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Im Globalen SüdenWo die Klimakrise am schlimmsten, ist der Hunger am größten

Eine Frau mit Kind läuft an einem Flüchtlingscamp mit Zelten entlang
Erneut mussten wegen anhaltender Dürre in diesem Jahr Menschen ihre Heimat in Somalia verlassen und suchten Zuflucht in Flüchtlingscamps. (Bild: © European Union, 2022 (photographer: Said Yusuf Warsame), flickr, CC BY 2.0)

Ob Dürre oder Fluten, in Ländern mit häufigen Wetterextremen leiden besonders viele Menschen unter Hunger. Aus eigener Kraft können diese Staaten die Probleme nicht abwenden. Helfen könnte eine stärkere Besteuerung fossiler Konzerne.

16.09.2022 – Hitze und Dürre in diesem Jahr, Überflutungen im letzten – auch in Deutschland und Europa ist die Klimakrise längst angekommen. Doch so schlimm, wie in vielen Ländern des Globalen Südens ist es noch lange nicht. Die Studie Hunger in a heating world, der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Oxfam, nimmt die zehn Länder in den Blick, die in den letzten zwei Jahrzehnten am häufigsten von extremen Wetterereignissen als Folge der Globalen Erwärmung heimgesucht wurden: Somalia, Haiti, Djibouti, Kenia, Niger, Afghanistan, Guatemala, Madagaskar, Burkina Faso und Zimbabwe.

Allesamt Länder, die schon ohne Klimakrise „unter anhaltenden Konflikten, grassierender Ungleichheit und Wirtschaftskrisen leiden“, wie Gabriela Bucher, Generaldirektorin von Oxfam International, ausführt. Da die Länder nicht die Mittel haben, die verheerenden Katastrophen selbst abzuwenden, kämpfen dort heute mehr als doppelt so viele Menschen mit akutem Hunger als noch vor sechs Jahren, wie Oxfam in der Studie aufzeigt. 2016 waren es 21 Millionen, heute sind es 48 Millionen. 18 Millionen von Ihnen seien sogar akut gefährdet an Hunger zu sterben, wie Oxfam mahnt.

Somalia kämpft aktuell mit der verheerendsten Dürre, die je im Land dokumentiert wurde. Eine Millionen Menschen wurden durch die Dürre bereits zur Flucht gezwungen. Der Notre Dame Global Adaption Index weist die Fähigkeit von Ländern auf mit den Auswirkungen der Klimakrise umzugehen. Dort wird Somalia auf den 172ten Platz von 182 Ländern eingestuft. Deutschland befindet sich in diesem Ranking auf Platz acht. Schon im letzten Jahr litten laut Global Report for Food Crisis 3,5 Millionen Menschen in Somalia unter Hunger. Tendenz in diesem Jahr weiter steigend. Zwischen 2000 und 2021 zählten die Vereinten Nationen ganze 16 Wetterextreme in dem Land, vorrangig Dürren. Doch 2019 sorgten auch starke Regenfälle und Überschwemmungen für Ernteausfälle.

Die Klimakrise befördert Konflikte

Im Karibikstaat Haiti zählte die UN in den vergangenen zwei Jahrzehnten 12 extreme Wetterereignisse. Dort waren es vorrangig Überschwemmungen in Folge von Hurrikans, die das Land heimsuchten. Dazu kommen wiederholt Erdbeben, die ebenso wie Überschwemmungen, die Existenzgrundlage vieler Menschen zerstören. 4,4 Millionen Menschen leiden dort akut unter Hunger. Noch deutlich mehr sind es zurzeit in Afghanistan, mit 22,8 Millionen Menschen. Verantwortlich dafür ist vor allem die derzeitige politische Situation mit der Machtübernahme der Taliban im letzten Jahr. Doch das Land leidet ebenso unter klimawandelbedingten Wetterextremen. Sieben zählte die UN in den letzten beiden Jahrzehnten. Und diese verstärken, wie anderswo existierende Konflikte, etwa im Kampf um Ressourcen.

Schon 2007 warnte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU) vor dem steigenden Sicherheitsrisiko, das dem Klimawandel innewohnt und benannte vier Bereiche in denen klimabedingte Konfliktkonstellationen entstehen könnten: Rückgang der Süßwasserverfügbarkeit, Rückgang der Nahrungsmittelproduktion, Zunahme von Sturm- und Flutkatastrophen und Migration.

Eine Studie von 2019 belegte diesen Zusammenhang für den syrischen Bürgerkrieg und weiteren Konflikten in Libyen, Ägypten und Südsudan. Alle Konflikte brachen zwischen 2010 und 2012 aus. Zuvor gab es in den Regionen lange und intensive Dürreperioden. Mit dem Vergleich eines weltweiten Dürre-Index, sowie Listen des UN-Flüchtlingshilfswerks über weltweite Asylanträge und Daten über Tote bei gewaltsamen Konflikten, konnten die Forscher bestätigen, dass nach Dürren die Wahrscheinlichkeit von Konflikten und dadurch bedingte Migrationsströmen deutlich anstiegen. Zugleich müsse laut den Forscher:innen aber viel zusammenkommen damit aus einer Klimakrise ein schwerer Konflikt und anschließende Fluchtbewegung wird. Entscheidend dafür seien die politischen Verhältnisse.

Gegen den Hunger mit Geld fossiler Energiekonzerne?

Verantwortlich für den menschengemachten Klimawandel sind die zehn am häufigsten von Wetterextremen betroffenen Länder nicht. Laut Studie von Oxfam sind sie lediglich für 0,13 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Die G20 Staaten hingegen, die als überwiegend wohlhabende Länder die Folgen von Wetterextremen besser abfedern können, sind für Dreiviertel des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Fossile Energiekonzerne tragen erheblichen Anteil daran.

„Wir können die Klimakrise nicht bewältigen, solange wir die grundlegenden Ungleichheiten in unseren Ernährungs- und Energiesystemen nicht bewältigen. Die Kosten dafür können leicht gedeckt werden, indem umweltverschmutzende Unternehmen stärker besteuert würden“, sagt Bucher von Oxfam. Ein einziges Prozent des durchschnittlichen Jahresprofits der fossilen Energiekonzerne würde laut Bucher 10 Milliarden US-Dollar freisetzen. Damit wäre der größte Teil der Finanzierungslücke für den UN-Aufruf zur Ernährungssicherung geschlossen. 49 Milliarden US-Dollar sind laut UN nötig, um den gesamten Bedarf an humanitärer Hilfe im Jahr 2022 zu decken. Legt man die Profite fossiler Energiekonzerne der vergangenen 50 Jahre zugrunde, könnten laut Oxfam die Profite von nicht einmal ganz 18 Tagen diesen Bedarf decken. mf


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