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BioenergieKlimaschutz mit Pflanzenkohle?

Betriebsbesichtigung der Pyrolyse-Anlage von Carbo-Force auf dem Gelände Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde GmbH. (Foto: Jensen )
Betriebsbesichtigung der Pyrolyse-Anlage von Carbo-Force auf dem Gelände Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde GmbH. (Foto: Jensen )

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist der wichtigste Hebel, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Doch auch die Produktion von Pflanzenkohle kann die Emittierung von Kohlendioxid minimieren helfen. Zudem leistet sie einen wichtigen Beitrag für die Bodenfruchtbarkeit.

03.01.2023 – Die Produktion von Pflanzenkohle bietet derzeit Chancen. Dies bewog Mathis Block, Milcherzeuger aus Schleswig-Holstein, in diesen Bereich kräftig zu investieren. Im ersten Quartal 2023 soll der Bau einer Pflanzenkohle-Produktion auf seinem Hof in Osterrade in Schleswig-Holstein vollendet sein. „Wenn nicht jetzt, wann denn“, sagt der 34-Jährige zur Entscheidung, gemeinsam mit seinem Bruder Steffen rund eine Million Euro in die hofeigene Pyrolyse-Anlage zu stecken. Zwar haben die Brüder auch über den Bau einer Biogasanlage nachgedacht, doch sich am Ende dagegen entschieden; sie wollten lieber etwas Neues probieren.

Dabei sind viele Fragen noch nicht abschließend beantwortet. Woher kommt die Biomasse, die verschwelt werden soll? Wer nimmt die Pflanzenkohle ab? Wie kann man die Pflanzenkohle selbst auf dem Betrieb und auf den eigenen Flächen einsetzen? Wie ist sie aufzubereiten? Sicherlich, so Block, sei auch die weitere Entwicklung des CO2-Preises ein weiterer wichtiger Aspekt, ob das Vorhaben am Ende ein wirtschaftlicher Erfolg werde.

Zertifizierte pflanzenkohlebasierte Kohlestoffsenken

Spätestens mit dem Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015 und den von der Europäischen Union angestrebten Dekarbonisierung der gesamten Wirtschaft bis 2050, winken mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten steigende Erträge. So bindet eine Tonne Pflanzenkohle exakt 3,6 Tonnen Kohlendioxid.

Dementsprechend dotierte Zertifikate werden schon heute über globale Handelsplattformen wie der finnischen puro.earth gehandelt, in die kein Geringerer als die Nasdaq, die größte elektronische Börse der USA, als Hauptinvestor mit eingestiegen ist. Auch die carbonfuture GmbH ist in diesem Bereich aktiv. Das junge Freiburger Unternehmen betrachtet sich als „führende Plattform für pflanzenkohlebasierte Kohlenstoffsenken“ und bietet „zertifizierte Senken“ an.  

Preis für Kohlendioxid-Zertifikate zeigt nach oben

Kein Zweifel, die „Kohlenstoffsenken-Ökonomie“ hat Konjunktur; offenbar besonders dann, wenn Anspruch und Wirklichkeit von Klimaschutzzielen auseinanderzudriften drohen. Daher stehen die Aussichten, dass die Brüder Block mit ihrer Pflanzenkohle-Produktion tatsächlich Erfolg haben werden, insgesamt gut. Tatsächlich ist der Preis für Kohlendioxid-Zertifikate innerhalb der letzten 36 Monate nach Angaben der Leipziger Energiebörse fast annähernd um 250 Prozent gestiegen. Die Tendenz, allein schon aufgrund der in den nächsten Jahren steigenden CO2-Steuer, ist eindeutig weiter steigend.  

Aber unabhängig der Börsenkulissen drehen sich die Gedanken eines Landwirts wie Mathis Block nicht täglich ums große Ganze, sondern zuerst um das Geschehen auf dem eigenen Betrieb. Tatsächlich setzt der Milcherzeuger schon heute Pflanzenkohle als Nahrungsergänzungsmittel für seine 300 Kühe in kleinen Dosen ein. Auf seinen Gras- und Maisflächen allerdings noch nicht, was er aber optional zukünftig in Erwägung zieht.

