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Fachverbände unzufriedenEEG-Novelle keine Ouvertüre für Zeitenwende

Luftaufnahme Biomasse-Fermenter, Photovoltaik, Windenergie
Branchenvertreter von Wasserkraft, Photovoltaik, Wind und Bioenergie fordern Nachbesserungen am EEG-Entwurf. (Foto: Rhein-Hunsrück Entsorgung AöR)

Der Referentenentwurf für die EEG-Novelle stößt bei den Fachverbänden der Branche auf Kritik. Der erwartete Aufbruch sei es nicht, so das Fazit. Konkrete Nachbesserungen für Photovoltaik, Windenergie, Bioenergie und Wasserkraft werden gefordert.

18.03.2022 – Bis gestern hatten die Verbände Zeit, zum EEG-Entwurf Stellung zu nehmen. Die Erneuerbare Energienbranche vermisst einen wirklichen Aufbruch. Vielmehr bleibe der Entwurf deutlich hinter dem Möglichen und Notwendigen zurück, heißt es vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE).  Die Defizite der verlorenen Jahre könnten so nicht aufgeholt werden.

Mit der geplanten EEG-Novelle soll der Grundsatz verankert werden, dass die Erneuerbaren Energien im öffentlichen Interesse stehen und der nationalen Sicherheit dienen. Das soll auch für die Windenergie auf See gelten, allerdings nicht für die Wasserkraft. Neben dieser Anerkennung fordert der BEE auch den Schutzgütervorrang im Gesetz zu verankern. Der Ausschluss der Wasserkraft hat beim Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke große Bestürzung ausgelöst. Es sei geradezu paradox, dass nun ausgerechnet die stetig verfügbare, flexibel regelbare, netzstabilisierende und der Versorgungssicherheit dienende Wasserkraft ausgebremst und in vielen Fällen sogar der Rückbau eingeleitet werden soll.

Differenzverträge nicht vorschnell einführen

Die übergreifende Kritik des BEE zielt weiter auf die zugrunde liegende Berechnung des Bruttostrombedarfs, Volumen und Regeln für Ausschreibungen und die Erschließung von Flächenpotenzialen.  Mehr Teilhabe und Bürgerenergie kämen ebenfalls zu kurz. Die finanzielle Beteiligung der Kommunen solle ausgeweitet werden und auch für das Repowering von Windenergieanlagen an Land möglich sein.  Für Eigenverbrauch und Mieterstrom werden neue Konzepte gebraucht, die sich in der Novelle aber nicht finden.

Die mögliche Einführung von Differenzverträgen als Alternative zu einer festen Marktprämie sieht der BEE ebenfalls kritisch. Präsidentin Simone Peter appelliert an die Politik, diesen Weg nicht vorschnell einzuschlagen, sondern breit zu diskutieren. Der BEE habe einen eigenen Vorschlag für ein neues Strommarktdesign vorgelegt, den er weiter für zielführend hält.

Für die Wasserkraft sehe der Referentenentwurf erhebliche Verschlechterungen der Rahmenbedingungen vor, statt die wetterunabhängige Leistung von Wasserkraft und die Leistungserhöhung durch Modernisierung und Neubau anzureizen. Auch das große Potential der Geothermie finde sich in der EEG-Reform nicht wieder, die geplante kalendergesteuerte Degression mache die Planung neuer Projekte für Investoren sogar noch weniger attraktiv, fasst BEE-Präsidentin Simone Peter zusammen.

Notwendiger Photovoltaikzubau wird nicht angereizt

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) zeigt sich überrascht, dass die Konditionen für Anlagen mit Eigenverbrauch – Anlagen mit Teileinspeisung – unverändert bleiben sollen. So würden wichtige Treiber der Energiewende nicht aktiviert. Die verbesserten Bedingungen für Anlagen mit Volleinspeisung würden mit dem vorliegenden Entwurf in etwa auf das Niveau von vor zwei Jahren angehoben – wobei die Komponentenpreise damals niedriger waren. Die Maßnahmen seien zwar zu begrüßen, reichten bei weitem aber nicht aus für die angestrebte Verdreifachung im Zubau. Dass der Ländervorbehalt bei der Ausweisung von benachteiligten Ackerflächen weiter gelten soll, ist eine weitere Kritik des BSW.

Die vielfach angesprochene Entbürokratisierung erläuterte BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig an einem Beispiel, die Liste notwendiger Vereinfachungen sei aber viel länger. Es geht um die Zertifikate für die Netzverträglichkeit. Diese EU-seitig geforderten Zertifikate seien für Anlagen im Megawattbereich gedacht. In Deutschland werden sie bereits ab einer Anlagengröße von 135 Kilowatt gefordert. Jedes mittelgroße Gewerbedach müsse deshalb ein teures und mehrere Monate dauerndes Zertifikatsverfahren durchlaufen. Solche unbegründeten Hürden sollte es in Zukunft nicht mehr geben.

