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Klimaklage gegen RWEBedrohung durch den Klimawandel eindeutig

Ein Mann steht an einem Bergsee mit einem Gletscher im Hintergrund
Kläger Saúl Luciano Lliuya beim Gletschersee Palcacocha. Im Hintergrund Pucaranra- und Palcaraju-Gletscher, die aufgrund der Klimakrise rapide schmelzen. (Bild: Walter Hupiu Tapia / Germanwatch e.V.)

Ein peruanischer Bauer klagt gegen das fossile Gebaren RWEs. Bei einem Ortstermin in Peru machten sich Richter:innen und Prozessbeteiligte ein Bild über die Bedrohung des Klimawandels für das Haus des Klägers, mit eindeutigen Erkenntnissen.

03.06.2022 – Gut anderthalb Jahre mussten der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya und seine Anwältin Roda Verheyen auf den Ortstermin warten. Doch vergangene Woche war es endlich soweit, Richter:innen, Rechtsbeistände und Sachverständige machten sich ein Bild von der Lage in der Andenstadt Huarez und dem Haus von Lliuya. Das ist nach Ansicht des Klägers und seiner Anwältin von einer Flutwelle aufgrund des oberhalb der Stadt liegenden Gletschersees Palcacocha bedroht.

Luciano Lliuya führt an, dass der Klimawandel für einen rapide schmelzenden Gletscher verantwortlich ist, der den Gletschersee füllt und zudem die Gefahr besteht, dass große Eis- und Felsteile in den See stürzen, die die Flutwelle auslösen könnten. Bereits 2015 zog Luciano Lliuya daher vor ein Essener Gericht, um den in der Stadt ansässigen Energiekonzern RWE zu verklagen. Die Klage soll den Nachweis erbringen, dass RWE mit seiner klimaschädlichen Wirtschaftsweise den Lebensraum des Peruaners in den Anden gefährdet.

Das Essener Gericht wies die Klage jedoch ab. Zwei Jahre später ließ das Oberlandesgericht (OLG) in Hamm die Klage wiederum zu. Das Gericht interpretierte einen Paragraphen im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch neu. Paragraph 1004 kommt normalerweise in direkten Nachbarschaftsstreitigkeiten zum Einsatz und regelt, ob Eigentum durch einen Störer beeinträchtigt wird. Das OLG in Hamm entschied, dass der Klimawandel mit seinen grenzüberschreitenden Auswirkungen ein globales Nachbarschaftsverhältnis herbeigeführt hat.

Dafür mussten sich die Richter:innen des OLG Hamm ein eigenes Bild der Lage vor Ort machen. Aufgrund der Corona-Pandemie und geltenden Reisebeschränkungen verzögerte sich die Reise jedoch – bis letzte Woche. „Ich bin sehr glücklich, dass ich nun in der Lage war, den Menschen die Gletscherschmelze vor Augen zu führen“, sagte Luciano Lliuya bei einer anschließenden Pressekonferenz diese Woche. „Nun kann der Fall endlich fortgeführt werden. Wir wissen nicht, wie er ausgehen wird, aber wir hoffen auf ein positives Urteil.“

Der vor Ort Termin in den Anden diente der Beweisführung in zweierlei Hinsicht. Zum einen, ob Haus und Hof wirklich bedroht sind. Und zum anderen, ob diese potenzielle Bedrohung ihre Ursache in den klimatischen Veränderungen hat. Dafür besichtigten die Prozessbeteiligten das Haus von Luciano Lliuya, sowie den Gletscher und Gletschersee oberhalb von Huarez, samt dazu gehörigem Staudamm, der in den Siebzigerjahren gebaut wurde.

„Die aufgenommenen Beweise sind überwältigend“, so Rechtsanwältin Roda Verheyen. Die Beweisführung vor Ort habe klar aufgezeigt, dass nicht nur das Haus von Luciano Lliuya sondern auch die Heimat von 50.000 weiteren Menschen in der Region durch den ansteigenden Gletschersee und mögliche abbrechende Gletscher- und Felsbrocken von einer verheerenden Flutwelle bedroht sind.

Unterstützt wurden die Prozessbeteiligten von lokalen Expert:innen und der Verwaltung. Diese verwiesen die Delegation aus Deutschland auch auf einen Erdrutsch vor 20 Jahren in einen See in der Region, der eine Flutwelle erzeugte, die weitaus höher war als der dortige Staudamm. Wie gefährdet der Gletschersee Palcacocha inzwischen ist, ergaben Messungen vor Ort. Seit den 1970er Jahren ist der See um das 34fache seines Volumens angewachsen.

„Der Einfluss der Globalen Erwärmung auf diesen starken Anstieg ist bewiesen. Das macht auch der neueste Bericht des Weltklimarat einmal mehr deutlich“, so Professor Christian Huggel, Gletscherwissenschaftler an der Universität Zürich. Inwieweit der Energiekonzern RWE dafür Verantwortung zu tragen hat, müssen nun die Richter:innen in Hamm entscheiden. Konkret geht es um Zahlungen von rund 17.000 Euro für Schutzmaßnahmen, die Luciano Lliuya vor einer Flutwelle schützen.

Sollte der Peruaner recht bekommen, könnte das aber noch weitaus größere Auswirkungen haben, wie Christoph Bals von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch erläutert, die die Klage unterstützen. „Der Fall ist schon jetzt ein weltweit relevanter Präzedenzfall: Wer andere durch große Mengen freigesetzter Treibhausgase schädigt, trägt Verantwortung für die Schäden – angesichts der globalen Wirkung des hier freigesetzten CO2 auch in der globalen Nachbarschaft.“ Wenn nun auch die wissenschaftliche Evidenz in diesem Fall dargelegt werde, könne das erhebliche Konsequenzen für Justiz, Politik und Finanzmarkt weltweit haben. mf


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