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KoalitionsvertragEine neue Klimaaußenpolitik?

Annalena Baerbock im blauen Blazer und einem Mikrofon in der Hand.
Wenn die Ampelparteien dem Koalitionsvertrag zustimmen, wird Annalena Baerbock neue Außenministerin Deutschlands. (Bild: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0)

Hört man Annalena Baerbock zu, könnte Klimapolitik künftig zur Priorität des außenpolitischen Handelns Deutschlands werden. Auch der Koalitionsvertrag gibt Hinweise darauf. Doch das Thema Gas gefährdet eine wirksame internationale Klimapolitik.

29.11.2021. – Die internationale Klimapolitik war das bestimmende Thema von Annalena Baerbock bei ihrer Rede vergangenen Mittwoch zur Vorstellung des Koalitionsvertrages. Man habe einen Koalitionsentwurf geschaffen, bei dem sich Klimaneutralität durch alle Bereiche ziehe, auch bei der internationalen Zusammenarbeit sowie Außen- und Sicherheitspolitik, so Baerbock, deren Besetzung als neue Außenministerin sich bereits abgezeichnet hatte.

„Das bedeutet auch, dass die Frage einer gemeinsamen Klimapolitik einer europäischen Antwort bedarf und eben einer aktiven Energie- und Außenpolitik“, sagte Baerbock weiter. Auch die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch kommt nach einer eingehenden Analyse des Koalitionsvertrages zu dem Schluss: „Erstmals wird Deutschland eine explizite Klimaaußenpolitik haben.“

Klimapartnerschaften mit dem Globalen Süden

Positiv erwähnt Germanwatch die Ankündigung der Ampel-Koalition, Klimapartnerschaften mit Entwicklungs- und Schwellenländern (dem Globalen Süden) ins Zentrum ihrer globalen Zusammenarbeit zu rücken. Im Koalitionsvertrag heißt es unter anderem: „Mit Klima- und Entwicklungspartnerschaften fördern wir beidseitigen Wissens- und Technologietransfer, den Ausbau Erneuerbarer Energien mit eigenständiger Wertschöpfung und lokalen Nutzungsmöglichkeiten, nachhaltige Infrastruktur und weitere Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in unseren Partnerländern.“

„Wir brauchen in diesen Ländern eine zügige Transformation. Dafür ist eine neue Art der Zusammenarbeit nötig“, so David Ryfisch, Teamleiter für internationale Klimapolitik bei Germanwatch, im Gespräch mit der energiezukunft. Vor allem die auf der Weltklimakonferenz in Glasgow angekündigte Klimapartnerschaft mit Südafrika könne Vorzeigemodell und Blaupause für weitere Partnerschaften werden. Deutschland strebt eine intensive Zusammenarbeit mit Südafrika an, um vor allem deren Abhängigkeit von der Kohleindustrie zu beenden.

Positive Aspekte sieht Ryfisch auch bei den Ankündigungen im Koalitionsvertrag hinsichtlich des Umgangs mit Schäden und Verlusten sowie Gelder für Klimaanpassung in Entwicklungsländern. Hinsichtlich eines steigenden Meeressiegels wolle man sich „aktiv für eine Infrastrukturentwicklung nach qualitativ hohen internationalen Standards einsetzen.“ Auch die Erwähnung des Programms „KulturGutRetter“ vor dem Hintergrund der Klimakrise begreift Ryfisch als Beitrag Deutschlands für Schäden und Verluste in Entwicklungsländern.

Insgesamt wird in den nächsten Jahren jedoch noch immer zu wenig Geld für die internationale Klimafinanzierung, auch aus Deutschland fließen, befürchtet Ryfisch. 100 Milliarden US-Dollar jährlich sind bis 2025 vereinbart. Deutschland wird seinen Anteil erfüllen, doch für wirksame Hilfe braucht es deutlich mehr. Bis zu einer Billionen US-Dollar pro Jahr könnten laut Entwicklungsländern und Umweltorganisationen künftig nötig sein. Im Koalitionsvertrag wird zwar eine „perspektivische Erhöhung“ der Klimahilfen versprochen, doch diese Aussage ist vage und könnte die ohnehin schon versprochenen zwei Milliarden US-Dollar beinhalten, die Angela Merkel bereits angekündigt hatte.