Aus alt mach neu – im Repowering liegt riesiges Potenzial

Für die Windbranche steht das Repowering ganz oben auf der Agenda, wenn es um politisches Handeln geht. Zwar sei bereits eine Neubewertung sichtbar, aber es brauche noch mehr Rückendeckung. Der Planungsvorbehalt auf Bestandsflächen solle ausgesetzt werden sowie die Auflagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz dahingehend verändert werden, dass beim Repowering lediglich eine Änderungsanzeige notwendig wird. Ebenfalls sollten die Kommunen beim Repowering beteiligt werden am Ertrag der Anlagen. Für 15 Gigawatt Windkraftleistung endet in diesem Jahr die Förderperiode. Könnten auf diesen Standorten neue leistungsfähigere Anlagen gebaut werden, ergibt sich ein Potenzial von 45 Gigawatt. Für durch militärisches und ziviles Radar blockierte Flächen sollten bundeseinheitliche Regeln gelten. Aufwändige Einzelgespräche seien mühsam und kosten wertvolle Zeit.

Die Bioenergie als Flexibilitätsreserve – geht auch bei Altanlagen

Der Fachverband Bioenergie (FVB) sieht die Bioenergieanlagen in einer neuen bedeutsamen Rolle. Als Peaker sollen sie in lediglich zehn Prozent der Jahresstunden Lasten bereitstellen, wenn Wind und Sonne nicht liefern. Wenn die Kraftwerke weniger oft in Betrieb sind, aber die gleiche Strommenge bereitstellen sollen, müsse das Ausbauziel angehoben werden. Von einer notwendigen Verdopplung – von jetzt 8,4 auf 16 Gigawatt – spricht Horst Seide, Präsident des FVB.

Die mögliche und notwendige Flexibilisierung beim Betrieb der Bioenergieanlagen sei im Gesetzentwurf nicht ausreichend flankiert. Ein Großteil der Stromerzeugung aus Biogas finde zudem direkt vor Ort statt, direkt aus dem Fermenter. Auch dieser Aspekt sei aus dem Blick geraten. "Das neue 2045 heißt 2035“, formuliert Seide. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten alle Flexibilitätsoptionen auch bei bestehenden Anlagen entfesselt werden.

Die EEG-Novelle allein könne kein Turboantrieb für die Erneuerbaren Energien sein. Darin sind sich die Branchenvertreter einig. Auch andere Gesetze und Regelungen wie beispielsweise das Planungs- oder Steuerrecht müssten endlich angepasst werden. Petra Franke


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Kommentare

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Jürgen Eiselt 18.03.2022, 11:00:06

Die neue Klimaallianz "runder Tisch" https://energiewende-2030.de/presse/ hat den Referentenentwurf ebenfalls überprüft und festgestellt, dass damit das Pariser 1,5-Grad Ziel nicht erreichbar ist.

Der Ansatz Bürokratie abzubauen ist lobenswert. Doch warum die Photovoltaik-Vergütung jetzt neu in Eigenstromnutzung und Volleinspeisung mit unterschiedlichen Einspeisesätzen vorgegeben wird, erzeugt neue Bürokratie.

ALLE Ausschreibungen müssen weg. Die Erfahrungen zeigen deutlich, dass Bürgerenergie sonst weiter blockiert wird, zumal jede Bürgerenergiegemeinschaft nur alle 5 Jahre ein Projekt umsetzen darf. Warum? Wer soll denn die Aufträge sonst erhalten?

Wir benötigen eine neue sektorgekoppelte EEG-Prämie mit 8 Cent/kWh, um keine Potentiale zu verschenken. Im Verkehr ist ein Tempolimit auf Autobahnen unumgänglich. Elektrofahrzeuge dürfen nur noch mit einer Rückladefähigkeit in das Stromnetz zugelassen werden - sofort. Selbstverständlich sind sämtliche neue Öl- und Gasheizungen ohne Ausnahmen am besten morgen früh zu verbieten. Die alten Anlagen müssen mit Übergangsfristen lange vor 2030 stillgelegt werden.

Der Referentenentwurf wurde überwiegend vor Putins Vernichtungskrieg erarbeitet. Seitdem sind Gaskraftwerke als Übergangskraftwerke Geschichte, die sich noch im Referentenentwurf indirekt wiederfinden.

Wir benötigen ein "Notfallgesetz", um keine Zeit zu verlieren. Sonst könnte die Wirtschaft zusammenbrechen, Heizungen im nächsten Herbst ausfallen und die Erderhitzung unumkehrbar zunehmen.

Ausführliche Hintergrundinformationen auch über den Think-Tank der Europäischen Energiewende Community

(Pressemitteilungen, Notfallmaßnahmen, unabhängige Fachartikel und breite Energiewendediskussion über energiewende.eu oder Facebook).


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