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Kraftstoff für die Landwirtschaft„Schwerter zu Pflugscharen“ – Biogas für Traktoren

Methan-Traktor Modell von New Holland.
Methan-Traktor Modell von New Holland. (Foto: Jörg Böthling)

Die Biogasbranche hat – unabhängig des aktuellen Krieges sowie der angespannten Energiesituation – darauf gewartet. Nun scheint der Durchbruch gelungen zu sein. Hersteller New Holland ist mit einem Methan-betriebenen Modell in Serie gegangen.

16.04.2022 – Früh herbstliches Licht fällt auf den Hof von Horst Seide. Direkt hinter dem Deich der Elbe, im Wendland. Vereinzelte gelbe Kreuze in der Umgebung erinnern daran, dass hier in dieser ostniedersächsischen Region das atomare Endlager Gorleben mal geplant war und am Widerstand gescheitert ist. Die Luft ist angenehm trocken, es ist für Ende September noch erstaunlich warm. An diesem Tag soll Mais als Gärsubstrat für die Biogasanlage gehäckselt werden.

Beeindruckende Landtechnik, geballte PS-Power, steht auf dem Hof bereit. Die Laune im Ernteteam, allesamt Männer, ist bestens, obschon sie darauf warten, dass die kaputte Antriebsscheibe vom herbeigeholten Landmaschinenschlosser alsbald repariert sein wird. So lange ruht das „Who is Who“ der Landmaschinen-Welt: Ein John Deere 7730, ein Claas-Häcksler, ein Vario Favorit Fendt 924 und ebenso ein Fendt 720 warten auf ihren Einsatz - ebenso wie der New Holland T6.180 Methane Power. Letzteres ist ein Traktor mit einem 6-Zylinder-Motor und einer Leistung von 180 PS.

Der Zusatz Methane ist nur aus kurzer Distanz zu lesen, ist doch das Wort in bescheiden-kleiner Schrift an der Motorhaube platziert. So unterscheidet sich der mit Methan betriebene Traktor von seinem Diesel-Bruder mit identischer PS-Zahl auf den ersten Blick nur wenig: Dabei wird der eine klassisch-fossil betankt, der andere mit dem klimafreundlichen Kraftstoff Biomethan. Und wie sich die beiden Modelle so im illustren Ensemble der versammelten Landmaschinen einfügen, so ist eines zu konstatieren: Dieser Antriebsart mutet nichts Exzeptionelles, Futuristisches oder gar offenbar Unterscheidbares an, nein, der Methan-Traktor ist mittendrin, gehört dazu.

Wer sich ins Cockpit des Methan-Traktors hineinsetzt, spürt kaum Unterschiede zum Diesel-Kollegen. Es ist vielmehr der übliche Standard, der dem Nutzer der Leistungsklasse mittelgroßer Schlepper von 120 bis 200 PS, die im Übrigen in Deutschland rund ein Viertel aller Traktoren ausmacht, begegnet; kurzum: Es fühlt sich auf dem Fahrersitz an wie bei einem normalbetankten Traktor auch. Lediglich der kleine schwarze Container, der vorne montiert ist und in der Fachsprache als „Range-Extender-Tank“ bezeichnet wird, macht einen sichtbaren Unterschied: Darin sind drei 90 Liter CNG fassende Gasflaschen liegend angeordnet. Wieso eigentlich 90-Liter-Flaschen? Klaus Senghaas, seit vielen Jahren Kommunikations-Chef von New Holland in Deutschland beantwortet kurz und knapp: „Die sind standardisiert, sind für den Straßenverkehr zugelassen und setzten wir im Mutterunternehmen auch im LKW-Bereich seit vielen Jahren ein.“

Neben den drei Gasflaschen vorne, die der Kunde je nach Bedarf optional mitbestellen kann, sind standardmäßig weitere sieben Flaschen im Frontbereich relativ unauffällig im Traktor integriert. So sind maximal 455 Liter bzw. 79 Kilogramm CNG an Bord. „Die darin getankte Menge reicht für den Einsatz auf der Straße von bis zu acht Stunden, auf dem Acker, bei hoher Beanspruchung, rund fünf bis sechs Stunden“, erläutert Senghaas zur wichtigsten Frage, der Reichweite.

Ansonsten ist die Power des Methantraktors sofort da. Das merkt man besonders auf dem Acker, im vollen Einsatz. So auch beim Grubbern auf dem Acker von Horst Seide. Ein Grubber wird durch den relativ schweren, tonhaltigen Marschboden gezogen. Die Zugkraft kommt sofort an, der Traktor zieht stabil durch. „Das liegt am guten Ansprechverhalten des Gasmotors, was wir durch eine Mehrfacheinspritzung erreichen“, unterstreicht Klaus Senghaas. Bei einer Motordrehzahl von 900 pro Minute sei nach seinen Worten das Ansprechverhalten „doppelt so gut“ wie bei einem vergleichbaren Diesel. Dabei muss man wissen, dass New Holland schon vor einigen Jahren ein Vorgängermodell an den Start gebracht hatte, der an vielen Stellen noch überarbeitet werden musste: Am CNG-Motor wurde nachjustiert, was zur Folge hatte, dass auch die Peripherie, ob nun Getriebe, Kühlung, Lichtmaschine und weitre Komponenten noch mal neu konfiguriert wurden. Zudem ist ein 3-Wege-Kat, angeblich wartungsfrei, eingebaut.

