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Klimawandel – Neue StudieGletscherschwund in den Alpen schreitet unaufhaltsam voran

Der Große Aletschgletscher, großflächigster Gletscher der Alpen, schmilzt unaufhaltsam: 1979 (links), 1991 (Mitte) und 2002 (rechts). (Foto: L. Albrecht/Pro Natura Zentrum Aletsch / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)

Der Klimawandel trifft die Alpen besonders hart: Weniger Schnee, Erosionen, die Gletscher schmelzen. Ein Forscherteam hat nun den Alpenraum als Ganzes unter die Lupe genommen und ist zu einem weiteren alarmierenden Ergebnis gekommen.

04.07.2020 – Laut einer neuen Studie, die im Fachjournal "Nature Communications" publiziert wurde, haben die Alpengletscher bereits ein Sechstel ihres Eisvolumens verloren. Demnach wären über 22 Kubikkilometer Eis abgeschmolzen. Besonders hart treffe es den Schweizer Alpenraum. Das Forscherteam untersuchte mit neuen Methoden die Regionen übergreifende Gletscherentwicklung. Dabei umfasst die Studie lediglich den Zeitraum von 2000 bis 2014.

Um Daten zu insgesamt rund 4.000 Gletschern im gesamten Alpenraum zu erheben, nutzte das Team vom Erlanger Institut für Geografie Daten von Radarsatelliten. Damit ließen sich dreidimensionale Modelle der Erdoberfläche erstellen, diese kombinierten die Wissenschaftler mit optischen Satellitenaufnahmen. So konnten sie Flächen als auch Höhen der Gletscher messen.

Das Team ermittelte somit einen Masseverlust von 1,3 Gigatonnen jährlich, seit dem Jahr 2000. Über die Hälfte davon entfällt allein auf die Schweizer Alpen, deren Gletscher rund 0,7 Gigatonnen an Masse pro Jahr verlieren. Die Schweiz hat die größten Gletscherflächen und zugleich die höchste Schmelzrate. So verlor die Oberfläche des Großen Aletschgletscher im Schweizer Wallis mehr als fünf Meter pro Jahr in den unteren Lagen. Mit rund 82 Quadratkilometern ist der Aletsch der flächenmäßig größte Alpengletscher. In den österreichischen und italienischen Alpen beträgt der Verlust laut Messung der Forscher jeweils rund 0,25 Gigatonnen jährlich, in den französischen Alpen sind es 0,16 Gigatonnen pro Jahr.

Zuerst trifft es laut Studie die Randgebirge des Alpenraums, hier auch die höheren Lagen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Regionen bald schon eisfrei sein werden. In den höchsten Lagen der Zentralalpen konnten die Forscher noch keine signifikante Eisschmelze ausmachen. Die niederalpinen Gebirgszüge könnten jedoch laut Studienergebnissen schon bis Ende dieses Jahrhunderts nahezu eisfrei sein. Das verbleibende Gletschervolumen der gesamten Alpen würde dann etwa ein Drittel gegenüber dem Volumen zu Beginn des 21. Jahrhunderts betragen. Größere Eismengen könnten voraussichtlich in den Penniner und Berner Alpen übrigbleiben, während die Dauphiné-, Glarus- und Lepontinischen Alpen noch in diesem Jahrhundert nahezu eisfrei sein könnten.

Anpassung an den Klimawandel

Die Beobachtungen liefern nun wichtige Informationen für die zukünftige Forschung zu verschiedenen sozioökonomischen Auswirkungen wie Wasserressourcenmanagement, Risikobewertungen und auch Auswirkungen auf den Alpen-Tourismus. Als eine wichtige Volkswirtschaft hängt etwa der Sommertourismus teilweise von der Landschaft der vergletscherten Alpenlandschaft ab. Schrumpfende Gletscher verändern die Form der Landschaft, die Häufigkeit von Naturgefahren steigt.

Peak Water – Europas Wasserspeicher in Gefahr

Doch nicht nur Bergsteiger und Skifahrer sollten sich Sorgen um die Gletscherschmelze machen: Die Alpen sind auch ein wichtiges Wasserreservoir für Teile Europas. Die anhaltende Reduzierung des Gletschervolumens stellt die zukünftige Wasserversorgung vor allem in Trockenperioden und damit auch die zivile Sicherheit vor große Herausforderungen.

Flüsse wie die französische Rhone und der italienische Po werden im Sommer hauptsächlich durch Schmelzwasser aus den Gletschern gespeist. Wenn die Gletscher stark reduziert oder gar verschwunden sind, sieht es für die Bewässerung in der Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung vieler Gemeinden verheerend aus. In den Jahren 1908 bis 2008 trug die Gletscherentladung 20 Prozent zum Abfluss der Flüsse Rhone und Po im August bei. Der maximale Abfluss aus der Gletscher-Langzeitspeicherung (Peak Water) werde bereits in den kommenden Jahrzehnten erreicht, so die Studie. Auf regionaler Ebene wirkten sich die Änderungen des saisonalen Abflusses auch auf die Erzeugung Erneuerbarer Energie in den Alpenländern aus und erfordern Anpassungsstrategien für die Wasserkraft.

Frühwarnsystem Alpen

Rasanter Temperaturanstieg, Gletscherschmelze, verschwindender Permafrost – die Alpen sind bereits heute in Not, warnt auch Stefan Witty, Vizepräsident der Alpenschutzkommission CIPRA Deutschland. „Sie sind in der Klimakrise für den gesamten europäischen Kontinent ein Frühwarnsystem. Denn hier lassen sich heute schon Auswirkungen des Klimawandels ablesen, die uns in absehbarer Zeit im Flachland erwarten könnten.“ na


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