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Neue Mobilität in AfrikaEnergiewende-Pionier auf Ghanas Straßen

Mann lädt sein türkisfarbenes Elektroauto unter einem Solardach
Taxifahrer Frederick Monsah lädt sein E-Taxi an der Solarstrom-Station in Kumasi, der Hauptstadt der Ashanti Region in Zentral-Ghana (Foto: Jörg Böthling)

Jede Menge alter Autos aus Europa fahren ohne Katalysator auf meist verstopften Straßen –alltäglicher Verkehr in Ghanas Städten. Taxifahrer und Entrepreneur Frederick Monsah bringt seine Fahrkunden dagegen elektrisch ans Ziel – und hat eine Mission.

22.02.2024 – Taxis werden in Accra, der Hauptstadt von Ghana, fast nur noch online gebucht. Über den russischen Anbieter Yango, Uber oder der estnischen Bolt. Wir bestellen über den letzteren Anbieter und stehen verabredet in der Straße Rangoon-Lane, nur zwei Kilometer vom Atlantik entfernt gegenüber dem gläsernen Büro-Turm vom Consulting-Unternehmen Ernest Young. In zwei Minuten soll das von uns online angeheuerte Taxi mit dem Kennzeichen „GE 4024-23“ vorfahren, das uns zu unserem Termin im Westen der Vier-Millionen-Metropole am Golf von Guinea bringen soll.

Und dann kommt das bestellte Fahrzeug vorgefahren. Leise, türkisfarben, blitzeblank. Fahrer Frederick Monsah sitzt am Steuer. Er begrüßt uns freundlich, wir steigen ein und er fährt los. Der Motor brummt aber nicht auf, nein, es ist tatsächlich ein Elektroauto, das leise vor sich her summt! Der Taxifahrer freut sich über unsere Verwunderung. „Ja, das ist ein elektrisches Modell des chinesischen Herstellers Dongfeng. Ich habe das Gefährt erst seit Kurzem, aber ich bin sehr zufrieden mit seiner Performance.“

100 E-Automobile in ganz Ghana – Chinesische Hersteller liegen voll im Trend

Seelenruhig fährt uns der 35-Jährige durch die verstopften und oft arg ramponierten Straßen der ghanaischen Hauptstadt. Wir sind baff, mit einem E-Taxi durch dieses urbane Gebilde, damit haben wir nicht gerechnet. Und tatsächlich, die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet Frederick uns abholen würde, war sehr gering, gibt es doch in ganz Ghana zum Beginn des Jahres 2024 „nur“ rund 100 E-Automobile und davon wiederum nur eine Handvoll, die auch im Taxigewerbe im Einsatz sind.

Beeindruckt von Frederick und seinem nicht minder beeindruckenden, ja, smarten, Dongfeng – was übersetzt so viel heißt wie „Ostwind“, hatten wir uns seine Kontaktdaten aufgeschrieben. Ein paar Tage später rief ich ihn wieder an und fragte ihn, ob wir mehr über sein Taxiservice und überhaupt über das Thema E-Mobilität in Accra im Speziellen und in Ghana im Allgemeinen erfahren dürften?

Wie ist es mit dem Bezug von grünem Strom in Accra? Wie steht es mit dem Laden? Gibt es so etwas wie eine Ladeinfrastruktur? Und: Wo lädt er seinen Wagen und was bezahlt er dafür? Kurzum: Wie funktioniert das Ganze in einem absolut fossilen Umfeld?

Frederick antwortet prompt: „Ja, gar kein Problem, gerne gebe ich euch da einen Einblick!“ Da er sich aber gerade in seinem Heimatort Nkowkow bei seiner Familie aufhalte und damit rund 150 Kilometer nördlich von Accra befinde, brauche er mindestens drei Stunden, um am Nachmittag in Accra sein zu können. Okay, kein Problem, dann warten wir.

