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Die Meinung
24. Februar 2023

Strompreiskommunismus und Gratismentalität

Windkraft ist konkurrenzlos günstig, wird aber durch Nord-Süd-Transport für eine Industriegesellschaft unbezahlbar. Noch subventionieren die kleinen Leute Söders/Kretschmanns Windblockade über Planwirtschaft. Kosten und Beschränkungen des Stromtransports müssen endlich durch Verursacher bezahlt werden.

Dr. Wolfgang Oels, COO von Ecosia und Buchautor

Dr. Wolfgang Oels, COO von Ecosia und Buchautor
Dr. Wolfgang Oels, COO von Ecosia und Buchautor
Foto: Privat

Bundesfinanzminister Lindner prägte im vergangenen Jahr den Begriff „Gratismentalität“ im Zusammenhang mit dem 9-Euro-Ticket. Das war mehr als unpassend und zwar aus vielerlei Gründen. Zum einen verzichten die Nutzer:innen gemeinschaftlicher Verkehrsmittel ja eben anders als Autofahrer:innen darauf, gratis unsere Gemeingüter zu zerstören.

Außerdem liegen die Grenzkosten eines zusätzlichen Passagiers dort nahe null. Ein Bahnbetrieb im Besitz der Bürger:innen und Bürger sollte daher natürlich versuchen, mit „Flatrates“ seine Kosten zu decken und darüber hinaus so viel Wohlstand wie möglich zu schaffen. Nur ein Bahnbetrieb in den Händen von Blackrock würde versuchen, privatnützigen Gewinn zu maximieren.

Sehr viel passender beschreibt der Begriff „Gratismentalität“ stattdessen die Anspruchshaltung der Ministerpräsidenten Söder und leider auch Kretschmann in Hinblick auf die Versorgung ihrer Bundesländer mit Strom. Beide blockieren seit Jahren den dortigen Ausbau der Windenergie um sich die politische Auseinandersetzung mit Kritiker:innen zu ersparen. Die Kosten dafür sind sie aber nicht bereit zu tragen, sondern wälzen sie seit eh und je erfolgreich auf den Rest der Republik ab:

  1. Die Investitionskosten verdreifachen sich:
    Für jedes Windrad, das in Norddeutschland gebaut wird, um Strom in den Süden zu liefern, muss dann ja auch noch die entsprechende Leitungskapazität gebaut werden. Die allein kostet aber in der geplanten Umsetzung über Erdkabel zweimal soviel wie das Windrad selbst. Die Kosten dieser gigantischen Aufblähung des ohnehin schon hohen Investitionsbedarfs tragen aber nicht etwa verursachungsgerecht Bayern oder Baden-Württemberg. Stattdessen wird erwartet, dass diese Kosten von den privaten Haushalten in der gesamten Republik getragen werden sollen. #gratismentalität
     
  2. Die sonstigen Transportkosten vervielfachen sich:
    Wird Strom, der in Bayern verbraucht werden soll, nicht auch in Bayern erzeugt, sondern in Mecklenburg-Vorpommern, dann fallen zusätzlich zu den Abschreibungen für die zusätzlichen Leitungen auch noch Kosten für die substantiellen Wärmeverluste beim Stromtransport an. Auch hier erwarten Söder und Kretschmann, dass diese nicht etwa verursachungsgerecht z.B. über „Nodal Pricing“ verrechnet werden, sondern wie gehabt vergemeinschaftet bleiben. #gratismentalität
     
  3. Die Energiewende verzögert sich um Jahrzehnte:
    Der Bau dieser gigantischen und überflüssigen Infrastrukturen kostet nicht nur enorm viel Geld. Wie bei anderen öffentlichen Großbauprojekten verschlingt er Jahrzehnte. Zeit, die wir nicht haben. Und Zeit, in der die externen Kosten der aktuellen Versorgung durch Kohle, Atom und Fossilgas weiterhin von der Allgemeinheit getragen werden sollen. #gratismentalität
     
