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RePowerEU – Europas Energiewende300 Milliarden Euro, um von Russland unabhängig zu werden

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im EU-Parlament
Ursula von der Leyen hat Europas RePowerEU-Energiewendeplan vorgestellt. (Foto: European Parliament from EU, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Laut Einschätzung der EU-Kommission müsste die Europäische Union bis 2030 rund 300 Milliarden Euro investieren, um sich von Energieimporten aus Russland ganz zu lösen – und entsprechend die europaweite Energiewende schneller voranzubringen.

19.05.2022 –Um die EU-weite Energiewende zu beschleunigen und damit schneller von fossiler Energie aus Russland unabhängig zu werden, hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel einen 300 Milliarden schweren Plan vorgestellt. Das werde „für den europäischen Green Deal den Turbo zünden“, hofft von der Leyen. Ziel der „RePowerEU“-Strategie der Europäischen Kommission sei es dabei, im Laufe des Jahrzehnts keine fossilen Brennstoffe mehr von Russland kaufen zu müssen – und dafür den Anteil Erneuerbarer Energien in der EU bis 2030 von 40 Prozent auf 45 Prozent zu erhöhen.

Genehmigungsverfahren für Erneuerbare Energie-Projekte sollten dafür einfacher gestaltet und verkürzt werden, schlägt die EU-Kommission vor. Geplant sei auch eine Solardachpflicht und der verstärkte Import von klimafreundlichem Wasserstoff. Das Energiesparziel der EU für 2030 solle gleichzeitig von neun auf 13 Prozent erhöht werden.

Auch in die Energie-Infrastruktur muss investiert werden – in Stromnetze, aber auch in Gas- und Ölleitungen – da diese noch benötigt würden. EU-Länder, die besonders von russischem Öl abhängig sind, sollten bis zu zwei Milliarden Euro aus dem Topf erhalten, um zügig unabhängiger zu werden.

Woher kommt das Geld? Größtenteils aus Krediten sowie aus Zuschüssen, so die Planung. Die Vorschläge müssen nun erstmal mit den EU-Ländern und dem Europaparlament verhandelt werden.

Warum nicht ambitionierter? – fragten sich manche Branchenexperten. „Getrieben von Konzernen und energiestrategischen Interessen. Mit echter Energiewende hat das so gut wie gar nichts zu tun“, kommentierte bspw. MetropolSolarRN auf Twitter. „Prüfkriterien für echte Energiewende: 100% EE im Gesamtsystem bis spätestens 2030 und Umkehrung der Energie- und Geldflüsse.“

Die Grünen im Deutschen Bundestag in Berlin dagegen zeigten sich zufrieden. Das RePowerEU-Paket sei ein wichtiger Schritt hin zur Klimaneutralität, kommentierten Ingrid Nestle, Sprecherin für Klimaschutz und Energie, und Lisa Badum, Obfrau im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. „Um die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen, müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten einen fossilen Lock-in als Reaktion auf die derzeitige Krise vermeiden und jetzt die Infrastruktur der Zukunft ausbauen.“ Wind- und Solarenergie sowie grüne Wasserstoffpartnerschaften wären wichtige Etappenziele. „Wir brauchen neue globale Allianzen zur Sicherung der europäischen Energiesouveränität und im Kampf gegen die Klimakrise.“

Auch Jens Geier, Vorsitzender und industriepolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten, zeigte sich optimistisch: „Mit dieser Initiative rückt der Ausbau der Erneuerbaren als einziger Weg raus aus der russischen Abhängigkeit ins Zentrum der europäischen Ambitionen." Die Unterzeichnung einer strategischen Wasserstoff-Partnerschaft mit der Ukraine bis Ende 2022 sei ein wichtiger Impuls für die Zukunft des Landes und Zeichen der europäischen Verbundenheit. „Die vorgeschlagene europäische Energie-Plattform zum koordinierten Einkauf von Flüssiggas muss schnell umgesetzt werden“, so Geier weiter. „Wichtig für einen funktionierenden Wasserstoffkorridor aus Nordafrika wird sein, dass neue Energie-Infrastruktur auch für den Transport von Wasserstoff gebaut, und Transportlücken geschlossen werden.“ Der Plan RePowerEU werde nur dann seine volle Durchschlagskraft erzielen, wenn die EU-Mitgliedstaaten die dringend notwendigen Schritte zum Ausbau der Erneuerbaren Energien umsetzten. Vor allem die CSU-geführte Landesregierung in Bayern müsse dabei endlich ihre Blockadehaltung aufgeben.