Füttern will er die bald in Betrieb gehende Pyrolyseanlage zunächst einmal mit Holzhackschnitzel aus der Region, die gegenwärtig zum Teil noch nach Dänemark verfrachtet werden. „Das wollen wir regional verwerten“, unterstreicht Block. Auch über die Verwertung von bisher noch nicht verwertetem Reet aus der Landschaftspflege wird nachgedacht. Für ihn alles Ansätze, die er sich auch anderswo durchaus vorstellen kann.

Carbonfarming im Trend

Wird es also zukünftig an vielen Orten Pflanzenkohle-Produktionsanlagen geben? Wohl nicht, allerdings nimmt das so genannte Carbonfarming in Zeiten des Klimawandels Fahrt auf. Dieser Begriff umfasst nicht nur die Erzeugung von Pflanzenkohle, sondern meint ganz allgemein den langfristigen Aufbau von Humus. Überall im In- und Ausland bilden sich neue Netzwerke und Initiativen, die unter dem Oberbegriff der „Regenerativen Landwirtschaft“ an Tragweite zu gewinnen. In Insider-Kreisen werden schon seit vielen Jahren die besonderen Eigenschaften der Pflanzenkohle hervorgehoben: Sie hat eine enorme Bindungskapazität für Nährstoffe und auch eine hohe Wasserhaltefähigkeit.

Zudem habe sich die Technik zur Herstellung von Pflanzenkohle weiterentwickelt“, sagt Kai Alberding. Er ist Geschäftsführer von Carbo-Force aus Preetz, die zu den wenigen Pyrolyse-Anlagenherstellern in Deutschland gehört. Ihre Pilotanlage hat die Carbo-Force auf dem Gelände der Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde GmbH errichtet. Die dortige Carbonisierungsanlage verarbeitet seit Sommer 2021 holzige Abfallfraktionen (geschreddertes Knickholz, das eine Lohnunternehmung aus der Region liefert) zu feinkörnigem Kohlenstaub, die am Ende in BigBags aufgefangen werden.

Die Nachfrage sei enorm, weit höher als das Angebot. Als Input liegen dafür rund 2.400 Tonnen holzige Trockenmasse zugrunde. Dabei ist die Carbonisierungs-Anlage in einem 40-Fuß-Container ziemlich unspektakulär untergebracht. Das Verfahren arbeitet mit Prozesstemperaturen von 750 bis 800 Grad Celsius.

„Wir haben über 15 Jahre Erfahrung in der Entwicklung innovativer Carbonisierungsverfahren gesammelt. Ausgehend von der herkömmlichen Pyrolyse haben wir ein neues Verfahren mit partieller Oxidation entwickelt und für den Einsatz in der Praxis immer weiter optimiert“, erklärt Co-Geschäftsführer Malte Graf. „Während die bisher eingesetzten Pyrolyse-Verfahren durch indirekte Erwärmung über Wärmetauscher enorme Mengen Energie verbrauchen, ist es mit unserer Technologie möglich, aus den Reststoffen zusätzlich Energie zu produzieren“.

So fällt bei einer Prozessleistung von einem Megawatt und einem erstaunlich niedrigen Strombedarf von rund 8 kW Leistung rund 450 kW Abwärme an. Angesichts rapid steigender Energiekosten winkt an dieser Stelle sicherlich eine wachsende Einnahmequelle.

 

Ganzheitlich planen

Trotzdem ist die nachhaltige Etablierung von Pflanzenkohle eine komplexe Angelegenheit. So braucht jeder einzelne Standort einer Pyrolyse-Anlage eine individuelle Betrachtung, unterstreicht Christoph Thomsen, ehemaliges Vorstandsmitglied des 2017 gegründeten Fachverbandes Pflanzenkohle mit Sitz in Leonberg. Denn für den Projekterfolg einer Pyrolyse-Anlage ist bei Weitem nicht nur die Technik wichtig. Das Gesamtumfeld von der Biomassebeschaffung bis zur Pflanzenkohle-Vermarktung muss stimmen; ebenso die sinnvolle Nutzung der beim Prozess anfallenden Wärme, beispielsweise in einem Nahwärmenetz oder für Trocknungsprozesse.