Was Sinnvolles machen – Mission Energiewende

Wie abgemacht kommt Frederick am Montagnachmittag mit seinem Dongfeng vor unserer Tür vorgefahren. Wir steigen ein und Frederick erzählt in bester Laune, dass er jedes Wochenende nach Hause zu seiner schwangeren Frau Benedikta, einer Lehrerin, und seinem Sohn fährt, die in Nkowkow dauerhaft wohnen. Montags fährt er dann nach Accra zurück, um als Taxifahrer und als Entrepreneur für die zähe Pionierarbeit einer Elektrifizierung des ghanaischen Verkehrs zu arbeiten.

Früher war er bei der Bank Opportunity International in dessen Spar- und Kreditabteilung beschäftigt gewesen, aber das hat ihn auf Dauer nicht motiviert, hat ihn, gibt er offen zu, irgendwie gelangweilt. „Ich wollte etwas anderes machen, selbst entscheiden, wieviel ich arbeite und für was ich mich eigentlich engagiere. Ich wollte was Sinnvolles machen“, betont er.

Wir fahren zu seiner „Mutter“-Ladestation, zu seinem Geschäftspartner Peter Egyin-Mensah und seiner Firma Ijanu im Stadtteil Nord Industrial Area. Auf dem Tacho des Dongfeng stehen 18 Prozent Ladung, es wird also langsam Zeit neu aufzuladen. Wir fahren auf den Parkplatz, darauf ein Schild mit der Aufschrift „Harnessing Africa“, nebenan steht ein ein Tesla. Doch die Schnellladestation bei Peter ist außer Betrieb. Es gäbe technische Probleme, an denen man gerade arbeite, aber noch nicht fertig geworden sei. Frederick geht angenehm gelassen, ja, souverän, damit um: dann eben normal Laden, dauert halt ein bisschen länger.

Im Büro von Peter hängt an der Wand ein in großen Lettern zu lesendes Zitat von Kwame Krumah, dem ersten Präsidenten des unabhängigen Ghana:

„For this end Africa needs a new type of citizen,
a dedicated, modest, honest and informed man.
A man submerges self in services to the nation and mankind.
A man who abhors greed and dests vanity
A new type of man whose humility is his strength
and whose integrity is his greatness“

Gänsehaut beim Lesen. „Ich sah ein Problem. Die Welt wird elektrifiziert, aber was passiert hier bei uns, vor Ort, in Ghana?“, erzählt Peter von eklatanten Defiziten und seiner kühnen Idee, selbst in die Elektromobilität einzusteigen.

E-Mobilitäts-Pioniere in Ghana

Aus der Idee wurde Tat und vor vier Jahren, kurz vor Corona, die Firma Ijanu gegründet, die mittlerweile fünf feste Mitarbeiter und sechs Teilzeitkräfte zählt. Damit gehören Peter und sein Team zu den E-Mobilitäts-Pionieren in Ghana, einem westafrikanischen Land, welches das Pariser Klimaabkommen von 2015 zwar unterschrieben hat, aber bisher dem Strom aus Erneuerbaren Energien immer noch keine nachhaltigen Vergütungen gewährt.

Peter hat mit seiner Unternehmung mittlerweile sieben E-Autos auf die Straße gebracht. Eines davon ist das von Frederick, der sein Auto von Ijanu geleast hat. Nach sechs Jahren Mietkauf-Raten, so die Kalkulation, wird er sein Auto dann zu einem günstigen Preis erwerben können.

Der Mittdreißiger wäre finanziell dabei gar nicht in der Lage, sich den Dongfeng Nano Box Base neu zum Anschaffungspreis von rund 18.000 Euro leisten zu können. Nur über das Leasing-Modell funktioniert es. Zudem ist der Stromantrieb im Vergleich mit Benzin oder Diesel um zwei Drittel günstiger.

„Wir sind inzwischen, nach schwierigen Corona-Zeiten, auf einem guten Weg, wir wollen unsere Flotte noch in diesem Jahr auf 25 Fahrzeuge, vielleicht sogar 50 aufstocken“, blickt Peter derweil optimistisch in die Zukunft. Dabei gibt es weiterhin genug Probleme und Herausforderungen, wie die hohe, größtenteils importierte Inflation, von denen sich Peter & Co. aber nicht kleinkriegen lassen wollen. „Changing Africa`s drive to a more Sustainable Future“ ist ihr Motto.

