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EU verschärft Klimaziel für 2030Ein Kompromiss rettet kein Weltklima

Charles Michel, Ursula von der Leyen und Angela Merkel
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, verkündete zusammen mit Ursula von der Leyen, Präsident der Europäischen Kommission, und Angela Merkel, Bundeskanzlerin, die Ergebnisse des EU-Gipfels. (Foto: © European Union)

Es ist ein wichtiger Schritt beim Kampf gegen die Klimakrise: Die Europäische Union hat ihr Klimaziel für 2030 angehoben. Der Ausstoß von Treibhausgasen soll um mindestens 55 Prozent sinken. Für die Pariser Klimaziele ist das trotzdem zu wenig.

14.12.2020 – Bisher sollten die Treibhausgase der Europäischen Union bis 2030 gegenüber 1990 um 40 Prozent sinken. Dieses Ziel wurde in der vergangenen Woche beim EU-Gipfel in Brüssel angepasst: Demnach sollen die Emissionen in den kommenden zehn Jahren um mindestens 55 Prozent gesenkt werden – ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Klimaschutz und Erreichung des Pariser Klimaabkommens. 

Bis zum Schluss des Gipfels wurde hart um das neue Klimaziel gerungen. So wollten mehrere EU-Staaten verbindliche Zusagen für finanzielle Hilfen zur Umsetzung der Energiewende. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag – die letzten Stunden des Treffens liefen – blockierte Polen den Beschluss, das Land forderte weitere Zusicherungen. Umso erleichterter wirkte Ratschef Charles Michel, als er dann am Freitagmorgen endlich eine Einigung verkünden konnte.

Denn vor dem Gipfel war es alles andere als sicher, dass sich die EU-Staaten diesmal wirklich auf ein neues Klimaziel einigen können. Vorgeschlagen wurde das neue 55-Prozent-Ziel von der EU-Kommission. Zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Gipfel für Unterstützung des Klimaziels geworben. Mit Erfolg, wie sich am frühen Freitagmorgen zeigte.

Finanzierung des 55-Prozent-Klimaziels

Finanziert wird das neue Klimaziel mit unterschiedlichen Mitteln: Da ist zum einen der sogenannte Modernisierungsfonds, in den Einnahmen aus dem Emissionshandel fließen, zum anderen der Fonds für einen gerechten Übergang. Viel Geld wird außerdem über den 750 Milliarden schweren Corona-Aufbaufonds fließen, der bis zuletzt durch ein Veto von Ungarn und Polen blockiert wurde. Mindestens 30 Prozent der Mittel sollen daraus in den Klimaschutz fließen – also mehr als 225 Milliarden Euro.

So bremsen wir die Klimakrise nichtDamit will die Europäische Union einen entscheidenden Schritt in Richtung Klimaneutralität bis 2050 machen. Aber reichen die Maßnahmen auch, um einen ausreichenden Beitrag zur Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu leisten? Nein, sagt Michael Bloss, Mitglied der Grünen im EU-Parlament. „Die Staats- und Regierungschef*innen haben sich geeinigt, doch das Ziel ist deutlich zu niedrig um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. So bremsen wir die Klimakrise nicht“, sagt Bloss. Er sei ratlos, wie wenig ernst die Wissenschaft in der Klimakrise genommen werde – im Gegensatz zu der Corona-Krise.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Bloss ist zuversichtlich, dass das letzte Wort beim „Klimaziel noch nicht gesprochen“ ist. „Das Europaparlament hat eine klare Position und ein Verhandlungsmandat. Und dieses gilt es in den Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten zu verteidigen“, sagt er.

Im Vorfeld hatte auch das EU-Parlament eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 60 Prozent bis 2030 gefordert. Im Oktober beschloss das Parlament ein Klimagesetz, das Bloss als „ein Löschfahrzeug“ bezeichnete, „das klimapolitisch vor 30 Jahren notwendig gewesen wäre. Zum ersten Mal hat eine Europäische Institution ein Klimaziel für 2030 beschlossen, das eine 60-prozentige CO2-Reduktion vorsieht, verglichen mit 1990.“

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigt sich ebenfalls unzufrieden mit dem Beschluss aus Brüssel, eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent bis 2030 wäre aus wissenschaftlicher Sicht notwendig gewesen. „Nur so kann Europa seinen Beitrag dazu leistet, dass die Weltgemeinschaft es schafft, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen – das Ziel, auf das sich die Staaten vor fünf Jahren im Pariser Klimaschutzabkommen geeinigt haben, das Ziel, das notwendig ist, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimakollaps zu verhindern“, hieß es im Vorfeld des Gipfels.

Tatsächliches Klimaziel beträgt 50,5 Prozent

„Die 27 Staatsoberhäupter der EU haben es heute verpasst, das Pariser Klimaabkommen nach fünf Jahren endlich zum Leben zu erwecken und das 1,5 Grad Ziel zu sichern“, kommentiert Greenpeace Geschäftsführender Vorstand Martin Kaiser die Einigung der Mitgliedsstaaten. Auf den ersten Blick werde jedoch nicht deutlich, dass die EU nur eine Reduzierung der Treibhausgase um „netto“ 55 Prozent anstrebt. Dadurch werden Emissionen, die von Wäldern und Böden gespeichert werden, abgezogen. Durch diesen „Rechentrick“ läge die tatsächliche angepeilte Reduktion von Emissionen nur bei 50,5 Prozent.

Dabei werde der CO2-Ausstoßs durch die bereits beschlossenen Klimamaßnahmen und Zielen bereits um 46 Prozent zurückgehen, so die Prognose der EU. Die Vereinten Nationen mahnen jedoch ein deutlich schnelleres Reduzieren der Treibhausgase an.

Auch der BEE spricht sich für eine Erhöhung des Klimaziels auf mindestens 60 Prozent aus. „Wir halten es für notwendig, dass in den nun anstehenden Trilog-Verhandlungen noch ein Zeichen für ambitionierten Klimaschutz gesetzt und ein Minderungsziel von mindestens 60 Prozent beschlossen wird“, sagt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. (BEE).

Obwohl die Entscheidung der EU ein Schritt in die richtige Richtung ist, reichen Klimaziele allein nicht aus. Es braucht klare Konzepte, um diese auch zu erreichen. Bislang setzt die Europäische Union auf einen bunten Instrumentenmix. Da gibt es zum Beispiel den Emissionshandel für die Sektoren Energie und Industrie oder Zielvorgaben für die Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Ausbaus Erneuerbarer Energien, der Energieeffizienz und den Treibhausgasminderungen. Doch bei den Zielvorgaben fehlt es aktuell an wirkungsvollen Sanktionsmechanismen, wenn Mitgliedsstaaten die Ziele nicht einhalten. Deshalb schlug die EU-Kommission drei unterschiedliche Szenarien vor, die eine Erreichung der Klimaziele ermöglichen sollen.

Wie es nun weitergeht

Bevor das neue Klimaziel der EU endgültig im EU-Klimagesetz festgeschrieben wird, muss noch das Europaparlament zustimmen. Dieses hatte jedoch eine Reduktion der Treibhausgase um 60 Prozent gefordert. Ob es diesem niedrigen Klimaziel nun trotzdem zustimmen wird – zumal es ja nur ein Netto-Klimaziel ist – bleibt abzuwarten. jk


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