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Osterpaket/EEG-NovelleDas überragende öffentliche Interesse im EEG

zwei Schafe, zwei Windkraftanlagen
Ein neuer Paragraf im EEG formuliert das überragende öffentliche Interesse für den Ausbau Erneuerbarer Energie. (Foto: Keepwakin auf Pixabay)

Der Ausbau Erneuerbarer Energien soll mit der Festschreibung des überragenden öffentlichen Interesses im EEG schnelle Fahrt aufnehmen. Das KNE liefert eine erste Einordnung, wie die neue Prämisse in der Praxis wirken kann und wo ihre Grenzen liegen.

12.04.2022 – Die Ampelregierung ist sich weitgehend einig, wie sie der Energiewende neuen Schwung verleihen will. Es steht viel auf dem Spiel – nur wenn wirklich alle Maßnahmen greifen, kann Deutschland in die Nähe seiner Ziele zur Emissionsminderung kommen. In der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wird deshalb gleich zu Beginn im neuen Paragraf 2 formuliert, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien ganz besonders im öffentlichen Interesse liegt. Beschlossen ist die Novelle noch nicht, aber es ist davon auszugehen, dass sie im Großen und Ganzen so wie jetzt im Osterpaket vorgestellt, Gesetzeskraft erhält.

Die Formulierung im §2 EEG soll lauten: „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Satz 2 gilt nicht gegenüber Belangen der Landes- und Bündnisverteidigung.“

Tritt sofort in Kraft – aber befristet

Im Gesetzentwurf ist weiter vorgesehen, dass dieser Paragraf bereits mit der Verkündung des Gesetzes in Kraft tritt und nicht erst nach der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission. In der Regelung steckt aber auch eine Befristung: sie soll so lange gelten, bis die Stromerzeugung nahezu treibhausgasneutral ist.

Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) hat genauer hingeschaut, was diese neue Regel ändert und was nicht. Die Autorin Silke Christiansen misst der Formulierung zunächst einen klarstellenden Charakter bei. Erneuerbare Erzeugungsanlagen dienen privatnützigen Interessen und tragen gleichzeitig zur Erreichung der Klimaschutzziele Deutschland bei.  Daraus folgen rechtliche Konsequenzen. Staatliche Behörden müssen das überragende öffentliche Interesse bei der Abwägung mit anderen Rechtsgütern berücksichtigen. Das bedeutet aber auch, dass die Norm überhaupt nur dort relevant ist, wo eine behördliche Abwägung durchzuführen ist. Laut Gesetzesbegründung soll die Norm insbesondere bei der Windenergie an Land greifen, da hier die Flächenknappheit den Ausbau besonders hemmt.

Als beispielhafte Abwägungsentscheidungen werden in der Gesetzesbegründung genannt: der Bau von Erzeugungsanlage in der Nähe von seismologischen Stationen, von Radaranlagen, in Wasserschutzgebieten oder aber auch wenn Landschaftsbild, Denkmalschutz, Forstrecht, Immissionsschutz, Naturschutz, Bau- und Straßenrecht ins Spiel kommt.

Kein Automatismus – andere Schutzgüter unterliegen nicht immer

Wie stark ist die rechtliche Wirkung und könnte der neue §2 EEG eventuell ins Leere Laufen – auch auf diese Fragen geht die Betrachtung ein. Die bloße Festlegung im EEG kann nach KNE-Auffassung die Abwägungsentscheidungen in anderen Fachgesetzen nicht abschließend beeinflussen. Ändern würde sich demnach jedoch das Gewicht des abzuwägenden Arguments. Letztlich werden Gerichte befinden müssen – keine gute Nachricht für die Erneuerbaren. Will man dieser Unsicherheit entgehen oder zumindest entgegenwirken, müsste der Vorrang auch in den jeweiligen Fachgesetzen oder auf höherrangiger gesetzlicher Ebene verankert werden.

Zusätzlich bleibt das europäische Recht maßgeblich. Eine nationale Regelung vermag europarechtliche Vorgaben nicht zu überwinden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die EU-Vogelschutzrichtlinie relevant, die gar keine Abwägungsentscheidung aufgrund überragenden öffentlichen Interesses vorsieht. Für die Vogelschutzrichtlinie fehlt damit ein substanzieller Anknüpfungspunkt, um eine Abwägung zugunsten der erneuerbaren Energien aufgrund eines überragenden öffentlichen Interesses vorzunehmen. Andererseits bietet die Vogelschutzrichtlinie aber die Möglichkeit der Abwägung der Belange des Vogelschutzes mit dem „Interesse der öffentlichen Sicherheit“. Dazu hatte das KNE eine Einordnung vorgenommen als der Paragraf im Entwurf des EEG 2021 stand – jedoch war diese Regel im späteren Gesetz nicht enthalten.

Für den wohl entscheidenden Aspekt des Artenschutzes gilt, dass hier eine Abwägung nur dann in Betracht kommt, wenn eine Ausnahme von einem artenschutzrechtlichen Verbot erteilt werden soll.  Die Verbote des Artenschutzes können aber nicht allein mit einem Verweis auf übergeordnetes öffentliches Interesse aufgehoben werden. Die Ausnahme wiederum ist an Voraussetzungen gebunden: es muss einen Grund geben Alternativen geprüft werden und der Nachweis geführt werden, dass sich ein Erhaltungszustand nicht verschlechtert. Der KNE führt weiter aus, dass die Gesetzesbegründung auch dahingehend offen ist, dass andere Schutzgüter sich durchaus gegenüber den Erneuerbaren Energien durchsetzen können und gerade kein absoluter Automatismus für deinen Vorrang der Erneuerbaren gilt.

Das KNE kommt zu dem Fazit, dass die neue Regelung aus Artenschutzsicht nicht zu beanstanden ist. pf

Die vollständige Betrachtung des Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende finden Sie hier.


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