Wir steigen über eine Außentreppe auf das Flachdach des angemieteten Firmengebäudes. Dort ist eine PV-Anlage des chinesischen Herstellers Jinko installiert. Sie liefert seit April 2023 mit einer Leistung von 30 KWp zuverlässig Strom. Die Kosten für die Installation pro Kilowatt beziffert Peter auf etwas mehr als 400 Euro. Die Strommenge für das erste Jahr der Einspeisung prognostiziert Peter Anfang Januar 2024 mit rund 38.000 Kilowattstunden, verglichen mit PV-Anlagen in hiesigen Breiten liegt der Ertrag damit um rund ein Viertel höher.

Die PV-Anlage ist dabei direkt verschaltet mit der im Gewerbegebäude untergebrachten 60 kWh-Lithium-Ionen-Batterie, die wiederum mit der Ladestation verbunden ist. Wenn der selbstproduzierte Grünstrom fürs Laden nicht ausreicht, dann wird auf Strom aus dem Netz der Electricity Company of Ghana zurückgegriffen. Wenn es einen Überschuss an Sonnenstrom gibt, kann Ijanu zwar ins Netz einspeisen, erhält dafür aber keine Vergütung. Dafür kostet eine Kilowattstunde aus dem Netz, leicht variierend ob nun nachts oder tags bezogen, umgerechnet rund 0,25 Cent pro Kilowattstunde. Gar nicht wenig, verglichen mit den übrigen ökonomischen Kennziffern.

Infos aus München, Produkte aus China

Angesichts der beschämenden Situation, dass der Netzbetreiber nichts für den eingespeisten Sonnenstrom zahlt, ist die Idee eines Mini Grids natürlich für Peter ein alternatives Modell, um finanziell einigermaßen klarzukommen. „Wir entwickeln ein eigenes Ladesystem, managen ein eigenes Batteriesystem mit eigenem Solartstrom“, unterstreicht Peter. Auch über eine kleine Windkraftanlage denkt er mit seinen Kollegen nach. Diese möchte er in ein Mini Grid integrieren; ihm schwebt ein Modell in etwa einer Größe von 20 Kilowatt vor, allerdings ist noch nichts konkret. Für diese Idee sammelt er aktuell noch fleißig Ideen und will sich auf jeden Fall auf der kommenden Messe Intersolar in München – auf dem Rückflug von China – weiter informieren.

Ladestationen sind noch rar – Wettbewerb animiert

„Allerdings haben wir hier in Ghana, besonders außerhalb von Accra, ein echtes Infrastrukturproblem für unsere E-Mobilität, weil wir bisher einfach nicht ausreichend Ladestationen haben“, so Peter, der sich trotz des winzigen Marktes mit Konkurrenten messen muss. Aber er sieht es sportlich: Wettbewerb animiert.

Tatsächlich gibt es in ganz Accra nur zehn Ladestation vom Level II und nur eine einzige für das Schnelladen mit Level 3. Die drei, vier Teslas, die in der Hauptstadt angemeldet sind, stehen denn auch regelmäßig vor der Tür von Ijanu – vorausgesetzt die Schnellladesäule funktioniert. Manchmal gibt es auch kleine Staus vor seinen Ladesäulen. „Man glaubt es kaum, aber es gibt einen großen Appetit für Transition in Ghana“, analysiert Peter und erwartet eine rasante Entwicklung im E-Auto-Markt. Ob dies mit einer Liberalisierung des bislang ziemlich monopolisierten Energiemarktes in Ghana einhergeht, das bezweifelt er allerdings; „weil solche Vorstöße in der Vergangenheit fast immer zum Nachteil der einfachen Verbraucher gingen“, so Peter ernüchtert.

