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EnergiemarktEuropas Umgang mit extrem hohen Energiepreisen

Baustelle einer Gaspipeline bei Forchheim
Die gegenwärtig hohen Energiepreise werden vor allem von den Gaspreisen getrieben. (Foto: Vuxi auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Die EU-Kommission hat Vorschläge gemacht, wie die stark gestiegenen Großhandelspreise für Gas und Strom von den Mitgliedsstaaten zeitlich befristet abgefedert werden können. Es geht um Entlastungen für Verbraucher und Unternehmen.

15.10.2021 – Die Vorschläge der Europäischen Kommission sind noch nicht beschlossen, stoßen aber auf positive Reaktionen.  Nächste Woche werden die EU-Staats- und Regierungschefs über die Maßnahmen beraten. Mit dem Toolkit will die EU die Entwicklung an den Energiemärkten stoppen. Stark gestiegene Großhandelspreise für Strom und Gas drohen, Unternehmen in die Knie zu zwingen und Verbraucher in die Energiearmut zu führen.

Kurzfristig: Direkt-Transfers und Steuersenkungen

Den Mitgliedsstaaten sollen unter anderem Geldtransfers an einkommensschwache Haushalte ermöglicht werden, zum Beispiel mittels Gutscheinen oder teilweiser Kostenübernahme von Energierechnungen. Einige EU-Staaten – unter anderem Frankreich und Spanien – haben bereits solche Maßnahmen angekündigt.

Darüber hinaus sollen Zahlungsaufschübe erlaubt sein. Auch diese Maßnahme aus dem Werkzeugkasten wird bereits von nicht wenigen Energieversorgern gegenüber ihren Kunden praktiziert, berichtet der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU).

Ein zweiter Komplex betrifft Steuersenkungen. Diese könnten sowohl Verbrauchern als auch Unternehmen zugutekommen. Ihre Ausgestaltung würde den Mitgliedsstaaten obliegen. Im Gespräch sind ebenfalls gezielte Beihilfen für Unternehmen oder Branchen im Einklang mit den EU-Beihilferegeln. All diese Teile des Toolkits könnten kurzfristig implementiert werden und wirken. Wichtig hierbei: es darf keine langfristige Subventionierung für fossile Energieträger durch die Hintertür geben. Mit den Eingriffen in den Energiemarkt besteht die Gefahr, das andere Klimaschutzmaßnahmen konterkariert werden.

Unabhängigkeit von fossilen Importen schaffen

Auch mittelfristige Maßnahmen stehen zur Diskussion. Die mit dem Green Deal bereits angelegte Strategie für einen zügigen Umstieg auf eine erneuerbare Energieversorgung gelte es zu intensivieren. Investitionen in Erneuerbare Energien sollen noch einmal mehr angereizt werden, energetische Sanierungen schneller erfolgen, Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Aber auch gemeinsames europäisches Handeln ist denkbar: beispielsweise die Regeln zur Versorgungssicherheit im Hinblick auf die Gasspeicherung in Europa zu überarbeiten oder sogar zukünftig gemeinsam Gasvorräte zu beschaffen und anzulegen.

Keine übereilten Markteingriffe

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßt das Bekenntnis der EU-Kommission zur Integrität des europäischen Energiebinnenmarktes, das durch die Lösungsvorschläge der Kommission deutlich wird. BDEW-Chefin Kerstin Andreae warnt aber auch: „Übereilte Eingriffe in diesen Markt würde die Energieversorgung zwangsläufig verteuern und bergen die Gefahr, das Klima für dringend notwendige Investitionen empfindlich zu verschlechtern.“ Der BDEW teile die Analyse der EU-Kommission, dass die Preisanstiege weder auf den European Green Deal noch ein Marktversagen zurückzuführen sind, sondern aus der weltweiten Konjunkturerholung und der gestiegenen Nachfrage resultieren.

Mit Blick auf die deutschen Strompreise fordere der BDEW schon lange einen Abbau des Sockels staatlich verursachter Preisbestandteile, die über die Hälfte des Strompreises ausmachen. Insbesondere die Abschaffung der EEG-Umlage gehöre ganz oben auf die Aufgabenliste einer neuen Bundesregierung. Davon würden Privathaushalte wie Gewerbe- und Industriekunden profitieren.

Soziale Härten über Sozialpolitik auffangen

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) sieht das Maßnahmepaket ebenfalls positiv. Bne-Geschäftsführer Robert Busch kommentiert: „Dass die EU kurzfristig Werkzeuge zur Abfederung der Energiepreise zur Verfügung stellt, ist richtig. Dabei darf es allerdings nicht zu Marktverzerrungen und einseitigen Belastungen kommen.“ Manche Maßnahmen erinnerten fatal an die Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Lockdowns. Die Risiken dürften jetzt nicht wieder einseitig bei den Energieversorgern abgeladen werden. Denn wenn Kunden ihre Rechnung nicht bezahlen, drohen Energieversorgern Liquiditätsschwierigkeiten, da diese ja ihrerseits ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen müssten.

 „Eingriffe in den Energiemarkt müssen vermieden und soziale Härten in erster Linie über sozialpolitische Maßnahmen abgefedert werden. Bei allen Instrumenten muss die klimapolitische Wirkung maßgeblich sein. Bei Industrieunternehmen muss man genau hinschauen, wer einer weiteren Unterstützung bedarf und diese passgenau ausgestalten.“, fordert der bne-Geschäftsführer.

Preisanstieg ist Ergebnis fahrlässiger Energiepolitik

Michael Bloss,Berichterstatter für den EU-Emissionshandel und klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament kommentiert: „Dieser Preisschock kam mit Ansage und ist ein Ergebnis einer fahrlässigen Energiepolitik, die mit Milliardenprojekten auf Kohle oder Gas gesetzt hat. Allen voran Deutschland hat mit Nord Stream 2 die EU erpressbar gemacht und parallel blockierten immer wieder CDU und CSU im EU-Parlament den Ausbau von Sonne- und Windkraft.“

Auch Bloss findet die Vorschläge von Direkthilfen für einkommensschwache Haushalte und Betriebe richtig, kritisiert aber, dass die Kommission gleichzeitig den Geldhahn für neue Gasprojekte öffnen will. Das ließe Europa direkt in eine neue Gasfalle tappen und würde lediglich neue Investitionsruinen schaffen. Die Gelder würden bei den Erneuerbaren dringend gebraucht. pf


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