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Serie PV-Recycling Teil4Technologien für das Solarmodul-Recycling

Rezyklate aus einem Solarmodul: Reste von Busbars, Siliziumstaub und Glasreste
Materialien in guter Qualität rückzugewinnen und wiederzuverwenden, schont Ressourcen. (Foto: Reiling PV-Recycling GmbH & Co. KG)

Weltweit werden Verfahren zum Modul-Recycling entwickelt und erprobt. In existierenden Technologien sind die zurückgewonnenen Materialien oft nicht rein genug für eine adäquate Zweitverwertung. Neue Technologien stehen in den Startlöchern.

21.02.2023 – Das Modulrecycling hat vor allem mit einer Herausforderung zu kämpfen: Die bei der Herstellung mit Kunststofffolien fest verbundenen Modulbestandteile wieder aufzubrechen und die enthaltenen Materialien in hoher Reinheit rückzugewinnen. Gängige Verfahren setzen neben der relativ einfachen Entfernung von Anschlussdosen und Aluminiumrahmen auf Schreddern und Sortieren. Daneben gibt es thermische oder chemische Prozesse, mitunter eine Kombination der drei Methoden. Die nur in geringen Mengen im Solarmodul enthaltenen wertvollen Rohstoffe wie Silber oder Silizium sind mit den derzeit etablierten Verfahren nicht wirtschaftlich zu extrahieren.

Doch das wird nicht so bleiben – zu wertvoll sind die Rohstoffe, zumal sie mit dem globalen Photovoltaikausbau in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in riesigen Mengen benötigt werden. Zudem werden Überarbeitungen der Recyclingvorgaben erwartet. Die Quoten, die gemäß WEEE wiederverwertet müssen, sind mit der Abtrennung des Aluminiumrahmens und der Kabel leicht einzuhalten. Zukünftig könnten Quoten pro Inhaltsstoff gelten – dann müsste beispielsweise auch ein Teil des Siliziums oder des Silbers für neue Anwendungen aufbereitet werden.

Der Überblick über die praktizierten und in den Startlöchern stehenden neuen Technologien zeigt, dass – wie so oft bei der Herausbildung neuer Märkte – die Technik nicht der limitierende Faktor ist. Eine Reihe von Verfahren und Konzepten mit unterschiedlichen Herangehensweisen existiert – allerdings sind ob der eher spärlichen Altmodulmengen die Investitionen für einen Rollout im großen Maßstab bisher nicht erfolgt.

Hersteller First Solar mit eigenem Recycling

Vorab ein kurzer Exkurs zu Dünnschichtmodulen. Sie machen nur rund fünf Prozent der weltweit verbauten Module aus. Den Wettlauf um Marktanteile haben die kristallinen Technologien vorerst gewonnen. Die Dünnschichttechnologie mit Cadmiumtellurid (CdTe) hat mit knappen Materialverfügbarkeiten bei Tellur zu kämpfen.  CIGS-Module (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid) haben hohe Produktionskosten pro Watt.

Im Marktsegment der Dünnschichtmodule ist der US-amerikanische Hersteller First Solar der Platzhirsch. In seinem eigenen Recyclingsystem hat das Unternehmen in den letzten 15 Jahren mehr als 200.000 Tonnen Module zurückgenommen und recycelt. In Frankfurt/Oder, wo First Solar bis 2012 auch Module fertigte, ist heute ein Recyclinganlage mit einer Kapazität von 10.000 Tonnen pro Jahr in Betrieb. Die Module werden in mehreren Schritten geschreddert und danach in einem chemischen Verfahren Metalle, Halbleitermaterialien, Folien, Glas und der Halbleiter Cadmiumtellurid voneinander getrennt. Das Cadmiumtellurid wird aufbereitet und zur Herstellung neuer Module verwendet.

Recycling-Spezialist in Deutschland

In den kommenden Jahren werden vor allem kristalline Module im Recycling landen. Weil die technologische Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte so rasant verlief, bedeutet das eine Vielzahl verschiedener Modultypen, die im Recycling jeweils ihre eigenen Spezifika haben.