Nächtliche Ladepause unterm Balkon

Wir sind wieder on the Road mit Frederick. In Richtung Norden, etwas außerhalb von Accra ist eine grauenhafte Baustelle, wo chinesische (wer sonst?) Baufirmen einen neuen Abschnitt der Autobahn zur zweitgrößten Stadt Ghanas, nach Kumasi, bauen. Stau, Staub und eine merkwürdige Straßen-Umlenkung machen die Tour ein bisschen zur Tortur. Tiefe Schlaglöcher umfährt Frederick geschickt und souverän, um seinen kleinen, NON-SUV Dongfeng zu schonen. Manchmal steht der Verkehr gänzlich, dann zwängen sich fliegende Händlerinnen mit Mangos, Süßigkeiten, Wasser oder Kokosnüssen zwischen die Autos.

In Nkowkow angekommen machen wir am Abend bei seiner Familie eine nächtliche Ladepause. Während er seinen Dongfeng vor dem Haus parkt, lässt seine Frau Benedicta das Ladekabel vom Balkon aus dem ersten Stock herunter und Frederick stöpselt das Ladekabel an den Stecker im Auto. Angelehnt am Heck trinken wir eine frische Kokosnuss, die sein Nachbar geschickt mit einer Machete öffnet.

Ladestation wartet auf Besucher

Am nächsten Morgen, frisch aufgetankt, der Tacho zeigt 100 Prozent an, fährt uns Frederick nach Kumasi, in dessen unmittelbarer Nähe der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan geboren wurde und wo wir eine neue Biogasanlage – mitfinanziert vom deutschen Bundesbildungsministerium – besuchen wollen.

In Kumasi, eine Zwei-Millionen-Stadt, macht Frederick noch einen kleinen Abstecher zum Unternehmen Solartaxi, das seit kurzem am Stadtrand eine Ladestation betreibt. Frederick berichtet den Akteuren von Solartaxi über die neuesten Entwicklungen und schnell und unkompliziert werden unter den E-Mobilitäts-Pionieren neue Ideen ausgetauscht.

Dann geht es weiter zum Firmengelände der Biogasanlage von Gyankoba etwas außerhalb von Kumasi, von der Frederick erst von uns zum ersten Mal gehört hat. Als er die überdachte Ladestation (Level II) vor einem Lithium-Ionen-Batteriespeicher vor Laborräumen der Biogasanlage entdeckt, ist unser E-Taxi-Pionier völlig aus dem Häuschen. „Unglaublich, dass ich von dieser Schnellladestation nichts weiß, das ist ja fantastisch.“ Er fragt den Mitarbeiter Isaac Mensah frank und frei, ob er sofort aufladen darf. „Gar kein Problem, mach, wir haben Strom genug“, entgegnet ihm Isaac und verweist auf die große Photovoltaikanlage auf dem Dach.

Eigentlich sollte auch die Biogasanlage, die sowohl Fäkalien, Kuhdung und Bioabfälle vergärt und über einen 100-kW-Gasmotor verfügt, zusätzlich Strom in die Batterien einspeisen. Doch sei das BHKW derzeit nicht in Betrieb, weil der Netzanschluss immer noch auf sich warten lasse. „Wieso soll ich den Motor laufen lassen, wenn wir nicht einspeisen können und wir genug Strom in der Batterie haben, einfach weil wir außer einem firmeneigenen E-Auto keinen Verbraucher haben und daher den Biogasstrom für eine Batterieaufladung noch nicht brauchen“, so Isaac Mensah, „insofern ist der Dongfeng von Frederick hier herzlich willkommen“.

Das lässt sich ein Frederick nicht zweimal sagen. „Diese Station werde ich in Zukunft sicherlich öfter mal nutzen, immer dann, wenn ich eine Taxi-Tour von Accra nach Kumasi habe. Das sind fast 300 Kilometer und dann ist meine Reichweite von maximal 320 Kilometer bei der 26,8 Kilowattstunden starken Batterie aufgebraucht“, jubelt er auf der Rücktour nach Accra. Dierk Jensen


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