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Schädlich für den KlimaschutzEnergieexperten fordern Austritt aus der Energiecharta

Kohlekraftwerk in Deutschland
Fossile Brennstoffe haben immer noch ein Anteil von 72 Prozent an der europäischen Energieversorgung. (Foto: ETA+ on auf Unsplash)

In einem offenen Brief fordern über 150 Energie- und Klimaexperten den Austritt der EU aus dem Energiecharta-Vertrag. Er steht der geplanten Anhebung des EU-Klimaziels entgegen – und damit auch dem Übergang zu einer sauberen Energieversorgung.

10.12.2020 – Es ist ein deutliches Zeichen gegen den umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT): Mit einem offenen Brief wenden sich über 150 Energie- und Klimaexperten an die Regierungen der Europäischen Union und fordern die Abschaffung des Abkommens. Der Grund: Der Energiecharta-Vertrag stehe der derzeit verhandelten Anhebung des EU-Klimaziels von 40 auf 55 Prozent CO2-Reduzierung entgegen. Die Entscheidung zu diesem wichtigen Schritt in Richtung mehr Klimaschutz der EU wird im Laufe des heutigen Tages erwartet, spätestens jedoch morgen.

Der Energiecharta-Vertrag steht schon länger in der Kritik und dient den fossilen Energiekonzernen gewissermaßen als Geheimwaffe. Denn mithilfe der Vereinbarung können Konzerne gegen Umweltauflagen und Klimamaßnahmen eines Staates klagen, wenn diese ihre Profite schmälern. Verhandelt wird nicht vor einem ordentlichen Gericht des Landes – sondern vor privaten und oft geheimen Schiedsgerichten im sogenannten Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS), das nur für transnationale Konzerne geschaffen wurde. Diese privat einberufenen Tribunale entscheiden, ob und wie viel Entschädigung einem Konzern zusteht.

Solche Schiedsgerichtsprozesse laufen oft über Jahre, allein schon die Anwaltskosten bewegen sich in Millionenhöhe. So klagt beispielsweise der schwedische Energiekonzern Vattenfall seit Jahren vor einem privaten Schiedsgericht in Washington gegen den deutschen Staat wegen des beschlossenen Atomausstiegs. Und der Energiekonzern Uniper mit Sitz in Deutschland verklagte den niederländischen Staat. Dieser hatte 2017 demokratisch entschieden, bis spätestens 2030 den Ausstieg aus der Kohle zu vollziehen.

Die Klimakatastrophe duldet keinen Aufschub

In ihrem offenen Brief bemängeln namhafte Energie- und Klimaexperten, wie zum Beispiel Martin Cames, Energie- und Klimachef des Öko-Instituts, Gregor Hagedorn, Akademischer Direktor am Naturkundemuseum oder Eicke R. Weber, Vorsitzender European Solar Manufacturing Council (ESMC), dass fossile Brennstoffe noch immer 72 Prozent der europäischen Energieversorgung ausmachen. Um die Klimakatastrophe noch abwenden zu können, müsse dies drängend geändert werden. Deshalb fordern die Unterzeichner einen schnellen Übergang zu einem fossilfreien Energiesystem.

Dabei sei der Energiecharta-Vertrag ein großes Hindernis, da er Investitionen in die fossile Energieversorgung, einschließlich Kohlebergwerke, Öl- und Gasförderung, Pipelines, Raffinerien und Kraftwerke, schütze. Nahezu jede staatliche Maßnahme, die sich auf den erwarteten Gewinn der Investoren auswirkt, könne durch die Unternehmen angefochten werden. Dadurch werde der Übergang in ein emissionsarmes Zeitalter deutlich verlangsamt.

Allein die Androhung derartiger Schiedsgerichtsprozesse könne schon ausreichen, um Regierungen von der Gesetzgebung im öffentlichen Interesse abzubringen. Deshalb sei der Vertrag über die Energiecharta ein Haupthindernis für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und des Europäischen Green Deals, bemängeln die Energie- und Klimaexperten in dem Schreiben.

Die Forderungen der Unterzeichner

  • Rücktritt vom EnergiechartaVertrag, er ist veraltet. Der laufende Reformprozess des Vertrags (als Modernisierung bezeichnet) darf nicht als die Begründung gegen einen Rückzug aus dem Abkommen verwendet werden.
  • Es muss gemeinsam eine Vereinbarung zur Beendigung der „Verfallsklausel“ erarbeitet werden. Diese ermöglicht es Anlegern, Regierungen auch nach 20 Jahren noch zu verklagen, selbst wenn diese sich bereits aus dem ECT zurückgezogen haben.
  • Der EnergiechartaVertrag darf nicht international ausgebaut werden. Derzeit werden Dutzende afrikanische, asiatische und lateinamerikanische Länder dazu ermutigt, dem Abkommen beizutreten. Diese Expansion muss gestoppt werden.

Die Klimakrise toleriert keine weiteren Verzögerungen, mahnen die Unterzeichner des offenen Briefes. Deshalb müssten die Regierungen nun in einem wesentlichen ersten Schritt aus dem Energiecharta-Vertrag austreten – wenn sie als führend beim Engagement gegen den Klimawandel angesehen werden wollen. jk


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