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EnergieerzeugungWarum NATURSTROM mit NaturEnergy neue Wege geht

Luftaufnahme eines Windparks
Der Ökostrom-Versorger NATURSTROM geht mit der neugegründeten NaturEnergy neue Wege in der Energieerzeugung. (Foto: NATURSTROM AG)

Die NATURSTROM AG verselbständigt ihren Geschäftsbereich Energieerzeugung. Warum sich der Ökostrom-Versorger für diesen Schritt entschieden hat, erklärt Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender von NATURSTROM und Geschäftsführer der NaturEnergy.

25.05.2021 – Vor 30 Jahren waren Erneuerbare Energien etwas für Visionäre. Für wenige Wissenschaftler, Umweltverbände und Pionierunternehmen. Jedenfalls nichts für die etablierte Energiewirtschaft, die darüber nicht nur die Nase rümpfte, sondern sich mit dem Fortschreiten der Energiewende gegen die Erneuerbaren und insbesondere die Windkraft positionierte.

War vor gut 20 Jahren ein Anteil von etwa fünf Prozent im deutschen Strommix aus Erneuerbaren Quellen, ist es aktuell ein Anteil von etwa 50 Prozent. Diese großartige Entwicklung ist aber nicht den Unternehmen zu verdanken, denen die Gesellschaft den Auftrag der Energieversorgung gegeben hat, sondern dieser Erfolg wurde gegen die Interessen der alten Energiewirtschaft von Bürgern und innovativen Unternehmen erzielt. Um es zu verdeutlichen: An den Investitionen in Erneuerbare Energieanlagen waren klassische Energieversorger bis vor fünf Jahren gerade einmal um die zehn Prozent beteiligt, Landwirte und Bürger hatten dagegen etwa 70 Prozent der Investitionen getätigt.

Großkonzerne wollen verschlafene Entwicklung aufholen

Doch in den letzten Jahren hat sich einiges geändert. Nach dem Reaktorunglück von Fukushima wurde von der Bundesregierung der Ausstieg aus dem Ausstieg vom Atomausstieg verkündet. Die Diskussion um den Klimawandel und die Proteste von Bürgern und insbesondere der Jugend in der Fridays-for-Future-Bewegung sorgte dafür, dass auch für den Betrieb der Kohlekraftwerke in Deutschland ein Ausstiegsszenario beschlossen wurde. Den Konzernen wurde inzwischen klar, dass sie nicht mehr über die richtigen Kraftwerke für die Zukunft verfügen. Logisch, dass nun das Investitionsprogramm stark umgestellt wird auf Erneuerbare Energien und dass dafür die große Finanzkraft genutzt wird, eine verschlafene Entwicklung schnell aufzuholen.

Kleinteilige Bürgerwindparks und Solaranlagen am Dorfrand passen nicht zu den Konzernen, diese setzen lieber auf Großinvestitionen in Offshore-Windparks und internationale Wind- und Solarparks mit Leistungen jenseits 100 Megawatt, in den Stromgroßhandel und in neue, von der Politik geförderte Themen wie Wasserstoff und Ladeinfrastruktur. Die bisher mittelständische Struktur der Erneuerbaren-Branche stört da, sie lässt sich aber gut als Basis für die eigenen Geschäfte nutzen – indem man diese Unternehmen und sich damit den Markt kauft.

Der Konzentrationsprozess im regenerativen Energiemarkt

Für den Einstieg in den regenerativen Energiemarkt helfen auch die immens hohen Abstandszahlungen, die die Bundesregierung den Konzernen für die Stilllegung ihrer Atom- und Kohlemeiler zukommen lässt. Geld, mit dem sich die Konzerne, die eigentlich wirtschaftlich vor dem Abgrund stehen, in den verlorengegangenen Markt zurückkaufen können.

Aber es sind nicht nur die Energiekonzerne, sondern auch eine zunehmende Zahl von regionalen Versorgern und Stadtwerken, die Wind- und Photovoltaikanlagen kaufen und selbst betreiben wollen.

Käufer für neue Wind- und Solarparks kommen in den letzten Jahren zudem aus der Finanzbranche. Vor allem Versicherungskonzerne, aber auch Banken und Fonds, finden kaum noch eine Möglichkeit, ihr Geld mit akzeptabler Verzinsung anzulegen. Der Infrastrukturmarkt verspricht sichere Geldanlagen und brauchbare Renditen – und der Betrieb von erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen ist ein besonders interessantes Anlageziel, denn jeder rechnet damit, dass der Umstieg auf CO2-freie Energieversorgung unter hohem Druck vorangetrieben wird.

Genau die inzwischen immer deutlicher werdende Notwendigkeit zum schnellen Kampf gegen den Klimawandel gießt bildlich gesprochen Öl ins Feuer des bereits laufenden Konzentrationsprozesses in der Energiebranche. Denn nun haben auch die in den Milliarden-Dollar-Geschäften agierenden internationalen Öl- und Gaskonzerne sowie Hedgefonds den Markt der Erneuerbaren entdeckt. Sie drängen mit Vehemenz in den Markt und kaufen sich zusammen, was sie bekommen können.

Es geht um Big-Business – und nicht mehr um dezentrale Lösungen, um Bürgernähe und um mittelständische Innovationskraft. Gegen diese neuen Markteilnehmer wie Shell, BP, Gasprom oder chinesische Staatskonzerne sind dann selbst unsere deutschen Energiekonzerne nur noch kleine Lichter – wie also mit diesen Herausforderungen umgehen?

