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Tank oder TellerBiokraftstoffe auf dem Prüfstand

Miscanthus
Agrarwirtschaft für den Teller, nicht den Tank! (Bild: Yves Bernardi / pixabay)

Das Umweltministerium will den Anbau von Pflanzen für Agrokraftstoffe beenden. Diese sparten nur auf dem Papier Emissionen und verschwendeten Flächen. Für das Verkehrsministerium, das noch kaum angemessenen Klimaschutz betreibt, wird es eng.

27.01.2023 – Das Umweltministerium will Biokraftstoffe aus Abfällen fördern und den gesonderten Anbau von Pflanzen für Agrokraftstoffe beenden. Die nur begrenzt verfügbaren E-Fuels sollen für den Luft- und Schiffsverkehr zum Einsatz kommen, jedoch nicht auf der Straße. Im Verkehrsministerium sieht man das anders.

Verbrenner alternativ betanken

Als alternativ werden Kraftstoffe bezeichnet, die nicht aus Erdöl hergestellt werden. Die meisten Bezeichnungen für diese Kraftstoffe sind keine geschützten Begriffe, grob werden allerdings biogene und synthetische Kraftstoffe unterschieden. Laut Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz (BMUV) werden Biokraftstoffe aus Pflanzen, Pflanzenresten und biogenen Abfällen oder Gülle hergestellt.

Die Ausgangsmasse synthetischer Kraftstoffe sei hingegen variabler, benötige aber in der chemischen Herstellung deutlich mehr Energie. E-Fuels sind ein Beispiel solcher Kraftstoffe. Sie werden typischerweise unter Einsatz von Strom aus Wasser und CO2 hergestellt. Die meisten umweltfreundlichen synthetischen Kraftstoffe werden noch erprobt. In großen Mengen sind sie noch nicht verfügbar.

Alternative Kraftstoffe werden meist mit dem Ziel entwickelt, CO2-Emissionen einzusparen. Sie sind allerdings nicht per se klimafreundlicher als herkömmliche. Entscheidend sind die Emissionen, die bei der Herstellung des Kraftstoffs anfallen – unter anderem auch für den genutzten Strom – sowie die Emissionen, die bei der Verbrennung entstehen.

Ist das grün oder tut das nur so?

Der Anbau von Pflanzen für die Produktion von Biosprit steht besonders in der Kritik. Denn es werden wertvolle Agrarflächen verbraucht, auf denen auch Nahrungsmittelangebaut werden könnten. Um nur rund vier Prozent des fossilen Kraftstoffs im deutschen Straßenverkehr zu ersetzen, werde im In- und Ausland eine Fläche verbraucht, die 20 Prozent der deutschen Ackerfläche entspricht, kritisierte Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf dem Agrarkongress des BMVU Mitte Januar. „In Zeiten multipler Krisen – Artenaussterben, Klimakrise, Ernährungskrise – gilt in ganz besonderem Maße: Pflanzen gehören auf den Teller, nicht in den Tank, wenn wir sie konsumieren. Deshalb sind Agrokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen keine zukunftsfähige Option“, so Lemke.

Ein problematisches Beispiel hierfür ist Palmöl. Zwar dürfen für die Biospritproduktion eigentlich keine zusätzlichen Flächen gerodet werden. Doch der Anbau von Palmen verdrängt mitunter den von Nahrungsmitteln vor Ort, die dann wiederum auf andere Flächen ausweichen. Dies wird indirekte Landnutzungsänderung genannt und passiere selbst bei Biokraftstoffen mit hohem Palmölanteil, die als nachhaltig gekennzeichnet seien, so das BMUV. In Deutschland ist deshalb Palmöl als Kraftstoffzusatz im Diesel seit Anfang des Jahres nicht mehr als Biosprit anerkannt.

Klimaschutz auf dem Papier

Die Nutzung biogener Abfälle ist meist klima- und umweltfreundlich. Die ‚echten‘ Biokraftstoffe aus Abfall und Resten könnten Treibhausgase im Verkehr noch am ehesten mindern. Das BMVU will sie deshalb stärken und hat angekündigt, noch in diesem Jahr einen entsprechenden Gesetzesentwurf in Kabinett einzubringen.

Das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium hält wenig von dem Vorstoß. Ohne Agrokraftstoffe seien die Emissionsminderungsziele kaum zu erreichen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing steht bereits seit Monaten unter Druck, einen angemessenen Klimaschutzplan vorzulegen. Der Verkehrssektor verfehlt derzeit die Klimaschutzziele deutlich. Gleichzeitig lehnen FDP und Wissing andere Sofortmaßnahmen zur Emissionsminderung wie ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen weiter ab. Und das, obwohl dem Umweltbundesamt zufolge mit einem Tempolimit von 120 km pro Stunde sogar deutlich mehr Emissionen eingespart werden könnten als gedacht – nämlich rund 6,7 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr. Frühere Studie waren lediglich auf etwa 2,6 Millionen Tonnen gekommen.

„Es kann nicht sein, dass Verkehrsminister Wissing den Ausstieg aus dem Biosprit blockiert, um die Versäumnisse der Verkehrspolitik beim Klimaschutz zu kaschieren. Biosprit schützt das Klima nur auf dem Papier und Essen gehört auf den Teller, nicht in den Tank!“, fordert Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht. Die Umweltorganisation fordert bereits seit Jahren ein Aus für Agrokraftstoffe. Derzeit werden in der EU jeden Tag an die 10.000 Tonnen Weizen zu Biosprit verarbeitet, so Lambrecht. Das wäre genug, um daraus 15 Millionen Brote zu backen. jb


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