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Gerichtsbeschluss zu LützerathDie Verantwortung liegt jetzt bei der Politik

Ein Mensch hält einen Regenschirm, auf dem steht: "Alle Dörfer Bleiben"
Das Bündnis Alle Dörfer Bleiben setzt sich für den Erhalt von Dörfern ein, die durch den Abbau fossiler Energien im Rheinland und anderswo bedroht sind. Erkennungszeichen ist ein gelbes Kreuz. (Foto: Christoph Schnüll, flickr, CC BY 2.0)

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: RWE darf für den Kohleabbau in Garzweiler einen Hof in Lützerath abreißen. David Dresen vom Bündnis Alle Dörfer Bleiben fordert Bund und Land auf endlich gesetzgeberisch dagegen tätig zu werden.

30.03.2022 – Der Landwirt Eckardt Heukamp will nicht freiwillig gehen und klagte gegen die Enteignung seines Hofes und Ländereien in Lützerath, die der Energiekonzern RWE für eine Erweiterung des Tagebaus Garzweiler II angestrengt hatte. Noch im Januar erklärte das zuständige Oberverwaltungsgericht Münster, dass aufgrund einer „schwerwiegenden Erkrankung des zuständigen Berichterstatters sowie der Komplexität des Verfahrens“ keine schnelle Entscheidung gefällt werden könne. Nun hat das Gericht sein Urteil gefällt und den Eilantrag gegen die Enteignung abgewiesen. David Dresen vom Bündnis Alle Dörfer Bleiben zeigt sich bestürzt und kämpferisch.

Wie geht es dir nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster?

Ich bin gleichermaßen überrascht und empört. Da sich das Gericht so lange Zeit gelassen hat mit ihrer Entscheidung, hatten wir die Hoffnung, dass sich die Richter eingehend mit unseren Argumenten beschäftigen. Doch am Ende hat das Gericht klimapolitische und energiewirtschaftliche Fragen überhaupt nicht in Erwägung gezogen und lediglich entschieden, dass die Enteignung verwaltungsrechtlich richtig ist und sich die Politik um andere Fragen kümmern müsse. Dafür hätte man keine drei Monate zusätzlich in Anspruch nehmen müssen. Das ist der altbekannte Sachstand des Bergrechts. Unserer Ansicht nach hätte das Oberverwaltungsgericht aber andere Auslegungsmöglichkeiten gehabt.

Eure Argumentation stützt sich unter anderem auf eine Analyse des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, wonach eine Abbaggerung Lützeraths Deutschlands Beitrag zum 1,5 Grad-Ziel gefährdet.

Das ist richtig. Und selbst wenn wir das 1,5 Grad-Ziel außen vor Lassen und nur das Ziel Kohleausstieg 2030 betrachten, kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir die Braunkohle unter Lützerath nicht brauchen. Auch aus energiewirtschaftlicher Perspektive gibt es keinen Grund Lützerath abzubaggern. Das Gericht aber hat sich allein an dem gültigen Hauptbetriebsplan orientiert und dass der Markt grundsätzlich Kohlebedarf hat.

Könnten Ukrainekrieg und Energiekrise eine Rolle bei der Entscheidung des Gerichtes gespielt haben?

Wir sind davon ausgegangen, dass das Gericht Entwicklungen zu einem möglichen Gas-Embargo abwartet. Aber in dem Urteil wird darauf nicht Bezug genommen. Sie beziehen sich allein auf verwaltungsrechtliche Akte.

Die RWE argumentiert aber, dass man im Zuge des Ukrainekrieges eine sichere Versorgung mit Braunkohle gewährleisten müsse.

Noch steht ja gar nicht fest, welche Kraftwerke überhaupt in eine Sicherheitsreserve gehen könnten. Und die Bundesregierung hält ja weiterhin an einem Kohleausstieg 2030 fest. Selbst wenn es durch die Ukrainekrise zu einem kurzfristig höheren Bedarf an Braunkohle kommen sollte, müsste dieser, so unsere Argumentation, klimapolitisch mittelfristig wieder ausgeglichen werden. Und das ist durch die Erneuerbaren Energiepläne der Bundesregierung möglich. Ein kurzfristig höherer Bedarf kann in den nächsten Jahren auch durch Kohlebestände in der bestehenden Ausdehnung des Tagebau Garzweiler gewonnen werden. Zudem gibt es weitere unbewohnte Gebiete, die abgebaggert werden könnten, ohne Lützerath zu gefährden.

Wo müssen Bund und Land jetzt gesetzgeberisch tätig werden, damit das Oberverwaltungsgericht zu einer anderen Entscheidung kommt?

Zuerst einmal müsste Deutschland anerkennen, dass es ein bestimmtes CO2-Budget einhalten muss, um seinen Beitrag zum 1,5 Grad-Ziel zu leisten. Daraus müssten sich dann konkrete Maßnahmen ergeben. Und daraus würde folgen, dass der Tagebau Garzweiler II viel früher dicht gemacht werden müsste. Doch vor dieser Anerkennung und entsprechenden Maßnahmen drückt sich die Politik bislang.

Auch das bestehende Bergrecht müsste reformiert werden.

Dort spielt der Klimaschutz bislang keine Rolle. Enteignungen sind für eine vermeintliche energiewirtschaftliche Notwendigkeit erlaubt. Und eine Rohstoffsicherungsklausel sichert, dass der Bergbau und die darin erhaltene Braunkohleförderung durch andere Regelungen möglichst nicht beeinträchtigt wird. Daher gehört das Bergrecht ebenfalls dringend reformiert. Das aber wird noch dauern. Kurzfristig braucht es erst einmal ein Abrissmoratorium für Lützerath. Damit hier nicht vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor die Politik möglicherweise andere Entscheidungen trifft.

Gibt es denn die Befürchtung, dass RWE bald mit dem Abriss des Hofes beginnt?

Nach Aussage der Polizei gibt es bislang keinen Auftrag Lützerath zu räumen, wo neben dem Landwirt Eckardt Heukamp noch weitere Aktivist:innen wohnen. Für die kommenden Wochen fürchten wir also nichts dergleichen. Gemeinsam mit seiner Anwältin wird Eckardt Heukamp nun prüfen, ob sie mit ihrem Eilantrag gegen die Enteignung vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Und wir vom Bündnis Alle Dörfer Bleiben werden gemeinsam mit vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Gruppen bereitstehen, Lützerath friedlich und notfalls auch mit Sitzblockaden zu verteidigen und zugleich Druck auf die Politik auszuüben. Das Gericht hat ja ganz klar gesagt, der Bestand von Lützerath ist eine politische und keine juristische Aufgabe. Deswegen erwarten wir von der aktuellen, wie auch der kommenden Landesregierung, dass sie sich für einen Erhalt von Lützerath stark machen.

Mitte Mai stehen Landtagswahlen in NRW an. Wie ist deine Einschätzung zu den Parteien hinsichtlich der Causa Lützerath?

Die SPD schweigt bislang zu Lützerath, während sich CDU und FDP für einen Abriss aussprechen. Erst gestern hat der zuständige Landtagsabgeordnete der CDU für die Region, Thomas Schnelle, die Entscheidung des Gerichts begrüßt und gesagt, dass Lützerath auch bei einem Kohleausstieg 2030 nicht zu retten sei. Grüne und Linke hingegen positionieren sich grundsätzlich für die Rettung aller Dörfer und die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels. Ob sie diese Standpunkte in einer Regierungskoalition aufrechterhalten würden, bleibt abzuwarten.

Das Interview führte Manuel Först


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