  4. Norddeutschland subventioniert den Strom in Süddeutschland:
    Die Strompreise sollen planwirtschaftlich über die Bundesrepublik gleichgemacht bleiben. Mit immer mehr Windkapazität in Norddeutschland, Engpässen in den Transportleitungen nach Süden und drastisch gestiegenen Preisen für fossile Brennstoffe müssten die Strompreise in Norddeutschland doch eigentlich viel geringer sein als im Süden. Warum sind sie das aber nicht?
    Das liegt an einem Gesetz, das weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit am 23. Dezember 2017 in Kraft trat: ein Verbot unterschiedlicher Großhandelspreise für Strom in Deutschland. Ein Akt kommunistischer Gleichmacherei, ein Ausschalten der Marktwirtschaft und des freien Spiels der Preise, das Käufer:innen und Investor:innen die Signale liefern soll, die sie brauchen.
    Ist der Strom in Norddeutschland zu bestimmten Zeiten billiger, dann wird er in Süddeutschland subventioniert („Redispatch“). Die Kosten dafür werden vergemeinschaftet und sind zusammen mit den Kosten für den absurd langen Stromtransport mittlerweile so hoch, dass sie teilweise aus dem Bundeshaushalt quersubventioniert werden. Wären wir eine Marktwirtschaft, dann würde die stromintensive Industrie nach Norden abwandern. Ein besseres Investitionsprogramm für das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern und eine bessere Rechnung für politisches Versagen in Süddeutschland kann man sich nicht vorstellen. #gratismentalität

Die wirkliche „Gratismentalität“ herrscht also bei Söder und Kretschmann und den Abgeordneten, die sie noch unterstützen. Es gilt, diese schnell zu beenden durch Nodal-Pricing und die Wiederherstellung freier Preissetzung im Stromgroßhandel. Und tatsächlich entflammt über dieses Thema in den letzten Monaten immer wieder die Diskussion.

Aber leider werden markwirtschaftliche Prinzipien ja nur als Vorwand genommen, um Fossil-, Finanz- oder Automobillobby zu bedienen. Dort, wo marktwirtschaftliche Prinzipien den Interessen dieser Lobbys schaden, werden sie klaglos ausgesetzt. Zum Beispiel bei den zahlreichen Bailouts der Aktionäre der vergangenen Jahre, seien es die Banken während der Finanzkrise, seien es Lufthansa oder Uniper, seien es RWE und E.ON durch die Übernahme von netto mehr als 150 Milliarden Euro an Ewigkeitskosten der Atomkraft. Oder sei es die oben beschriebene Vergesellschaftung der Stromtransportkosten und die Subventionierung des Strompreises in Süddeutschland.

Seit Jahrzehnten sitzen diese Lobbys unsichtbar mit auf der Regierungsbank. Und die Politiker:innen und Parteien profitieren mit: Schröder, Clement, Müller, Tillich, Kraft – alle wurden nach ihren Amtszeiten mit lukrativen „Pöstchen“ versorgt. Als Korruption wird das nicht verfolgt, ist hier doch der Bock der Gärtner. Wie auch in Hamburg, wo der Generalstaatsanwalt keinen Verdacht gegen Bundeskanzler Scholz beim Warburg Skandal hat. Leider untersteht dieser Generalstaatsanwalt dem Justizministerium einer SPD geführten Hamburger Regierung. Mit einem Oberbürgermeister Tschentscher, der mindestens ebenso in den Skandal verwickelt ist.

Unser politisches System muss also dringend mit mehr Demokratie, mehr Gewaltenteilung und mehr Rechtsstaat weiterentwickelt werden, wenn wir die Klimawende schnell schaffen wollen. Wie diese Weiterentwicklung aussehen muss, das sollte wir mehr diskutieren und dann zu einer zentralen Forderung machen. Sonst geschieht der Wandel durch Zusammenbruch, nicht planerischer Gestaltung.

Einen Anstoß zu einer gerechten Transformation liefert Wolfgang Oels in seinem im Oekom Verlag erschienenen Buch  Democracy for Future – das demokratische Update zur Klimawende




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