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KlimakriseNorwegens Ölpolitik wird vor Oberstem Gericht verhandelt

Walflosse in der Barentssee
Sensibles Ökosystem Arktis: Wo Wale sich tummeln, soll erneut nach Öl gebohrt werden. Umweltschützer ziehen dagegen nun vor Norwegens Oberstes Gericht. (Foto: Andrew Shiva / Wikipedia / CC BY-SA 4.0)

Während sich Norwegen als Klimaschutz-Musterstaat zeigt, profitiert das Land vom Öl-Export, das in der Arktis gefördert wird. Greenpeace will die von der Regierung vergebenen Ölbohrlizenzen erneut prüfen lassen, diesmal vor dem Obersten Gericht.

10.11.2020 – Norwegens Ölpolitik soll nun vor dem höchsten Gericht des Landes in Oslo verhandelt werden. Der skandinavische Staat präsentiert sich gerne und mit Erfolg als mustergültiges Land für den Klimaschutz. Autos fahren elektrisch und mit grünem Strom. Die Stromerzeugung basiert in Norwegen fast ausschließlich auf Erneuerbaren Energien, vor allem aus Wasserkraft, sowie aus Windenergie und thermischen Kraftwerken. Seit diesem Jahr sind Ölheizungen verboten.

Klimaschutz auf höchstem Niveau kann man sich hier locker leisten. Norwegens Wirtschaft floriert, dabei hat die Ölförderung Norwegen seit den 1950-erJahren zu einem der reichsten Länder der Welt gemacht.

Doppelmoral wird zum Problem

Seinen Reichtum schöpft das Land also fast ausschließlich aus dem weltweiten Export von Öl und Gas. Das ist kein Geheimnis – doch viele Beobachter sehen das zunehmend als Problem. Der börsennotierte Öl- und Gaskonzern Equinor, dessen Mehrheit vom norwegischen Staat gehalten wird, verspricht indes eine „klimafreundliche“ Ölförderung: Die Förderplattformen würden mit Ökostrom aus norwegischer Wasserkraft betrieben. Das reduziere den CO2-Ausstoß bei der Ölförderung entscheidend. Was danach bei der Verbrennung des Öls an globalen Klimagasemissionen anfällt – dafür will Norwegen keine Verantwortung übernehmen.

Greenpeace und weitere Umweltschutzorganisationen wollten da nicht länger zusehen und sind bis vors Oberste Gericht des Landes gezogen, um eine Zulassung neuer Ölbohrungen in der Arktis verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen. Verhandelt werden soll die Frage, ob Norwegen mit seinem wichtigsten Wirtschaftszweig gegen das norwegische Grundgesetz verstößt. Im Januar dieses Jahres waren die Umweltschützer mit der Klage gegen Ölbohrungen in der Arktis im zweiten Anlauf gescheitert. Die Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz wurde abgewiesen. Die Richter waren sich damals einig, dass der norwegische Staat mit der Erlaubnis neuer Ölbohrungen nicht gegen den als Umweltparagrafen bekannten § 112 der norwegischen Verfassung verstoßen würde.

Greenpeace hatte direkt danach angekündigt, das Urteil vor dem Obersten Gerichtshof in Oslo erneut anfechten zu wollen. Die Umweltschutzorganisation sieht noch Hoffnung, zumal das Gericht immerhin festgestellt habe, dass heutige und künftige Generationen ein Recht auf eine gesunde Umwelt hätten, was der § 112 der Verfassung eben besage. Damit stehe der Staat doch in der Verantwortung. Daher müssten auch die Emissionen in Betracht gezogen werden, die im Ausland durch den Gebrauch von norwegischem Öl entstehen, schloss Greenpeace daraus.

Eine weitere Argumentation der Umweltschützer: Mit der Zulassung von Ölbohrungen in der arktischen Barentssee habe der norwegische Staat das Klimaschutzabkommen von Paris verletzt. 2016 hatte Norwegen nach 20 Jahren Pause neue Ölbohrungen in der arktischen Barentssee zugelassen, laut Greenpeace also fast zeitgleich zur norwegischen Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens. Bereits damals reichten Greenpeace und weitere Umweltschützer die erste Klage ein. Die Öffnung der Arktis für Ölbohrungen in Zeiten des Klimanotfalls sei inakzeptabel, sagte Frode Pleym, Leiter von Greenpeace Norwegen, gegenüber der norwegischen Presse. Dafür müsse der Staat Verantwortung tragen.

Die Umweltorganisation zeigt sich nun zuversichtlich, dass der Oberste Gerichtshof den Einfluss des norwegischen Staates auf die Klimakrise anerkennen und die neuen Öllizenzen für die Arktis für ungültig erklären werde. Sie hoffen, dass das Verfahren zu einem Präzedenzfall für künftige Klimaklagen werden könnte – und auch darauf, dass Ölbohrungen im sensiblen Ökosystem Arktis schließlich verboten werden.

Norwegen hält indes an seiner Strategie fest und will die Ölförderung fortsetzen. Die Genehmigungen von 2016 haben nach Ansicht der norwegischen Regierung die politischen Instanzen regelkonform durchlaufen und seien verfassungskonform.

Mehr als eine halbe Million Norweger hatten eine Petition zur Unterstützung der Klage unterschrieben. Das Verfahren bringt erneut Norwegens zweifelhafte Ölpolitik auf die politische Agenda des Landes. Die Ölindustrie befindet sich in der Krise. Die Zahl aller laufenden Probebohrungen vor den Küsten Norwegens hatte sich denn auch innerhalb eines Jahres schon fast halbiert. Neue Bohrungen schaden nicht nur Umwelt und Klima, sondern sind auch wirtschaftlich gesehen nicht mehr zukunftsweisend.

Bis 12. November will das Gericht die Berufung von Greenpeace und weiteren Umweltschutzorganisationen zu ihrer Klimaklage prüfen. Mit einem Urteil wird voraussichtlich Ende dieses Jahres oder Anfang 2021 gerechnet. na


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