Die Unternehmensgruppe Reiling mit 18 Standorten in Europa, 12 davon in Deutschland, hat sich dem Recycling und der Aufbereitung von Wertstoffen verschrieben. Seit einigen Jahren recycelt Reiling auch siliziumbasierte PV-Module in größeren Mengen und hat sich damit zu einem der größten PV-Recycler Deutschlands entwickelt. Im vergangenen Jahr hat die Firma bereits über 5.000 Tonnen PV-Module aufbereitet. Das entspricht hochgerechnet einer PV-Leistung von über 60 Megawatt.

Reiling setzt auf einen mechanischen Aufbereitungsprozess bei dem Glas, Aluminium, Kabel, Kupfer und Silizium in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten zurückgewonnen werden. Bereits heute weisen die einzelnen Fraktionen eine hohe Reinheit auf. Zusammen mit dem Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle und dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme arbeitet das Unternehmen an der industriellen Rückgewinnung des Siliziums. Der Prozess ist entwickelt, eine neue Anlage soll im Mai in Münster in Betrieb gehen. Am neuen Standort werden ausschließlich Photovoltaikmodule recycelt, das wird die Kapazitäten des Unternehmens noch einmal deutlich erhöhen.  Auch bei der Reinheit der Glasscherben strebt Reiling noch Qualitätsgewinne an, so dass das zurückgewonnene Glas zukünftig auch in höherwertige Anwendungen gegeben werden kann.

Andere Verfahren sind inzwischen entwickelt und stehen an der Schwelle zur Industriereife. Die Unternehmen setzen dabei auf ganz unterschiedliche Konzepte. Noch hat der technologische Wettstreit nicht begonnen. Neben der Technik werden Partnerschaften und Logistik Faktoren sein, die über Erfolge entscheiden.

Flaxres setzt auf hochintensiven Lichtblitz

Ein komplett neues Verfahren entwickelte das Dresdener Technologieunternehmen Flaxres. Das Verfahren zum Trennen von Verbundwerkstoffen arbeitet mit einem extrem kurzen und hochintensiven Lichtblitz. Durch die damit einhergehende kurzzeitige Erwärmung brechen die Grenzschichten zwischen Siliziumwafer und EVA-Folie auf. Das Ergebnis sind Fraktionen der einzelnen Materialien, die sehr rein sind. Das Verfahren wird im nächsten Teil dieser Serie genauer beschrieben.

ROSI mit Pyrolyseverfahren

Das französische Unternehmen Rosi – die Abkürzung steht für Return of Silicon – verfolgt zwei Ansätze. Zum einen die Nutzbarmachung der feinsten Siliziumpartikel, die beim Zerschneiden der Siliziumblöcke (Ingots) in dünne Scheiben (Wafer) anfallen. Die Mikrospäne sind hochrein, da sie direkt aus dem Ingot stammen. Sie werden allerdings beim Sägen mit Schneidflüssigkeit gemischt und fallen deshalb als Schlamm an, der als Abfall gilt. 40 Prozent Silizium gehen in diesem Arbeitsschritt verloren, wie Geschäftsführerin Yun Luo erklärt. Das zu ändern sei eine lohnenswerte Anstrengung, hier müssten die Hersteller aktiv werden. Eine mögliche Verwendung für das Silizium sieht Luo in der Batterieherstellung, wo Silizium in Anoden zum Strukturaufbau verwendet wird. Für das Ziel 300 Gigawattstunden Batteriekapazität im Jahr 2025 seien 30.000 Tonnen Silizium notwendig. Dieses Silizium könnte aus dem kombinierten Abfall der Späne vom Wafer-Sägen und Silizium aus dem Modulrecycling stammen.

Rosi positioniert sich deshalb auch im Modulrecycling und arbeitet mit einem speziellen Pyrolyse-Verfahren, an das sich ein milder chemischer Prozess anschließt. Die Technologie ist industriereif. Noch in diesem Jahr will das Unternehmen in der Nähe von Grenoble ein Werk eröffnen, in dem zunächst 3.000 Tonnen Altmodule bearbeitet werden. Sukzessive strebt das Unternehmen eine jährliche Recyclingkapazität von 10.000 Tonnen an.

