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Die Meinung
03. September 2020

Bürgerenergie wird verschärft in Quarantäne gehalten

Die Angst des Gesetzgebers vor dezentraler Bürgerenergie zieht sich wie ein roter Faden durch die EEG-Novelle. Der Eigenverbrauch wird weiterhin mit EEG-Umlage belegt und für Ausschreibungsteilnehmer generell untersagt. Solare Dachanlagen müssen künftig in das bürokratische Ausschreibungsverfahren.

Prof. Dr. Uwe Leprich, Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken, Lehrstuhl Wirtschaftspolitik und Energiewirtschaft

Prof. Dr. Uwe Leprich, Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken, Lehrstuhl Wirtschaftspolitik und Energiewirtschaft
Foto: HTW Saarbrücken

03.09.2020 – Die gute Nachricht zuerst: Der EEG-Referentenentwurf adressiert einige wichtige Hemmnisse, die dem notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland entgegenstehen, und beseitigt sie zumindest teilweise. Dazu gehören die überfällige Abschaffung der Netzausbaugebiete für Windanlagen ebenso wie die institutionalisierte finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Erträgen der Windstromerzeugung vor Ort. Eindeutige Regelungen hingegen, den völlig aus dem Ruder gelaufenen Artenschutz als Haupthemmnis für die Genehmigung von Windanlagen wieder einzufangen, fehlen und werden durch allgemeine Absichtserklärungen vertuscht.

Wie ein roter Faden durch die Novelle zieht sich die offensichtlich große Angst des Gesetzgebers vor der dezentralen Bürgerenergie. Sie wird verschärft in Quarantäne gehalten, um einer drohenden Ansteckungsgefahr zu begegnen: Der Eigenverbrauch wird weiterhin mit EEG-Umlage belegt und für Ausschreibungsteilnehmer generell untersagt. Solaranlagen müssen künftig bereits ab 500 kW Leistung in das bürokratische Ausschreibungsverfahren und ab 2025 sogar ab 100 kW – bislang waren es 750 kW. Und falls es Solaranlagenbetreiber, deren Anlagen nach 20 Jahren aus der EEG-Vergütung fallen, wagen sollten, ihren Strom nicht ins Netz einzuspeisen und ihn stattdessen selber nutzen wollen, müssen sie sich einen teuren ‚intelligenten‘ Zähler anschaffen, der die Ersparnisse größtenteils wieder auffrisst. In der Summe ist die Novelle eine klare Absage an die Energiewende ‚von unten‘.

Konzeptionell irrlichtert der Entwurf weiterhin im ökonomischen Nirwana mit der Vorstellung, der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse ‚marktgetrieben‘ erfolgen. Das alte Marktmodell der Liberalisierung, wonach Kraftwerke mit unterschiedlich hohen Brennstoffkosten gegeneinander antreten, wird ohne intellektuelle Schamesröte in die heutige Welt übertragen, in der sich immer mehr Anlagen mit Brennstoffkosten Null ergänzen, um die Nachfrage abzudecken.

Diese in den Köpfen offensichtlich einbetonierte Denkfaulheit führt dann künftig dazu, den EEG-Anlagen die Vergütung komplett zu versagen, wenn die Börsenpreise länger als 15 Minuten negativ sind. War bislang die deutlich längere Zeitspanne von sechs Stunden schon der Investitionssicherheit abträglich, so muss diese Neuregelung als verheerend und diametral in die falsche Richtung weisend charakterisiert werden. Die letzten Monate haben corona- und wetterbedingt bereits demonstriert, was passiert, wenn eine niedrige Nachfrage auf ein hohes Angebot von Wind- und Solarstrom trifft: Die Börsenpreise gehen in den Keller und werden immer dann negativ, wenn die inflexiblen Braunkohlekraftwerke Geld mitbringen, um am Netz bleiben zu dürfen. Geld, das ihnen künftig durch üppige Entschädigungszahlungen ausreichend zur Verfügung steht. In einer solchen Situation die Strombörse weiterhin als den Markt anzusehen, der die richtigen Signale für die Transformation des Stromsystems liefert, bremst diese in Wirklichkeit ab.

Schließlich verpasst die Novelle etliche Chancen, einige langjährige Baustellen aufzuräumen. Dazu gehört eine Reform der Besonderen Ausgleichsregelung, die mit größerer Sorgfalt nur die tatsächlich in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedrohten Unternehmen privilegiert und zudem sinnvollerweise steuerfinanziert werden sollte. Und dazu gehört auch die Fixierung eines steigenden Anteils erneuerbarer Energien an den Regelenergiemärkten, um auch dort die bislang dominierenden Kohlekraftwerke rasch aus dem Spiel zu nehmen.

Von einem ‚grundlegend‘ novellierten EEG, wie die Regierung es stolz verkündet, kann zusammenfassend also in keiner Weise die Rede sein. Das zentrale, auf einen einheitlichen Großhandelsmarkt fixierte Stromsystem ist ein Auslaufmodell, das ersetzt werden muss durch ein deutlich dezentralisierteres System. Dafür müssen das Energiewirtschaftsgesetz und das EEG unter ein neues Energieleitgesetz zusammengefasst werden.

Prof. Dr. Uwe Leprich lehrt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken Wirtschaftspolitik und Energiewirtschaft. Von 2008 bis 2016 war er Wissenschaftlicher Leiter des IZES (Institut für ZukunftsEnergieSysteme), von 2016 bis 2018 ließ er sich an das Umweltbundesamt abordnen, wo er die Abteilung Klimaschutz und Energie leitete. Seit August 2019 ist er Mitglied des Aufsichtsrates der Naturstrom AG.




Kommentare

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Markus Worbs 11.09.2020, 21:30:34

Schon das derzeitige Verfahren für die Errichtung einer kleinen PV-Anlage auf dem Carport muss als ein Verhinderungs- oder Abschreckungsprogramm angesehen werden, Bürokratismus ohne Ende: Anmeldung beim Netzbetreiber, Eintragung in das Marktstammdatenregister, Anmeldung beim Finanzamt, monatliche Umsatzsteuervoranmeldung trotz unverschämt miikriger Einspeisevergütung ...

Ernst Günther Hagen 16.09.2020, 12:10:45

Das ist doch jetzt die Chance für den Einstieg in das Wasserstoffzeitalter. Die Photovoltaikanlagen weiter fördern und dann mit dem überschüssigen Strom Wasserstoff erzeugen. Dieser kann dann wieder für die Stromerzeugung und viele andere Energieverbraucher genutzt werden. Die Umstellung auf ein autarkes Stromnetz/Energienetz wird zwar Geld kosten aber wenn wir unser Klima weiter zerstören dann brauchen wir viel mehr Geld um zu überleben.

Bin Besitzer einer Photovoltaik, der Geld für den Umweltschutz und Klimawandel ausgegeben hat und sieht wie unsere Politik vieles verschläft.


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