Eigene Aktivitäten für mehr Bürgerenergieprojekte

Für Bürgerenergieprojekte und Investitionen mittelständischer Energieversorger wird es immer schwieriger, Energieerzeugungsanlagen zu erwerben und zu betreiben. NATURSTROM hat sich schon vor Jahren auf diese Entwicklung eingestellt und eigene Geschäftsaktivitäten aufgebaut – von der Projektentwicklung und -realisierung bis zum langfristigen Anlagenbetrieb und entsprechenden Serviceleistungen.

Zusammen mit Bürgern, Gemeinden und Geschäftspartnern hat NATURSTROM viele neue Wind- und Solaranlagen ans Netz gebracht und betreibt inzwischen 70 Windenergieanlagen mit einer Leistung von rund 170 Megawatt und mehr als 150 Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von über 70 Megawatt. In den letzten zehn Jahren wurden so etwa 300 Mio. Euro investiert.

Finanziert wurde diese neue Erzeugungskapazität im Schwerpunkt mit Bankdarlehen, aber etwa ein Viertel der Investitionssumme musste als Eigenkapital zur Verfügung gestellt werden. Das macht grob 75 Mio. Euro, wovon durch Bürger in den Projektgesellschaften fast 10 Mio. Euro und etwa 65 Mio. Euro von NATURSTROM beigesteuert wurden. Um dieses zu erreichen, hat das Unternehmen sowohl Gewinne genutzt als auch Darlehen bei Bürgern aufgenommen. Eigentlich ein gutes Konzept, das man fortsetzen könnte.

Doch der steigende Wettbewerb um Projekte, die Konzentration in der Branche sowie die großen Investoren aus Finanz- und Energiewelt lassen diesen erprobten Weg nicht mehr zu. Hinzu kommen steigende Kosten für Investitionen in Anlagen, unzureichende gesetzliche Rahmenbedingungen, enorm lange Genehmigungsverfahren mit hohen Ausfallraten oder Klagen von Bürgern, die sich gegen die Erneuerbaren stellen und die „gute alte Atomkraft“ zurückhaben wollen.

Einfach weiter machen wie bisher – das wäre keine gute Option für NATURSTROM. Deshalb haben Vorstand und Aufsichtsrat Markt- und Umfeldbedingungen analysiert und die Strategie nachjustiert.

Der Kern der NATURSTROM AG liegt in der Versorgung von inzwischen bundesweit mehr als 300.000 Kunden mit sauberer Energie, sei es durch Belieferung durch fremde Netze, sei es durch Vor-Ort-Lösungen in Gebäuden, Quartieren oder Ortsteilen. NATURSTROM will und muss im Kerngeschäft die vielfältigen neuen Aufgaben, die vor allem die vor-Ort-Versorgung, die Sektorenkopplung zwischen Strom, Mobilität und Wärme und die neuen Datenwelten betreffen, aufgreifen.

Vorwärtsstrategie bei der Energieerzeugung

NATURSTROM muss auch im Geschäftsbereich Energieerzeugung eine Vorwärtsstrategie verfolgen, was allein mit den Möglichkeiten der Gruppe nicht möglich ist. Deshalb soll der Geschäftsbereich Energieerzeugung stärker verselbständigt werden.

Der Geschäftsauftrag der neu gegründeten  NaturEnergy GmbH & Co. KGaA fokussiert sich auf die Stromerzeugung aus regenerativen Quellen, insbesondere aus Sonnen- und Windenergie. Dafür investiert das Unternehmen direkt und indirekt über Beteiligungsgesellschaften in Erzeugungsanlagen. Projektierung und Bau neuer Anlagen sowie Betriebsführung und Service gehören zu den Faktoren, um langfristig im Betrieb von Wind- und Solarparks Erfolg zu haben; insofern sind solche Leistungen im Aufgabenspektrum genauso anzutreffen wie Leistungen rund um Netze, um den erzeugten Strom auch in den Markt bringen zu können.

Die NaturEnergy soll mit Zustimmung der Hauptversammlung in Schritten den bisherigen Geschäftsbereich Energieerzeugung von NATURSTROM übernehmen, also Beteiligungen an Wind- und Solarparks wie auch an operativen Gesellschaften. Sie kümmert sich bereits jetzt um alle neuen Investitionen sowie den langfristigen Betrieb der Anlagen. Noch vor dem Jahresende 2020 wurden einige der von NATURSTROM gehaltenen Beteiligungen übertragen, die NaturEnergy weist dadurch bereits in ihrem ersten Jahresabschluss ein Investitionsvolumen von etwa 6,5 Mio. Euro und auf Basis weiterer Kapitalerhöhungen durch NATURSTROM aktuell ein Eigenkapital von 7 Mio. Euro aus.

Jenseits der Anschubhilfe durch NATURSTROM kümmert sich die NaturEnergy selbst um die Finanzierung ihrer Geschäfte und Investitionen. Dazu möchte sie zukünftig auch Partner gewinnen, sehr gerne viele Bürger und einige befreundete Geschäftspartner. Das kann aber erst sinnvoll erfolgen, wenn der Umbau innerhalb der NATURSTROM-Gruppe in einigen Monaten abgeschlossen ist. NATURSTROM reduziert zukünftig den Anteil am Unternehmen schrittweise, wird langfristig aber der wichtigste und größte Aktionär der NaturEnergy bleiben.

Bereits in diesem Jahr stehen für die NaturEnergy Investitionen an. Zur Finanzierung des Baus von vier neuen Solarparks und des Ankaufs alter Windenergieanlagen sowie der Vorbereitung für neue Projekte in 2022 bietet die NaturEnergy nun über eine Crowd-Plattform ein Nachrangdarlehen an – den Lesern der energiezukunft und der naturstrom-Community wird dieses Angebot zuerst unterbreitet. (Thomas Banning)

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