Ein internationaler Klimaclub

Im Rahmen der anstehenden G7-Präsidentschaft und mit weiteren Industrienationen strebt die neue Bundesregierung derweil die Gründung eines internationalen Klimaclubs an. Auf Augenhöhe solle dort Klimaneutralität, der massive Ausbau Erneuerbarer Energien und deren Infrastruktur, die Produktion von Wasserstoff, sowie ein globales Emissionshandelssystem angestrebt werden, das mittelfristig zu einem einheitlichen CO2-Preis führt.

Mit Ländern im Nahen und Mittleren Osten und Russland etwa könnten wirtschaftliche Beziehungen für den dortigen Aufbau grüner Wasserstoffinfrastrukturen den Import der Energie nach Europa forciert werden. Das könnte helfen deren Fokus zu ändern – von Öl und Gas, hin zu Erneuerbaren Energien. „Diese Länder gilt es auf einen anderen Pfad zu bringen, damit sie auch in Klimaverhandlungen eine andere Position einnehmen können“, sagt Ryfisch.

Man wolle mit „Russland stärker zu Zukunftsthemen (z. B. Wasserstoff, Gesundheit) und bei der Bewältigung globaler Herausforderungen (z. B. Klima, Umwelt) zusammenarbeiten“, erklärt auch das Ampel-Bündnis im Koalitionsvertrag. Das gemeinsame Projekt Nord Stream 2 hingegen findet dort keine Erwähnung. Annalena Baerbock, die sich im Wahlkampf gegen die Inbetriebnahme der Gasleitung in der Ostsee ausgesprochen hatte, verwies in einem am Wochenende veröffentlichten Interview mit dem Spiegel lediglich auf laufende Verfahren rund um die Zertifizierung des Betreibers der Pipeline.

Die Bundesnetzagentur hatte die Zertifizierung Mitte November ausgesetzt, da die Nord Stream 2 AG als Betreiber nicht als Firma nach deutschem Recht organisiert ist. Des Weiteren bestehen berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit des Betreibers vom russischen Gaskonzern Gazprom, die nach EU-Recht nötig wäre für den Betrieb. Während sich Grüne und FDP gegen eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 aussprechen, ist die SPD dafür. Insgesamt hat sich das Ampel-Bündnis darauf geeinigt, dass Erdgas „für eine Übergangszeit unverzichtbar“ sei.

Interpretation erforderlich

Ob Deutschland damit auch international weiterhin Gas-Projekte finanzieren wird, bleibt abzuwarten. Auf Drängen des bislang CDU-geführten Bundeswirtschaftsministeriums wurde bei der COP in Glasgow eine internationale Verpflichtung zum Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Energien noch abgemildert. In Einzelfällen sei eine weitere Finanzierung von Gas-Technologien noch möglich. Nun liegt es an dem neuen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sowie Außenministerin Baerbock, wie dieser Passus von Deutschland künftig interpretiert wird.

Die Einstufung von Gas als „nachhaltig“ innerhalb einer neuen EU-Taxonomieverordnung aber kann und will die neue Bundesregierung wohl nicht mehr verhindern. Bis Weihnachten will die EU-Kommission dazu eine endgültige Entscheidung vorlegen. Spannend wird sein, wie Deutschland künftig hinsichtlich des Energiecharta-Vertrags handelt.

Im Koalitionsvertrag steht, man wolle sich für „eine Reform des Energiecharta-Vertrags“ einsetzen, der es aktuell fossilen Konzernen ermöglicht, gegen Klimaschutzbemühungen von Staaten vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof hatte kürzlich geurteilt, dass die dafür durchgeführten privaten Schiedsverfahren nicht mit EU-Recht vereinbar sind. Sollte die neue Bundesregierung willens sein, könnte sie auf dieser Grundlage, gemeinsam mit anderen europäischen Staaten, den Vertrag kippen. Manuel Först


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