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Hambacher WaldDer Widerstand wächst immer weiter

Transparent auf dem steht: Bunt statt Braun.
Das Transparent der Aktivisten im Hambacher Wald zeigt an: der Protest gegen den Braunkohleabbau im Hambacher Tagebau ist vielfältig (Foto: ©Manuel Först).

Die Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen die Rodung des Waldes aus. Die Kritik an RWE und der Landesregierung NRWs kommt dabei aus vielen Richtungen. Selbst Polizei und Zulieferer des Kohleunternehmens zeigen sich empört über die Situation.

21.09.2018 – Nach dem tragischen Tod eines Journalisten und Verbündeten der Aktivisten im Hambacher Wald, ruht der Einsatz. Doch sollten die Räumungen und Rodungen wieder aufgenommen werden, müssen RWE und die Landesregierung weiterhin mit massiven Gegenprotesten rechnen. Denn der Widerstand wächst und wächst.

Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid zufolge spricht sich 75 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gegen die Rodung des Hambacher Wald aus. Entsprechend viele Leute stimmten der Aussage zu: die Bundesregierung solle die Rodung stoppen, wie Zeit Online berichtet. 73 Prozent der Befragten stimmten auch für einen Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 oder früher. Der Unmut über das wirtschaftspolitische Vorgehen im Hambacher Wald kommt dabei aus den verschiedensten Richtungen, wie die folgenden unterschiedlichen Akteure und Protestformen zeigen:

1.    Appell der Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen

Ein gemeinsamer Appell und Unterschriftenaktion von Campact, Greenpeace und BUND erreichte bereits über 600.000 Unterschriften. Darin fordern sie einen Erhalt des Hambacher Wald und prangern an, dass RWE für den Profit den gesellschaftlichen Frieden aufs Spiel setze. Bei einer Protestaktion und Mahnwache vor dem NRW-Landtag am gestrigen Morgen übergaben Campact und Co. die bis dahin gesammelten Unterschriften an NRWs Umweltministerin Ulla Heinen und forderten eine politische Lösung.

Gleichzeitig versucht der BUND NRW eine gerichtliche Lösung herbeizuführen. Im letzten Winter erreichten sie dadurch einen Rodungsstopp. Und auch für die kommende Rodungssaison kämpfen Dirk Jansen und seine Mitstreiter vor Gericht dafür, dass kein einziger Baum gefällt werden darf. 

2.    Die Zivilgesellschaft auf der Straße

Nicht nur der Protest vor dem Landtag indes zeigt: der Widerstand ist längst nicht mehr nur Online und durch die Aktivisten im Hambacher Wald vorhanden, sondern im breiten öffentlichen Raum präsent. Am letzten Sonntag kamen nach Angaben von Umweltorganisationen etwa 6000 Menschen nach Buir und vor den Hambacher Wald, um dort gegen die Räumungen und geplanten Kahlschlag zu demonstrieren und symbolisch neue Bäume zu pflanzen. Zum kommenden Waldspaziergang diesen Sonntag und nächsten großen Protestaktion am 06. Oktober werden noch weitaus mehr Teilnehmer erwartet.

Und auch an anderen Orten sind die Braunkohlegegner präsent. In Berlin werden Mahnwachen vor dem Kanzleramt und der NRW-Landesvertretung abgehalten und eine Critical Mass zog vor die Berliner RWE Zentrale. In Freiburg kamen viele Hundert Menschen auf die Straßen, genauso wie in Köln und anderen Städten Deutschlands. Sogar in Brüssel und im schweizerischen Genf war der Protest im öffentlichen Raum spürbar.          

Laut dem Protestforscher Dieter Rucht ist die Klimaproblematik in den letzten Jahren stärker in den Vordergrund gerückt. Zusätzlich dazu sei insgesamt eine größere Bereitschaft zu Protest und zivilem Ungehorsam aufgekommen. „Das ist wiederum beschleunigt worden durch gewisse Fehlentscheidungen der Politik und Fehleinschätzungen der Fachwelt“, so Rucht in einem Interview für WDR2.

