Kommunalwahlen in Frankreich: Eine Grüne Welle rollt durch Frankreichs Metropolen
Bei den Kommunalwahlen in Frankreich haben Grüne und Verbündete einige der großen Städte erobert. In Paris wurde die sozialistische Bürgermeisterin in ihrem Amt bestätigt. Sie setzt seit Jahren auf Klimaschutz. Verlierer ist Macrons Partei.
30.06.2020 – „Die Ergebnisse waren nicht gut“, bemerkte Stanislas Guérini, Generaldelegierter der Präsidentenpartei La République en marche (LREM) am Tag nach den Kommunalwahlen in Frankreich. In den großen Städten hat Macrons Partei ihre Stimmen vor allem an die Grünen verloren – Besançon, Strasbourg Lyon, Bordeaux,
Über die grüne Welle in Frankreichs Großstädten freute sich Yannick Jadot, Abgeordneter der Grünen-Partei Europe Écologie – Les Verts (EELV) im Europa-Parlament, umso mehr. Das zeige auch, dass sich viele Bürger in und nach der Corona-Krise einen wirtschaftlichen Wiederaufbau in Richtung Ökologie und Klimaschutz wünschen. Gewonnen habe der Wille zu einer konkreten Politik der Ökologie und zu ihrer Umsetzung. Die müsse und wolle man nun angehen, so Jadot in den französischen Medien.
Frankreich ist von Corona besonders schlimm betroffen und nun triumphieren die Grünen bei den Kommunalwahlen“, kommentierte Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament, das Ergebnis auf Twitter. „Das zeigt: Die Wählerinnen und Wähler wissen, dass die Klimakrise eine Corona-Pause macht. Das war ein Votum für einen grünen Wiederaufbau!
Paris setzt weiter auf Klimaschutz
In Paris bleibt die Sozialistin Anne Hidalgo im Amt, die seit Jahren einen grünen Kurs fährt. In der Hauptstadt hat die amtierende Bürgermeisterin Klimaschutz schon längst zur Chefsache erklärt: Mit neuen ökologischen Verkehrskonzepten wie Fahrradstraßen und begrünten Fußgängerwegen oder grasenden Schafen in den Parks. Den Parisern scheint es zu gefallen. Hidalgo und Verbündete aus dem linken Lager lagen in Paris weit vor der konservativen Herausforderin Rachida Dati. Die frühere Gesundheitsministerin aus Macrons Lager Agnès Buzyn blieb chancenlos.
In Marseille haben vor allem die Rechten um Marine Le Pen Stimmen an die Grünen verloren. In vielen Kleinstädten sind sie allerdings weiterhin beliebt, wie die Wahlergebnisse zeigen. Die Rechtsaußenpartei Rassemblement National (RN) hält einige ihrer Bastionen. Der RN-Politiker Louis Aliot setzte sich in der südfranzösischen Metropole Perpignan durch.
Der Präsident in Schieflage
Das Mitte-Lager La République en Marche (LREM) von Emmanuel Macron musste insgesamt eine herbe Niederlage einstecken – und scheiterte gerade in den Städten. Einziger Lichtblick für den Präsidenten ist der Sieg von Premier Edouard Philippe in dessen Wahlkreis Le Havre. Philippe war hier bereits in den Jahren 2010 bis 2017 Bürgermeister. Will er das wieder werden, müsste er – da er sich selbst gegen Ämterhäufung ausgesprochen hatte – theoretisch als Premier zurücktreten, um Bürgermeister zu werden. Indes wird seit einiger Zeit darüber spekuliert, ob Macron seinen von der bürgerlichen Rechten stammenden Premierminister bei einer Regierungsumbildung behalten wird. Der Premierminister hatte sich während der Hochphase der Corona-Pandemie als Krisenmanager hervorgetan, laut Umfragen erhält er größere Sympathie als der Präsident.
Historisch niedrige Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung erreichte allerdings mit rund 40 Prozent einen historischen Tiefststand. Die Stichwahlen waren ursprünglich für Ende März geplant, mussten jedoch wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Die Stichwahlen betrafen rund 5.000 Kommunen, dazu zählten auch die größten Städte des Landes. Einige Politiker zeigten sich gegenüber der geringen Wahlbeteiligung beunruhigt. Jean-Luc Mélenchon von der extremen Linken sprach gar von einem Bürgerstreik.
Ausrede Corona
Der Präsident kommentierte die Wahlergebnisse nur knapp: Wir müssen lernen, daraus zu wachsen, sagte er auf France inter. Macron schiebt den Rückschlag auf die Corona-Krise, die habe alles verändert und er müsse sich nun erstmal neu erfinden. Während sich die Linken seit einiger Zeit mit den Grünen verbünden, wird Macrons Partei zunehmend eher rechte Politik zugeschrieben.
Experten erklären das Desinteresse vieler Bürger an der Wahl mit einer allgemeinen Ernüchterung über die Reformpolitik Macrons, zudem der langen Zeit zwischen den beiden Wahlgängen, aber auch mit einer gewissen Ansteckungsangst. Nur zwei Tage nach der ersten Wahlrunde im März war eine weitreichende Ausgangssperre in Kraft getreten.
Zu Beginn der Corona-Pandemie hatte der Staatschef mit seiner Kriegsrhetorik viel Kritik auf sich gezogen. Mit rund 30.000 Corona-Todesopfern wurde Frankreich schwer getroffen, Macron auch für die Notlage öffentlicher Krankenhäuser verantwortlich gemacht. Die erst 2016 gegründete Präsidentenpartei ist vor allem auf lokaler Ebene noch nicht stark verankert und muss sich immer noch in ihren Grundsätzen beweisen. In Krisenzeiten ist das besonders schwierig.
Grün ist die Hoffnung
Mit seinen versprochenen Reformen konnte Macron bislang nicht überzeugen und eckt bei verschiedenen Gruppierungen massiv an, zuletzt mit der Einführung einer Ökosteuer auf fossile Kraftstoffe, die die Gelbwestenbewegung in Gang setzte. Das Thema Klimakrise und Klimaschutz hat die LREM bislang nur halbherzig angepackt. Da konnte auch Macrons Idee eines Bürgerrats zu mehr Beteiligung an der Klimaschutzpolitik nicht mehr rechtzeitig überzeugen.
Der Präsident hat nun angekündigt, über seinen politischen Kurs nach der Coronavirus-Pandemie zu entscheiden. Als Konsequenz aus der Wahlschlappe für Macrons Partei wird eine Regierungsumbildung erwartet.
Die Kommunalwahlen gelten als Stimmungstest für die Präsidentschaftswahl in zwei Jahren. Le Pen will Präsident Macron herausfordern. Sie hat nun Konkurrenz bekommen – die Grünen dürften sich nun berechtigte Hoffnungen machen. In Städten wie Besançon, Strasbourg oder Lyon könnte nun ein grüner Machtwechsel anstehen, berichtete der TV-Sender France 2 nach der Wahl. Grenoble ist bisher die einzige große Stadt in Frankreich, die einen grünen Bürgermeister hat. na