„Wenn ein CNG-Traktor, dann richtig“, hebt Senghaas im Namen von New Holland, einer Tochter vom Konzern Fiat, auf die Extrarunde-Entwicklungsarbeit vor allem in Turin, aber auch in Großbritannien und der Schweiz ab. Das bisherige Feedback sei seit dem weltweiten Start der Serienproduktion am 1. November 2021 großartig. „Wir sind jetzt zum richtigen Zeitpunkt da“, versichert der Kommunikations-Chef, „es geht jetzt spürbar in Richtung CNG-Gas, weil wir im Traktorenbereich mit dem Einsatz von Biogas einfach am besten CO2 einsparen können“. Bei einer jährlichen Auslastung von 1.000 Stunden pro Jahr und einer Laufzeit von sieben Jahren ergibt sich nach seinen Berechnungen eine Kohlendioxid-Ersparnis von 535 Tonnen. Daher sieht er überhaupt nicht ein jähes Aus des Verbrennungsmotors kommen, „denn es geht absehbar gar nicht ohne ihn.“ Dierk Jensen

Traktor sucht (noch) Tankstelle

Landwirte die sich für einen mit Methan betriebenen Traktor entscheiden sollten, müssen in der Nähe auf eine Gas-Tankstelle zugreifen können. Doch genau daran hapert es noch: In vielen Regionen Deutschlands fehlt es noch an geeigneten Gastankstellen. Die Tendenz war in den vergangenen Jahren sogar negativ, darauf weist Thomas Wöber vom Internet-Portal gibgas.de hin. „Doch gerade im Nutzfahrzeugmarkt sehe ich große Chancen“, so Berater Wöber.

Tatsächlich wittern derzeit viele Biogaserzeuger nach vielen Jahren zäher Mühen eine Aufbruchsstimmung. Zum einen gibt es  im Nutzfahrzeugbereich erfolgversprechende technische Neuentwicklungen wie beispielsweise den Traktor von New Holland. Zum anderen sind die Preise in der jüngsten Zeit derart in die Höhe geschnellt, dass eine Aufbereitung des Biogases zu odoriertem Biomethan durchaus lukrativ ist; danach kann es entweder als Kraftstoff oder direkt ins Gasnetz eingespeist werden. Erhielt der Erzeuger für die Kilowattstunde früher nur sechs Cent, sind es heute über zehn Cent und mehr; und für Biogas auf der Basis von Reststoffen und von Gülle werden mittlerweile schon 25 Cent und mehr pro kWh berappt.

Viele Biogaserzeuger, wovon es in Deutschland mittlerweile rund 9.500 gibt, überlegen sich deshalb, ob sie statt wie bisher Strom und Wärme zu erzeugen, nun in die Erzeugung von Biomethan-Erzeugung (Bio-CNG oder Bio-LNG) einsteigen sollen. Dass dies wirklich ein Trend ist, davon zeugen zumindest die Statistiken: Die Zahl der Biomethan-Produzenten steigt stetig. Aktuell gibt es etwa 240 Biomethan-Einspeiser in Deutschland.

Diese könnten potenziell auch Tankstellen bauen und betreiben – oder zumindest beliefern. Nach Aussage von Branchenexperten sind aktuell rund 40 Biogaserzeuger im Kraftstoffbereich aktiv. Tendenz steigend, wobei der grauenhafte Krieg in der Ukraine sicherlich noch außergewöhnliche Effekte hervorrufen wird. Der Bau einer Biomethan-Tankstelle inklusive einer Methanaufbereitungsanlage kostet rund 200.000 bis 250.000 Euro. Allerdings gibt es aktuell erst wenige Hersteller, die solche Anlagen überhaupt errichten: Prodeval, Envitec, OrangeGas Germany GmbH und einige andere.

Schon in der Vergangenheit versuchte beispielsweise die Firma Mabagas, ein ehemaliges Tochterunternehmen des Hamburger Energiekonzerns Marquard & Bahls AG, im großen Stil Methan-Gastankstellen zu betreiben. Dies scheiterte letztlich aber an der mangelnden Nachfrage. Auch für andere Entrepreneure ist es nicht ohne Risiko, eine Biomethan-Tankstelle zu betreiben, weil es eben noch nicht viele (Nutz)Fahrzeuge gibt, die mit dem nachhaltigen Kraftstoff angetrieben werden können.

Wie auch immer: Je mehr Schlepper und andere Nutzfahrzeuge auf Biomethan-Antrieb umstellen, desto schneller entwickelt sich auch eine Infrastruktur, die das Biomethan auf optimierte Weise in den Tank bringt. Wenn aber noch keine stationäre Tankstelle in der Nähe existieren sollte, wäre unter Umständen eine Satellitenstation, eine Art mobile Tankstelle, der Firma SaSu Energiesysteme GmbH eine Alternative. „Wir bringen das Biomethan zu unseren Kunden“, erklärt Inhaber Peter Suchy, der in die Entwicklung des Tanksystems viel Geld investiert hat und jetzt auf den Markthochlauf hofft. „Wir füllen das Biomethan mit einem Druck von 300 bar in acht Bündel à zwölf Flaschen, die in einem Container untergebracht und dann per LkW zum jeweiligen Verbrauchsort transportiert werden.“ Der für die Befüllung unverzichtbare Kompressor ist in einem zweiten Container untergebracht, der zwar kleiner als auf Tankstellen üblich ist, dafür aber im Dauerbetrieb effizient arbeitet. Die SaSu Energiesysteme GmbH bietet ihre mobilen Tankstellen in der Regel als Dienstleistung an, es besteht aber auch die Möglichkeit, diese zu mieten.

Je mehr Schlepper und andere Nutzfahrzeuge auf Biomethan-Antrieb umstellen, desto schneller entwickelt sich auch eine Infrastruktur, die das Biomethan auf optimierte Weise in den Tank bringt. Dierk Jensen


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