3.    Städte und Unternehmen verkaufen RWE-Anteile

Diese Fehleinschätzungen sind auch im wirtschaftlichen Bereich spürbar. Gerade In Nordrhein-Westfalen besitzen viele Unternehmen, aber auch Kommunen, teilweise hohe Beteiligungen an RWE. Doch die sogenannte Divestment-Bewegung zieht auch hier seine Kreise. Unternehmen, Institutionen und Staaten verpflichten sich dabei ihre Investitionen in fossile Energien abzuziehen, und somit die Kohle- Öl- und Gasindustrie zu schwächen. Während Städte wie Essen, Dortmund, Aachen und Köln, weiterhin millionenschwere Anteile an RWE halten, geht Bochum mit gutem Beispiel voran und hat inzwischen zwei Drittel seiner RWE-Aktien verkauft.

Auch große europäische Versicherungen, wie die Allianz, AXA und Generali ziehen ihre Investitionen aus RWE raus. Und das Bochum und die Allianz wohl die richtige Entscheidung getroffen haben, zeigt sich an der Börse. Seit Mitte vergangener Woche befindet sich die RWE-Aktie im Sinkflug und verlor innerhalb einer Woche einen Börsenwert von 500 Millionen Euro. 

4.    Privatkunden verabschieden sich von fossiler Energie

Doch nicht nur Städte und große wirtschaftliche Unternehmen können RWE empfindlich treffen. Immer mehr Menschen rufen dazu auf, den Stromvertrag bei einer der Tochterunternehmen von RWE zu kündigen. Denn RWE selber hat sein komplettes Endkundengeschäft ausgelagert und in die Hände des RWE-Tochterunternehmens Innogy gelegt. Im nächsten Jahr soll das Vertriebsgeschäft komplett an E.ON abgegeben werden.

Doch auch E.ON, sowie weitere Stromlieferanten, wie Eprimo, enviaM und viele andere, beziehen weiterhin Strom aus Braunkohle. Ein Wechsel zu reinen Ökostromanbietern würde möglicherweise auch E.ON und Co. zum Umdenken bewegen, damit diese in Zukunft auf Strom von RWE und anderen fossilen Energieerzeugern verzichten.

5.    Räumungskräfte und beteiligte Unternehmen üben starke Kritik am Einsatz im Wald

Die Firma Gerken setzt bereits überwiegend auf nachhaltigen Ökostrom. Umso mehr erzürnte sie der Einsatz ihrer Hebebühnen im Hambacher Wald. Nach vielen Protestmails aus der Bevölkerung entschloss sich die Firma ihre Geräte stillzulegen, und setzt sich damit der Gefahr hoher Schadensersatzforderungen aus. Denn rein rechtlich sind die Hebebühnen während der Mietzeit Eigentum der Mieter. Auch der Hebebühnenverleih Cramer legte nach und untersagte den Einsatz seiner Geräte im Wald

Welchen Strom die Polizeidirektionen NRWs beziehen ist nicht bekannt. Doch, dass sie den Einsatz im Hambacher Wald nicht gutheißen, stellte Heiko Müller von der nordrhein-westfälischen Polizeigewerkschaft bereits klar. „Man hätte reden müssen, bevor man rodet. Sie gehen mit zweierlei Gefühlen in den Einsatz, weil sie nicht wissen, ob er sinnhaft ist“, so Müller über seine Einsatzkräfte. Nach Einschätzung der Polizei wird die Räumung – sollte sie fortgeführt werden – Kosten in zweistelliger Millionenhöhe verursachen und die Polizeikräfte an ihre Belastungsgrenzen führen.

Laut einem Tweet bittet die Polizei Aktivisten sogar einen Volksentscheid zu initiieren, um „den Wahn zu stoppen“. Volksbegehren und -entscheide waren in NRW jedoch selten von Erfolg gekrönt. Bislang gab es keinen einzigen Volksentscheid, und nur ein Volksbegehren führte bislang zu einer geänderten Gesetzeslage. Glaubt man jedoch den Umfragen von Emnid, könnte ein Volksbegehren und -entscheid gegen die Räumung und Rodung des Hambacher Wald von Erfolg gekrönt sein. Allein die Zeit dafür fehlt, wenn RWE ab Mitte Oktober roden will. mf


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