LuxChemtech will Know how unter einem Dach zusammenbringen

LuxChemtech ist ein relativ junges Unternehmen aus Freiberg in Sachsen, das Siliziumreste und Halbleitermaterialien aus diversen Herstellungsprozessen aufbereitet und in eigenen Produkten wiederverwertet.  Zurückgewonnenes Silizium aus Solarmodulen könnte das Unternehmen gut nutzen und will sich deshalb ein zweites Standbein im Modulrecycling schaffen. Die Firmengründer und Geschäftsführer Wolfram Palitzsch und Ingo Röver planen, 2024 in Tangermünde einen Demonstrationsbetrieb zu eröffnen. Dort sollen alle Typen von Solarmodulen, die vor 2020 verbaut wurden, recycelt werden können.

„Wir wollen verschiedene Wege zusammenführen und Synergien zwischen den im Marktumfeld tätigen Firmen heben. Deshalb sind wir auch in verschiedene Forschungsprojekte eingebunden“, erklärt Palitzsch. LuxChemtech favorisiert für kristalline Module ein Wasserstrahlverfahren, das über einen Hochdruckwasserstrahl die Modulschichten voneinander trennt und die verschiedenen Materialien separiert. Bei Dünnschichtmodulen werden die Halbleiter zunächst mit einem optischen Verfahren behandelt. Danach folgt ein chemischer Prozess, um die Halbleiterschichten abzulösen.  Metalle werden in der Regel elektrochemisch zurückgewonnen.  All diese Prozesse sollen im Demonstrator unter einem Dach zusammengefasst werden. Mit 100 Tonnen Altmodulen will LuxChemtech den Proof of Concept erbringen. Wie schnell danach ein Hochlauf der Technologie angegangen wird, hängt auch von den dann anfallenden tatsächlichen Altmodulmengen ab.  

Methode von Solar Materials ähnelt einer Produktionsanlage

Auf das Recycling kristalliner Modultypen hat sich ein Start-up aus Magdeburg spezialisiert mit dem erklärten Ziel, alle Rohstoffe aus den Modulen in automatisierten Prozessen zurückzugewinnen. Gegründet wurde Solar Materials von einem Trio. Einer der Firmengründer kommt aus dem Maschinenbau und hat im Bereich Siliziumherstellung promoviert. Die anderen beiden sind Wirtschaftsingenieure, ebenfalls mit einem Hintergrund in Produktionstechnik.

„Daraus hat sich auch entwickelt, dass unsere Anlagen anders aussehen als eine klassische Recyclinganlage, die mit großen Maschinen Teile zerkleinert. Unser Equipment ähnelt eher einer Produktionslinie nur, dass quasi rückwärts gearbeitet wird. Wir zerlegen die Module schichtweise, Schritt für Schritt“, beschreibt Fridolin Franke, einer der Firmengründer, das Konzept.

Die Magdeburger recyceln auf dem aktuellen Demonstrator bereits ganze Module. In diesem Jahr soll die die erste vollautomatisierte Recyclinglinie für den Pilotbetrieb folgen. Hier können dann bis zu 3.000 Tonnen Module palettenweise recycelt und einzelne Rohstoffe automatisiert zurückgewonnen werden.

Forschung zu neuen Verkapselungen und Verkapselungsmethoden

Zwei voneinander unabhängige Forschungsprojekte in den Niederlanden und in Taiwan wollen das Recycling durch veränderte Produktionsprozesse bei der Herstellung erleichtern. Weil die Verkapselung der Module mit Kunststofffolien die wesentliche Hürde beim  Recycling darstellt, setzen die Forscher genau hier an.