Plan greift zu kurz

Kritisch äußerte sich der Direktor Europa des Think Tanks Agora Energiewende Matthias Buck: „Der RePowerEU-Plan setzt einen zu geringen Fokus auf konkrete, kurzfristig wirksame Maßnahmen, die die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in Europa senken. Damit wird die Chance vertan, gleichzeitig Europas Energiesouveränität zu stärken sowie die Erreichung der EU-Klimaziele sicherzustellen.“

Aktuelle Agora-Analysen zeigten, wie der rasche Ausbau der Solar- und Windkraft an Land sowie der Einsatz von Wärmepumpen für Niedertemperaturwärme in der Industrie und in Gebäuden die Nachfrage dauerhaft senken könnten. „Mit dem entsprechenden politischen Willen können solche Projekte oftmals schneller verwirklicht werden als der Bau neuer LNG-Terminals oder die Planung und der Bau neuer Gasinfrastruktu“, so Buck. Es gebe seiner Meinung nach kein übergeordnetes Energiesicherheitsinteresse, das es rechtfertigen würde, Investitionen in fossile Infrastrukturen kurzfristig Vorrang einzuräumen. „Im Gegenteil: Neue fossile Infrastrukturen werden in einer auf Klimaneutralität ausgerichteten EU mit großer Wahrscheinlichkeit bereits im nächsten Jahrzehnt zu Investitionsruinen“, warnt Buck.

Zudem lasse der RePowerEU Plan offen, wie die zusätzlich erforderlichen öffentlichen Mittel bereitgestellt werden sollen, die zum Erreichen des höheren Ambitionsniveaus hinsichtlich Energieeffizienz notwendig sind. „Der Plan sieht hauptsächlich die Umschichtung bereits verfügbarer Mittel vor, etwa durch die Übertragung von Fördermitteln aus dem EU-Agrar- oder Kohäsionshaushalt in die während der Pandemie geschaffene EU Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF).“

Nach Berechnungen von Agora Energiewende sind rund 100 Milliarden Euro an zusätzlichen EU-Mitteln erforderlich, damit alle EU-Länder, einschließlich der Länder mit begrenztem Haushaltsspielraum, in der Lage sind, die im Rahmen von RePowerEU notwendigen zusätzlichen Investitionen in verbrauchsmindernde Maßnahmen zu stemmen.

 „Kurzfristig wird RePowerEU nur dann etwas bewirken, wenn die jetzt vorgeschlagenen zusätzlichen Maßnahmen auch mit den notwendigen zusätzlichen öffentlichen Mitteln unterlegt werden – basierend auf dem Grundsatz europäischer Solidarität.“ Agora Energiewende schlägt eine Kreditaufnahme in Höhe von 100 Milliarden Euro vor, um Investitionen zu fördern, die den Verbrauch fossiler Brennstoffe in Gebäuden und in der Industrie senken und den Ausbau Erneuerbarer Energien deutlich beschleunigen. 80 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und 20 Milliarden Euro in Form von Darlehen sollten über die bereits bestehende EU Aufbau- und Resilienzfazilität zur Verfügung gestellt werden. So können die Mittel im Zeitraum 2022-2027 bereitgestellt und zugleich eine rasche Aufstockung der Investitionen ermöglicht werden.“

Die Kommission schlägt zudem vor, neue Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) zu generieren. Konkret will sie ETS-Zertifikate versteigern, die derzeit außerhalb des EU-Marktes in der sogenannten Marktstabilitätsreserve gehalten und voraussichtlich 2023 dauerhaft gelöscht würden. So will die Kommission 20 Milliarden Euro an neuen Mitteln generieren.

„Mit diesem Vorschlag riskiert die EU eine doppelte Niederlage für die Klimapolitik“ glaubt Buck: „Die von der Kommission geplante Zuteilung zusätzlicher ETS-Zertifikate wird voraussichtlich den CO₂-Preis auf dem Markt dämpfen, was Kohlekraftwerke insbesondere in Osteuropa wieder wirtschaftlicher macht und zu steigenden CO₂-Emissionen führt. In der Folge werden auch die marktbasierten Anreize für Unternehmen geschwächt, in grüne Energie und Energieeffizienz zu investieren. Sollte dieser Vorschlag so verwirklicht werden, dann ist es dringend geboten, bis zum Ende des Jahrzehnts die entsprechende Menge an Emissionszertifikaten wieder aus dem Markt zu nehmen und alle zusätzlichen Einnahmen in die Senkung der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu investieren, um das Erreichen der europäischen Klimaziele abzusichern.“

USA gegen Öl-Embargo

US-Finanzministerin Yellen hatte sich indes anlässlich eines Europa-Besuchs in die EU-Debatte über ein Öl-Embargo gegen Russland eingemischt und warnte nun vor einem kompletten Lieferstopp. Yellen schlug vor, den Ausstieg aus russischem Öl mit einem Preismechanismus zu kombinieren – ein Strafzoll auf russische Öllieferungen als Übergangslösung. Denn wenn russisches Öl vom Weltmarkt ausgeschlossen würde, führte das zu weltweiten Preissteigerungen – woran auch die USA kein Interesse hätten, bei dort ebenfalls steigender Inflation.


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Rudolf Zölde 19.05.2022, 15:34:43

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