Effekte der Pflanzenkohle mehrfach nutzen

Auch Thomsen lässt keinen Zweifel daran, dass die Herstellung von Pflanzenkohle und der Humusaufbau Hand in Hand gehen sollten. Thomsen leitet das Projekt HumusReich Schleswig-Holstein, das Landwirten neues Wissen über verschiedene Möglichkeiten zum Humusaufbau vermittelt. „Obwohl es aus bestehenden Initiativen zum Humusaufbau und insbesondere aus Österreich schon viele Empfehlungen zu diversen Bewirtschaftungsmethoden gibt, lässt sich dieser Ansatz aber nicht 1:1 auf Norddeutschland übertragen“, sagt Thomsen. Und zur Wirtschaftlichkeit gibt er einen Tipp: Am besten sei es, die positiven Effekte der Pflanzenkohle mehrfach zu nutzen: als Futter- oder Einstreukohle, zur Kompostierung oder als Fütterung in der Biogasanlage. Um sie dann als Gärrest, mit Nährstoffen beladen, auf den Acker zu bringen. Dierk Jensen


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Kommentare

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Wilfried Brandt 06.01.2023, 15:16:20

Vor ein paar Jahren hatte ich Gelegenheit, die Testanlage zur hydrothermalen Carbonisisierung von Klärschlamm im Klärwerk Nord der Stadt Düsseldorf zu besichtigen. Die Düsseldorfer Firma terra nova energy konnte inzwischen Anlagen in China und Mexiko realisieren. Der Düsseldorfer Stadtentwässerungsbetrieb bevorzugt die Monoverbrennung und das obwohl der Heizwert der so gewonnenen Feststoffe einen Heizwert haben die sich zwischen Braun- und Steinkohle bewegen. Damit ließe sich in Müllverbrennungsanlage der Stadtwerke richtig viel Elektrizität und Fernwäme auskoppeln. Stattdessen erzeugt man so zusätzliche LKW-Verkehre in einem ohnehin belasteten Ballungsgebiet. Zusätzlich wird eine riesige Chance vertan, das bei Einsatz des HTC-Verfahrens von terra nova energy recycelbare Phosphat für Anwendungen in der Industrie oder der Landwirtschaft vermarkten zu können. Ist der Schlamm mit großem Energieaufwand erst einmsl verbrannt, ist auch die sehr endliche Ressource Phosphat verloren.

 

Wäre doch super, wenn man sowohl die Herstellung von biogener Holzkohle mit der HTC-Technik kombinieren könnte. Allein die Realisierung energetischer Vorteile brächte zugleich eine win-win-Situation für die Umwelt.

 

Meine Lehrmeister verlangten vor über 40 Jahren immer, dass wir aus Dreck Geld machen sollten. Hier besteht eine Möglichkeit, warum nutzen wir sie nicht?

 

Informationen zum HTC-Verfahren finden sich unter:

https://www.terranova-energy.com/faq/

Wilfried Brandt 06.01.2023, 15:25:40

Die Geheimnisse der indigenen Schwarzerde (terra preta) sind lange entschlüsselt und technische Verfahren zur Produktion solcher Substrate entwickelt worden. Gleichzeitig bietet der Einsatz von terra preta zahlreiche Vorteile, die je nach Standort und Bodenverhältnissen den Einsatz syntetischer Dünger und einer Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit einschließlich dem damit verbundenen Hochwasserschutz dienen. Dieses Thema ist aber vielen Landwirten und Politikern nicht bekannt oder wird als dummes Zeug abgetan.

Ingrid Eisengarten 15.07.2023, 17:58:24

ich würde gerne terra petra in meinem Garten verwenden. Wir haben Geestboden und das Regenwasser

versickert ziemlich schnell. Wir arbeiten bereits mit bereits mit effektiven Mikroorganismen. Wo kann ich es hier inn

der Nähe bekommen und wie teuer wird es.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Eisengarten

 

Rugenbergen 29

25492 Heist

Tel.04122/81170


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