TNO Niederlande - D4R

Die niederländische Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung, kurz TNO, legt den Schwerpunkt auf das Design der Module: Das spätere Recycling wird mit einem speziellen Kniff bei der Modulherstellung erleichtert. Design for Recycling D4R nennen die Forscher ihren Ansatz. Zusammen mit drei Unternehmen haben sie eine Verkapselungsmethode entwickelt, die auf herkömmliche Folien setzt, aber einen Auslösemechanismus für die Materialtrennung am Ende der Nutzungsdauer integriert. Das Verfahren funktioniert mit geringem Energieaufwand und ist ungiftig. Die eingekapselten Materialien – die Solarzellen mit ihren Leiterbahnen – werden zerstörungsfrei und frei von Rückständen der Folie zurückgewonnen.

Im Labor wurden erfolgreich kleine Testmodule, bestehend aus vier Solarzellen, freigelegt. Die Testmodule wurden zuvor einem künstlichen Alterungsprozess ausgesetzt, der eine 30-jährigie Lebensdauer simulierte. Nun arbeiten die Forscherinnen und Forscher daran, die Methode auf handelsübliche Module zu übertragen.

ITRI Taiwan mit neuem Verkapselungsmaterial

In Taiwan verfolgen Forscher am ITRI (Industrial Technology Research Institute) zusammen mit einem Modul- und einem Folienhersteller einen ähnlichen Weg. Auch sie wollen die Bestandteile eines Moduls so miteinander verbinden, dass sie sich später leicht trennen lassen. Das ITRI-Team setzt bei der Konstruktion des Moduls auf ein neues Verkapselungsmaterial. Nach Aussage der Forscher hat das zurückgewonnene Silizium einen hohen Reinheitsgrad und reduziert damit den Bedarf an neuen Rohstoffen. In Folge könnten mit dieser Technologie die Kohlenstoffemissionen von PV-Modulen um 50 Prozent oder mehr reduziert werden.

Das neue Material zusammen mit einer neuen Prozesstechnologie biete der PV-Industrie eine Eintrittskarte in die nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Mit dem leicht zerlegbaren Solarmodul würden nicht nur die Schwierigkeiten des Recyclings beseitigt, sondern auch die Arbeitskosten minimiert. Das Modul hat bereits einige internationale Test und Zertifizierung erfolgreich absolviert, unter anderem den IEC 61215 und IEC 61730-Test. Im ersten Quartal 2023 soll es die freiwillige Produktzertifizierung (VPC) Taiwans erhalten.

Elektrohydraulisches Verfahren vom Fraunhofer IWKS

Am der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS haben die Forschenden den Anspruch, Lösungen nicht nur zu bewerten, sondern auch selbst zu liefern. Man arbeitet an einem Verfahren, dass Module elektrohydraulisch zerkleinert. Das Verfahren ist nicht nur auf Solarmodule begrenzt anwendbar, sondern mit Modifizierungen auch für andere mit Verbundmaterialien gefertigte Produkte. In einem wassergefüllten Reaktor werden die Module elektrischen Schockwellen ausgesetzt, die ähnlich einem Hammerschlag wirken.

Da der gesamte Prozess im Wasser stattfindet, wird das Modul allerdings nicht punktuell, sondern von allen Seiten gleichzeitig angegriffen und deshalb an den Materialgrenzen und Klebestellen getrennt. Die zerkleinerten Bestandteile lassen sich im Anschluss leicht in verschiedene Materialfraktionen trennen. Das Verfahren ist technisch ausgereift, die Prozesse jedoch noch nicht automatisiert. Für diesen Schritt sind große Investitionen notwendig, für die noch kein Industriepartner gefunden wurde. Hier wirken die mittelfristig schwer quantifizierbaren Recyclingmengen bremsend. Die Förderung von Investitionen in Recycling-Strukturen könnte nach Meinung von Daniel Horn vom Fraunhofer IWKS das Henne-Ei-Problem lösen. Petra Franke

Die energiezukunft-Serie zum PV-Recycling im Überblick

Teil 1: Globale PV-Recycling-Märkte

Teil2: PV-Recycling in Europa

Teil3: Nachhaltigkeit beginnt in der Herstellung

Teil4: Recycling-Technologien und Forschung

Teil5: Flaxres – Blick auf ein spezielles Verfahren zum Modulrecycling

Teil6: Sammelsystem und rechtliche Rahmenbedingungen in Europa

Teil7: Exkurs zum Gebrauchtmarkt


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