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Vertagen statt beschließenIm Klimakabinett nichts Neues

Kohlekraftwerk
Zumindest der Kohleausstieg kommt in Deutschland – früher oder später. (Foto: Viktor Kiryanov auf Unsplash)

Keine Einigung in Sicht: Statt den Weckruf der Europawahl zu hören, streitet die GroKo beim Klimaschutz weiter. Das zweite Treffen des Klimakabinetts endet mit magerem Ergebnis. Wichtige Entscheidungen werden vertagt, alte Maßnahmen als neu verkauft.

03.06.2019 – Diese Chance hätte die Große Koalition für sich nutzen können – nein, sogar müssen. Union und SPD haben bei der Europawahl zusammen fast 18 Prozent an Stimmen verloren, die Grünen hingegen ein Rekordergebnis von über 20 Prozent verbucht. Der Wunsch der Bevölkerung nach mehr Klimaschutz ist damit mehr als deutlich geworden. Optimistisch hätte man deshalb erwarten können, dass die GroKo das zweite Treffen des sogenannten Klimakabinetts nun als Befreiungsschlag nutzen könnte um den Menschen zu zeigen: wir haben es verstanden, wir bringen das Thema Klimaschutz nach oben auf die Agenda.

Doch daraus ist nichts geworden. Die für den Klimaschutz wirklich wichtigen Entscheidungen wurden bis zum September vertagt, die Koalitionsparteien wirken zerstrittener denn je. Man hat sich dazu entschieden, einfach so weiterzumachen, wie bisher. So unterbreiteten die Minister der Ressorts, die einen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen Deutschlands haben, ihre Vorschläge zur Erreichung der Klimaziele für 2030. Große Überraschungen gab es dabei nicht.

CO2-Preis? Klimaneutralität? Fehlanzeige!

Einen CO2-Preis wird es erst einmal nicht geben. Die Entscheidung darüber wurde auf Juli verschoben wenn die Ergebnisse eines in Auftrag gegebenen Gutachtens vorliegen. Klimaneutralität bis 2050? Neun andere Staaten der EU haben sich dazu vor ein paar Wochen auf dem EU-Gipfel im rumänischen Sibiu verpflichtet. Doch Deutschland bleibt lieber vorsichtig und schließt sich der Initiative nicht an – zumindest vorerst.

Neuigkeiten zu einem Klimaschutzgesetz gibt es ebenfalls nicht. Dabei hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Montag versucht, den Druck zu erhöhen und auf eine rasche Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes gedrängt. Entgegen dem Willen des Kanzleramts leitete sie die entsprechende Ressortabstimmung ein. Bisher stieß Schulze mit ihrem Vorhaben bei den zuständigen Ministern der betroffenen Ressorts jedoch auf Ablehnung. Neben der Energiewirtschaft wäre davon auch der Verkehrs- und Gebäudebereich in Deutschland, die Industrie, Land-, Forst- und Abfallwirtschaft betroffen.

Verkehrsministerium legt Maßnahmenpaket vor

Während in der Energiewirtschaft in erster Linie der Kohleausstieg ausreichend Treibhausgase einsparen soll, hat Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) beim Klimakabinettstreffen nun seine Pläne zur Emissionsreduzierung des Verkehrssektors dargelegt. Seiner Meinung nach funktioniere aktiver Klimaschutz in der Verkehrspolitik nur durch „erlauben, erleichtern und ermöglichen“, nicht jedoch durch „verbieten, verteufeln und verteuern“. Dafür plane sein Ministerium ein umfangreiches Maßnahmenpaket.

Einige der im Maßnahmenpaket aufgelisteten Versprechungen waren allerdings schon im Vorfeld bekannt, wie etwa die Senkung der Mehrwertsteuer für Fernreisen mit dem Zug von 19 auf 7 Prozent. Dass die Fahrradschnellwege ausgebaut werden ist ebenfalls genauso wenig revolutionär wie die Schaffung „fahrradfreundlicher Rahmenbedingungen“.

Für eine saubere Mobilität brauche es mehr Wasserstoff, das sei gut fürs Klima, so Scheuer. Deshalb soll in den nächsten Jahren viel Geld in ein Aufbauprogramm alternativer Kraftstoffe fließen. Als weitere Maßnahme sieht das Verkehrsministerium eine stärkere Förderung des ÖPNV vor, jährlich soll dieser mit einer Milliarde Euro gefördert werden.

Kaufprämie für E-Autos wird verdoppelt

Zudem soll der E-Mobilitätsmarkt weiter angekurbelt werden. Erreichen will Scheuer dies vor allem durch eine Erhöhung der Kaufprämie für Elektroautos, die es bereits gibt. Käufer von Fahrzeugen, die weniger als 30.000 Euro kosten, sollen demnach statt bisher 2.000 Euro künftig immerhin 4.000 Euro erhalten. Umweltfreundliche Taxen und leichte Nutzfahrzeuge sollen zukünftig mit bis zu 8.000 Euro unterstützt werden. Damit auch die Ladeinfrastruktur zügig ausgebaut werden kann, sollen zusätzlich eine Milliarde Euro fließen.

Landwirtschaftsministerium wenig ambitionslos

Wenig bahnbrechend wirken auch die vom Landwirtschaftsministerium im Klimakabinett vorgestellten Maßnahmen. Es wurden schlichtweg die gleichen Pläne auf den Tisch gelegt, die schon seit Monaten im Gespräch sind. Eine Reduzierung der Lebensmittelabfälle wäre natürlich wünschenswert, sorgt bei Umweltorganisation allerdings genauso wenig für Freudensprünge wie eine verstärkte Nutzung von Gülle in Biogasanlagen – zumal das Öko-Institut die Maßnahmen längst als unzureichend abgestempelt hat. So soll es zukünftig die Digitalisierung richten und einen wichtigen Beitrag für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft leisten.

Und der Immobiliensektor? Schließich machen Gebäude in Deutschland rund 30 Prozent aller Treibhausgasemissionen aus. Der zuständige Bundesbau- und Innenminister Horst Seehofer (CSU) gab bei dem Treffen am vergangenen Mittwoch bekannt, dass für die energetische Gebäudesanierung steuerliche Erleichterungen geplant seien. Pro Jahr sollen hierfür Ausgaben in Höhe von einer Milliarde Euro vorgenommen werden.

Damit fällt das Resümee für das zweite Treffen des Klimakabinetts leider erneut alles andere als positiv aus. Beim Thema Klimaschutz ist der politische Diskurs derzeit von Zurückhaltung geprägt. Wichtige Entscheidungen werden aufgeschoben, die derzeit so starke Fridays for Future-Bewegung versucht man auszusitzen. Jedoch scheint die Protestbewegung nicht an Stärke zu verlieren – im Gegenteil. Sie findet immer größeren Zuspruch, bekommt immer neue Unterstützung. Deshalb könnte der Druck auf die Bundesregierung in den Sommermonaten weiter steigen. Entscheidungen zu wichtigen Themen wie CO2-Preis, Klimaneutralität und Klimaschutzgesetz könnten dann im September nicht noch weiter aufgeschoben werden. jk


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