bestehen. Bei den Gebäuden hat die Nordkirche inzwischen eine ganz gute Datenlage, wie Christensen berichtet.

Beim Umstieg auf Erneuerbare – gerade bei der Wärme – sieht Christensen die größte Handlungslücke. Bisher kommen nur drei Prozent der Wärme aus erneuerbaren Quellen. Hier soll nun schwerpunktmäßig gearbeitet werden und Pfarr- und Gemeindehäuser mit Wärmepumpen ausgestattet werden. Wo möglich, wurde bereits meist der Anschluss an ein Wärmenetz realisiert, wobei Christensen hofft, dass die Kirchengemeinden auch Einfluss auf die Stadtwerke nehmen, damit die Wärmenetze zukünftig immer öfter aus Erneuerbaren gespeist werden. Auch eigene Nahwärmenetze sind eine Alternative, zumal Kirchengebäude häufig im Ensemble stehen – Kirche, Gemeindehaus, Pfarrhaus. Kleine Nahwärmenetze mit Solarthermie oder Holzpellets gibt es schon einige, eine Gemeinde nutzt sogar die Abwärme aus einer Biogasanlage.

Lütau und Lichtenhagen Dorf – zwei Beispiele

Ein Vorzeigeprojekt hat die Kirchengemeinde Lütau bei Lauenburg realisiert. Eine neue Heizanlage, die Solarthermie und als Brennstoff Holzhackschnitzel kombiniert, versorgt Pastorat, Kita und Kirche mit Wärme. Das Besondere: die Holzhackschnitzel stammen von kirchlichen Ländereien, ganz konkret von den in Schleswig-Holstein weitverbreiteten Knicks – Feldhecken, die das Land vor Erosion schützen und regelmäßig zurückgeschnitten werden.

Wärme für sakrale Gebäude ist schon schwieriger. Christensen beschreibt die Ausgangslage: „Die Kirchen werden temperiert, sie wirklich zu heizen, geht bei den dicken Mauern und den Höhen gar nicht. Man versucht, für den Gottesdienst Behaglichkeit herzustellen. Wurde eine Heizung eingebaut, wird diese meist am Tag vorher in Betrieb gesetzt – auch dafür gibt es Regeln, wieviel und wann die Heizungen laufen dürfen.“ Mit dieser Methode wird viel fossile Energie verbraucht. Als Alternative werden immer öfter beheizte Sitzpolster eingesetzt. „Sie schaffen ganz direkt und für einen begrenzten Zeitraum das gewünschte Wohlbefinden. Alte fossile Heizungen können dann abgeschaltet bleiben.“ Zusätzlich müsse man natürlich dafür sorgen, dass Fenster dicht sind und alte Türen keinen Riesenspalt haben.  Auch die Luftfeuchtigkeit ist ein Thema in Kirchen – zu trockene Luft schadet dem Holz und den Kunstwerken.

Christensen verweist auf ein weiteres gelungenes Beispiel, bei dem Nachhaltigkeit und Teilhabe zusammen gedacht und realisiert wurden. Die Pfarrscheune Lichtenhagen-Dorf in der Nähe von Rostock wurde aufwändig energetisch saniert und bezieht Strom von einer PV-Anlage auf dem eigenen Dach. Dieser versorgt auch die Wärmepumpe, überschüssiger Strom wird in zwei Batteriespeichern gepuffert.  Das tragende Gebälk der Scheune ist erhalten geblieben, wurde teilweise ergänzt, um die Statik sicherzustellen. Die notwendige Dämmung mit steinwollegefüllten Hohlblocksteinen wurde innen ausgeführt, um die Optik der Außenfassade zu erhalten. Der Denkmalschutz ist mehr als zufrieden.

Aber nicht nur die Bauausführung kann als Beispiel für gelungene Nachhaltigkeit dienen – auch das Nutzungskonzept. Hier wurde ein Raum für Begegnungen geschaffen, der barrierefrei und einladend ist. Zwei kleine Wohnungen sind ebenfalls integriert. Petra Franke


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