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DeutschlandEigene Verfehlungen international ausgleichen

Über flachen Steinhäusern erheben sich Solaranels
Eine deutsche Solaroffensive in afrikanischen Ländern, wie hier in Lesotho etwa, könnte helfen. (Bild: Herbert Bieser, pixabay, Public Domain)

Um seinen Beitrag für das Pariser 1,5 Grad-Ziel zu leisten, müsste Deutschland seine Emissionen bis 2028 auf Null bringen. Da dies unmöglich erscheint, wären weitere Milliardenhilfen für Drittstaaten nötig, die bislang nicht fließen.

02.12.2021 – Klimaschutz habe für Deutschland oberste Priorität und mit Innovationen und Maßnahmen solle das Land auf einen 1,5 Grad-Pfad gebracht werden. Das verspricht das Ampel-Bündnis im neuen Koalitionsvertrag. Doch sollte die neue Bundesregierung dieses Versprechen ernst nehmen, startet sie mit einer schweren Hypothek. Laut Analyse des Öko-Instituts, im Auftrag des WWF, beträgt das verbleibende Emissionsbudget Deutschlands für einen 1,5 Grad-Pfad 2,6 Gigatonnen CO2. Die Berechnung beruht auf Daten des jüngsten IPCC-Berichts und bezieht sich auf den Zeitraum nach der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens Anfang 2016.

Dieses Emissionsbudget ist 2021 bereits zu 60 Prozent aufgebraucht. Für Deutschlands Anteil am 1,5 Grad-Pfad müsste bei einer linearen Emissionsminderung 2028 das Netto-Null Ziel erreicht werden. Doch das Ampel-Bündnis legt sich lediglich auf „Klimaneutralität spätestens 2045“ fest und mit den bislang beschlossenen Maßnahmen wäre das Emissionsbudget sogar schon 2024 aufgebraucht. Selbst für einen 1,7 °C-Pfad, der noch mit dem Pariser Ziel einer Begrenzung der Erderhitzung auf „deutlich unter 2 Grad Celsius“ vereinbar wäre, müssten bei linearer Emissionsminderung Netto-Null-Treibhausgas-Emissionen bis ca. 2038 erreicht werden, zeigt das Öko-Institut in ihrer Analyse auf.

Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, sagt angesichts der Ergebnisse: „Wir blicken auf eine verlorene Dekade für den Klimaschutz in Deutschland. Jetzt gilt es, aufzuholen und sich ehrlich zu machen: Wir müssen sofort Maßnahmen umsetzen, um unsere Klimaziele zu erreichen.“ Doch ein Umsteuern auf einen 1,5 °C-Pfad sei für Deutschland mit politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich kaum durchzusetzenden, harten Strukturbrüchen verbunden, prognostizieren das Öko-Institut und der WWF.

Bis zu 25 Milliarden jährlich

„Durch unsere hohen Emissionen beanspruchen wir weiterhin weit mehr als unseren fairen Anteil am globalen Restbudget und steuern damit sehenden Auges in die Klimakrise. Dieser Entwicklung kann nur entgegengewirkt werden, indem Deutschland zusätzlich viel mehr Geld für noch schnelleren Klimaschutz in anderen Ländern bereitstellt“, sagt Raddatz. Die Ambitions- und Umsetzungslücken müssten demnach durch ein Nichtausschöpfen der verbleibenden Emissionsbudgets anderer Staaten ausgeglichen werden.

Das Öko-Institut kommt in ihren Berechnungen auf eine Summe von 8-25 Milliarden Euro jährlich über 30 Jahre, die von Deutschland an andere Länder für Klimaschutzmaßnahmen transferiert werden müssten. Da sich im Pariser Abkommen alle Länder ein Klimaschutzziel gesetzt haben, sollten die jeweils kostengünstigsten Vermeidungsoptionen für die Länder selbst reserviert sein, fordern Öko-Institut und der WWF.

Die Finanztransfers sollten vielmehr zusätzliche Effekte erzielen, beispielsweise durch Infrastruktur- und Technologieinvestitionen, die massiv neue Minderungspotenziale erschließen. Die Bandbreite von 8-25 Milliarden Euro ergibt sich dabei aus den erwartbaren Technologiekosten pro eingesparter Tonne CO2 von 50 bis 150 Euro. Die notwendigen Transfervolumina seien für Deutschland im Grundsatz finanzierbar, so die Analysten.

International noch weitaus mehr nötig

In Summe aller öffentlichen Beiträge in Form von Zuschüssen, Krediten und Beteiligungen leistete Deutschland 2020 7,64 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung. Deutschlands Beitrag zu den versprochenen 100 Milliarden US-Dollar jährlich an Klimahilfen seitens der Industriestaaten an Entwicklungs- und Schwellenländer gilt damit als erfüllt. Das Ampel-Bündnis verspricht den deutschen Anteil weiterhin zu erfüllen und „perspektivisch“ zu erhöhen.

Im Koalitionsvertrag werden indes auch sogenannte Klimapartnerschaften mit Entwicklungs- und Schwellenländern angekündigt, etwa für den dortigen Aufbau nachhaltiger Infrastrukturen. Die auf der COP26 angekündigte Klimapartnerschaft mit Südafrika könnte dabei als Blaupause für weitere Länder dienen und ein erster Schritt hin zu den Forderungen von Öko-Institut und WWF sein. Deutschland kündigte an innerhalb der Partnerschaft Südafrikas Ausstieg aus der Kohleenergie zu beschleunigen.

Eine Erhöhung von Finanztransfers erscheint schon aus deutscher Sicht und Angesichts der vorliegenden Analyse dringend und nicht nur perspektivisch geboten. Dabei sollten die geforderten 8-25 Millionen Euro vor allem in Infrastruktur- und Technologieinvestitionen fließen. Daneben werden in Entwicklungs- und Schwellenländern weitere Milliardenhilfen für Klimaanpassungsmaßnahmen und Schäden und Verlusten durch die Klimakrise benötigt. Auch dafür fließen international bislang zu wenig Gelder, unter anderem, weil sie, im Gegensatz zu Klimaschutzmaßnahmen wie Erneuerbare Energien Anlagen, für Investoren wenig attraktiv sind.

Schon das Ziel von 100 Milliarden US-Dollar jährlich wird die internationale Staatengemeinschaft erst 2023 erreichen. Für den Zeitraum ab 2025 sollen die jährlichen Hilfen neu verhandelt werden. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen geht allein bei Klimaanpassungsmaßnahmen perspektivisch von jährlichen finanziellen Hilfen von 280 bis 500 Milliarden US-Dollar aus. Von der Klimakrise betroffene Entwicklungsländer selbst, sehen ihren Bedarf an Klimahilfen bei bis zu einer Billion US-Dollar jährlich. mf


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