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Die Meinung
23. Januar 2023

Zukunftsmodell Energiegemeinschaften

Das Prinzip ist so einfach, wie schlau: Anstatt dass jeder Haushalt oder Betrieb nach einer individuellen Lösung für die Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen sucht, schließen Verbraucher sich zu Energiegemeinschaften zusammen und produzieren klimafreundlichen Strom. In Italien ist das schon Praxis – Deutschland muss nachziehen.

Aurélie Alemany, CEO, SENEC GmbH

Aurélie Alemany, CEO, SENEC GmbH
Aurélie Alemany, CEO, SENEC GmbH
Foto: © SENEC

Was besonders in der aktuellen Energiekrise so logisch und durchweg erstrebenswert klingt, ist in Italien bereits gelebte Praxis. Das sonnenverwöhnte Nachbarland hat das 2019 von der Europäischen Union aktualisierte energiepolitische Regelwerk rasch umgesetzt, in dem die Rahmenbedingungen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften und Bürger-Energiegemeinschaften formuliert sind. Mit diesen Regelungen erlaubt Italien Energiegemeinschaften das weiträumige Erzeugen und Teilen von Energie.

Bei der Realisierung solcher Energiegemeinschaften ist uns Italien einen entscheidenden Schritt voraus: Denn die Voraussetzung dafür ist die flächendeckende Verfügbarkeit intelligenter Stromzähler, die in Italien gegeben ist. Ein weiterer Unterschied zu den Voraussetzungen in Deutschland: Der Gesetzgeber erlaubt für den Austausch des Stroms innerhalb der Community auch die Nutzung des öffentlichen Netzes. Die gesetzlichen Regelungen sind also so weit gefasst, dass sich viele Menschen ohne bürokratische Hürde zusammenschließen können und auf diese Weise praktisch jeder Haushalt und jeder Betrieb von niedrigen Strompreisen profitieren kann.

Erzeugen, verbrauchen, verteilen und speichern

Zu einer Energiegemeinschaft können sich natürliche Personen wie die Eigentümer von Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus, Eigenheimbesitzer:innen, kleine und mittlere Unternehmen, Gebietskörperschaften und auch öffentliche Verwaltungen zusammenschließen. Voraussetzung dazu ist, dass alle Mitglieder der Energiegemeinschaft am selben Umspannwerk angeschlossen sind. Das bedeutet, dass sich hier auch Eigentümer mehrerer entfernt voneinander liegender Gebäude zusammenschließen können – das Konzept geht also weit über die Quartierskonzepte hinaus, die bei uns so langsam Relevanz erlangen.

Rein statistisch können sich dabei bis zu einer halben Million Menschen zusammentun. Die Mitgliedschaft in der Energie-Community ist freiwillig. Um regenerativen Strom zu erzeugen, muss die Energiegemeinschaft eine eigene Erzeugungsanlage errichten und betreiben. In der Regel sind dies Photovoltaikanlagen auf dem Dach eines Wohn- und/oder Geschäftshauses oder PV-Freiflächenanlagen. Die Leistungsgrenze je Anlage ist hier auf ein Megawatt (MW) begrenzt. Neben der Stromerzeugung und dem -verbrauch sowie der Verteilung und der Speicherung von elektrischer Energie mithilfe von Energiespeichern darf die Energiegemeinschaft auch Energiedienstleistungen erbringen. Dazu zählt beispielsweise der Betrieb von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge.

Italienischer Staat unterstützt durch Förderungsmodelle

Rein praktisch beziehen die Mitglieder der Energiegemeinschaft ihren Strom entweder aus Eigenproduktion oder weiterhin aus dem Netz und erhalten dafür die Stromrechnung von ihrem gewählten Lieferanten. Der in der Gemeinschaft produzierte Strom wird zeitgleich wieder verbraucht – und trägt somit wesentlich zur Stabilisierung der Netze bei. Der gemeinsam produzierte Strom wird wiederum in das Netz eingespeist und entweder vom zentralen Grünstromvermarkter GSE oder aber selbst direkt vermarktet.

Zusätzlich erhält die Energiegemeinschaft einen Förderbetrag in Höhe von 119 Euro pro Megawattstunde für jede direkt innerhalb der Gemeinschaft verbrauchten Kilowattstunde und leistet so einen wertvollen Beitrag zum Ausgleich von Stromproduktion und Verbrauch im Netz. Je höher der Anteil des selbst produzierten Stroms am Eigenkonsum ist, desto größer sind die wirtschaftlichen Vorteile für die Energiegemeinschaft.

Deutschland wagt den Neustart

Neben Italien sind vor allem Holland und Spanien dabei, mit Energiegemeinschaften wichtige Schritte in Richtung lokaler Energieautarkie zu gehen. Aber auch in Deutschland rücken mit dem „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ entscheidende Verbesserungen der Rahmenbedingungen in greifbare Nähe: Der Smart Meter Rollout wird beschleunigt und soll bis 2030 für einen Großteil der Endkunden abgeschlossen sein, die Kosten werden gerechter verteilt und die Einführung dynamischer Tarife, die preislich variabel sind und flexibel auf das Angebot reagieren, wird forciert.

Mit solchen dynamischen Tarifen für den Netzbezug einerseits und Direktvermarktung auf der Beschaffungsseite anderseits sehen wir deutliche Chancen, Kosten zu reduzieren und höhere Erlöse zu realisieren. Mit der gerade entstehenden neuen Regulierung, die auch steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Stromspeicher und Wallboxen betrifft, ist der Schritt zu echten Energiegemeinschaften, wie ihn Italien bereits geht, dann nicht mehr weit.




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