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EnergiemarktEU-Länder wollen Energiepreise stabilisieren

Europafahne und Menschen
Steigende Energiepreise betreffen ganz Europa. (Foto: Son Tung Tran / Pexels)

Die Strom- und Gaspreise in Europa sind in den letzten Monaten stark gestiegen. Einige EU-Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen auf Wirtschaft und Bürger abzufedern. Nun wird eine EU-weite Strategie diskutiert.

07.10.2021 –Der steigende Strom- und Gaspreis ist in ganz Europa deutlich zu spüren. Zwar wird langfristig eine Entspannung der Preise erwartet, doch die kurzfristigen Auswirkungen treffen die europäischen Länder unterschiedlich hart. Besonders in Südeuropa droht zunehmende Energiearmut. Um die rasant steigenden Kosten abzumildern, haben einige Länder bereits Steuersenkungen und Zuschüsse angekündigt. Ende Oktober berät die Europäische Kommission über eine Strategie für die gesamte Europäische Union. Eine europäische Gasreserve steht dabei ebenso als Idee im Raum wie Maßnahmen zur Entkopplung von Strom- und Gaspreis.

Der Preis für Strom in Europa war bereits Anfang des Jahres deutlich angestiegen. Grund hierfür war die Anhebung des CO2-Preises, durch den die fossile Stromerzeugung teurer wurde. Die derzeitigen Entwicklungen haben mit dem CO2-Emissionshandel jedoch wenig zu tun. Stattdessen sind sie Folge der rasant steigenden Erdgaspreise, die für den Strom oft preissetzend sind. Steigende Strom- und Gaspreise im Winter sind zunächst nichts ungewöhnliches, und auch ein im Vorjahresvergleich stärkerer Anstieg ließe sich mit den niedrigen Preisen in der Coronazeit erklären. Doch die Ankaufpreise klettern inzwischen auf Höhen, die sich nicht mehr so leicht mit einem Wirtschaftsaufschwung begründen lassen.

Im Interview mit der energiezukunft erklärte Oliver Hummel, Vorstand der NATURSTROM AG, wie es zu dieser Entwicklung kam.  Der kalte Winter ließ die Reserven schwinden, die Nachfrage am Weltmarkt ist gestiegen und wetterbedingt wurde in den vergangenen Monaten ungewöhnlich wenig Windenergie in Europa eingespeist.

Deutschlands Energieversorger kaufen Strom größtenteils langfristig ein. So können größere Schwankungen am Strommarkt etwas abgefedert werden.  Dennoch sind auch hier deutliche Preissteigerungen für Kunden zu erwarten. Deutschland und Frankreich haben zudem Gasspeicher, die auch beim derzeitig vergleichsweise niedrigen Füllstand eine Krise zunächst verhindern.

Länder reagieren individuell

Die stärksten Auswirkungen der Preisentwicklung sieht man zurzeit in Großbritannien. Dort stehen wenig Gasspeicher zur Verfügung, und die Preisdeckelung der Regierung hat bereits erste Energieversorger insolvent gehen lassen. Doch auch in anderen europäischen Ländern greifen Regierungen in den Energiemarkt ein.

Frankreich hat finanzielle Unterstützung für Haushalte mit niedrigem Einkommen angekündigt, ein Instrument, das bereits in den Vorjahren zum Einsatz kam. Deutlich unterscheidet sich vor allem der politische Ton von dem in Deutschland. Nachdem der Gaspreis Anfang Oktober auf neue Höhen kletterte, sagte Premierminister Jean Castex dem Fernsehsender TF1 zu, die Gaspreise bis April 2022 zu stabilisieren. Frankreich schloss sich außerdem Spanien in der Forderung nach EU-weiten Maßnahmen zur Deckelung des Strom- und Gaspreises an.

Spanien ist deutlich stärker von den Preisschwankungen betroffen, da dortige Anbieter mehr Strom kurzfristig einkaufen. Bereits im Juni hatte Spanien erste Maßnahmen ergriffen und diese bis Ende September immer weiter ausgebaut. Eine staatlich garantierte Preisgrenze und finanzielle Unterstützung für Bürger sind ebenso Teil der spanischen Strategie wie die Kassierung von Gewinnen von Stromversorgern, die ihren Strom deutlich unter dem derzeitigen Marktpreis produzieren. Auch in Italien hat die Regierung Mehrwertsteuersenkungen und drei Milliarden Euro zur Unterstützung finanziell schwacher Haushalte und kleiner Unternehmen in Aussicht gestellt. Andere EU-Staaten planen ähnliche Maßnahmen.

Politiker diskutieren gemeinsame EU-Strategie

Nationale Maßnahmen wie Steuersenkungen und finanzielle Sonderzuschüsse sind in der EU nicht immer gerne gesehen, doch EU-Energieministerin Kadri Simson ließ bereits ihre Zustimmung verlauten. Im Anschluss an eine Konferenz der EU-Energieminister Ende September hieß es, diese seien problemlos im Rahmen des EU-Rechts möglich. In den nächsten Wochen soll zudem ein Maßnahmenpaket, auch Toolbox genannt, für EU-Länder zu dem Thema erarbeitet werden.

Die Finanz- und Wirtschaftsminister der Eurozone diskutierten die Energiemarktsituation bei ihrem Treffen in Luxemburg Anfang Oktober. Vor allem Rufe aus Frankreich und Spanien nach einer EU-weiten Lösung wurden von vielen Medien aufgegriffen. Frankreich möchte den Strompreis wieder an nationale Erzeugungskosten koppeln, während Spanien für einen EU-weit gemeinsamen Ankauf von Gas plädiert.

Die beiden Strategien zielen in entgegengesetzte Richtungen: Während Spanien die EU-Energiegemeinschaft vertiefen will, möchte Frankreichs die nationalen Energiemärkte stärken. Inzwischen wurde das Strompreis-Thema auch auf die Agenda der kommenden EU-Ratssitzung am 21. und 22. Oktober gesetzt. Laut Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen soll die Idee einer europäischen Gasreserve bzw. einer EU-weiten Strategie zur Entkopplung von Strom- und Gaspreisen diskutiert werden. Wie genau eine solche Entkopplung von Strom- und Gaspreis tatsächlich aussehen wird, bleibt abzuwarten.

Raus aus der Abhängigkeit

Die derzeitigen Entwicklungen zeigen Europas Abhängigkeit von angekauftem Gas und den Ländern, die dieses liefern können. Norwegen hat bereits weitere Gaslieferungen zugesagt und erhöht seine Produktion, um den Engpass zu überbrücken. Doch Russland, Europas größter Handelspartner für Gas, hält sich mit Unterstützung zurück. Vertraglich bereits vereinbarte Mengen Gas werden zwar geliefert, aber eben nicht darüber hinaus.

Die fehlende Bereitschaft Russlands zu weiteren Gaslieferungen wird von vielen EU-Ländern kritisch gesehen. Auch die Spekulation, die formell noch ausstehende Genehmigung für die umstrittene Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 solle beschleunigt werden, kam bereits auf. Auf lange Sicht führt der Weg zur nachhaltigen Energiesicherheit Europas jedoch nicht nach Russland, sondern zum Ausbau Erneuerbarer Energien vor Ort. Erneuerbare produzieren schon heute günstiger Strom und Wärme, und je schneller Erneuerbare ausgebaut werden, desto unabhängiger wird Europa von hohen und volatilen Gas- und folglich Strompreisen am Weltmarkt. jb


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