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European Green DealKlimawende gerecht gestalten

Frau mit Schild bei Demonstration
Eine gerechte Klimawende braucht eine geschlechtergerechte Politik. (Bild: StockSnap / pixabay)

Eine gerechte Klimawende muss die unterschiedlichen Bedürfnisse von Männern und Frauen berücksichtigen. Auch grüne Politik ist noch viel zu oft geschlechterblind. Ein Policy Paper empfiehlt Schritte für eine Klimapolitik für alle.

14.03.2022 – Die Klimakrise wirkt sich auf Männer und Frauen unterschiedlich aus. Für eine gerechte Klimawende ist es deshalb notwendig, diese verschiedenen Bedürfnisse und Herausforderungen zu berücksichtigen. Bisher sei das jedoch nicht der Fall, kritisiert nun ein von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenes Policy Paper. In „Ein feministischer European Green Deal. Auf dem Weg zu einem ökologischen und geschlechtergerechten Wandel“ untersuchen Autorinnen der gemeinnützigen Organisationen Women Engage for a Common Future (WECF) und European Environmental Bureau (EEB) die geschlechterspezifischen Konsequenzen der Klimakrise. Sie beleuchten dabei besonders die Bereiche Transport, Landwirtschaft und Energie und empfehlen Schritte für eine feministische Klimapolitik für alle.

Was uns am Leben hält, gehört auch ins Wirtschaftsmodell

Als der European Green Deal 2019 vorgestellt wurde, war er geschlechterblind. Geschlechtergerechtigkeit spielte keine Rolle, und dass, obwohl Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Gleichstellung zu einer politischen Priorität erklärt hatte. Dies änderte sich teilweise, als 2020 die europäische Gleichstellungsstrategie verabschiedet wurde. Bei der folgenden Entwicklung von Gesetzen und Strategien des Green Deal wurden Gleichstellungsbelange so in einigen Bereichen miteinbezogen. Dies sei begrüßenswert, doch die Klima- und Umweltpolitik der Europäischen Union sei noch weit davon entfernt, Geschlechtergerechtigkeit systematisch zu integrieren. In vielen Bereichen werden geschlechtsspezifische Bedürfnisse noch immer vollständig ausgeblendet, in anderen werde eine fehlende Datenlage beklagt, ohne Verbesserungsmaßnahmen vorzuschlagen.

Die rechtliche Lage von Frauen hat sich zwar in vielen europäischen Ländern in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Doch die sozioökonomische und politische Realität ist noch immer von starker Ungleichheit geprägt. Frauen sind weiterhin nicht gleichwertig an Entscheidungen und Gestaltung in Politik und Wirtschaft beteiligt. Besonders Bedürfnisse, Lebens- und Einkommensunterschiede, die sich aus der Übernahme von Sorgearbeit ergeben, bleiben oft unsichtbar.

Denn Sorgearbeit wird noch immer überwiegend von Frauen geleistet und dabei im derzeitigen Wirtschaftsmodell systematisch unterbewertet. Getrennt wird produktive Arbeit, in der Marktgüter und Dienstleistungen gehandelt werden, und reproduktive Arbeit. Letztere umfasst weitgehende Fürsorgetätigkeiten und wird wenig oder gar nicht vergütet. Hier verlaufe eine Parallele zu ökologischen Prozessen, argumentieren die Autorinnen des Policy Paper. Denn sowohl Sorgearbeit als auch Umwelt gehören zum Rahmen der Lebenserhaltung, die im gegenwärtigen Marktmodell schlicht nicht einkalkuliert, sondern als unerschöpflich vorhanden vorausgesetzt werden.

Männer und Frauen begegnen unterschiedlichen Herausforderungen

Untersucht wurden die Bereiche Transport, Energie und Landwirtschaft des European Green Deal. Jeder dieser drei Bereiche trägt maßgeblich zum CO2-Budget bei und ist noch immer stark von Männern dominiert. Dementsprechend sind auch die Bedürfnisse von Frauen seltener vertreten. Im Transportsektor gehören hierzu die unterschiedlichen Mobilitätsgewohnheiten von Frauen. Sie ergeben sich oft daraus, dass Kinder oder Angehörige versorgt werden müssen, und finden auch außerhalb der traditionellen Arbeitszeiten statt. Frauen sind öfter mit Kindern unterwegs und begegnen entsprechenden Herausforderungen im öffentlichen Nahverkehr und auf der Straße. In der Landwirtschaft arbeiten Frauen noch immer deutlich häufiger als unbezahlte Familienangehörige oder als gering bezahlte Arbeiterinnen. Frauen sind überdurchschnittlich oft von Energiearmut betroffen und seltener Teil von Energiegenossenschaften, obwohl sie Prosumermodelle befürworten. Studien legen nahe, dass Frauen zum einen die Energiewirtschaft noch immer oft als Männerdomäne wahrnehmen und zum anderen durch die Sorgearbeit schlicht weniger Zeit haben, sich in Genossenschaften zu engagieren.

In den nachhaltigeren Bereichen der genannten Wirtschaftszweige sind Frauen zwar noch immer weniger, aber im Vergleich zum ganzen Sektor trotzdem häufiger vertreten. So arbeiten deutlich mehr Frauen in der Erneuerbaren als in der Fossilen Energiewirtschaft. Das gleiche gilt für die ökologische im Gegensatz zur traditionellen Landwirtschaft. Frauen nutzen zudem öfter öffentliche Verkehrsmittel oder gehen zu Fuß und besitzen seltener ein Auto. Eine Stärkung der Position und Belange von Frauen könnte so maßgeblich dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsziele gesamtgesellschaftlich voranzubringen.

Grundsätzlich zeigt die Forschung, dass Frauen stärker dahingehend sozialisiert sind, sich um ihre Mitmenschen und Umwelt zu kümmern. Daraus resultiert öfter auch ein umweltbewusstes Verhalten. Für Männer wirkt sich dies umgekehrt aus. Empathisches und rücksichtsvolles Verhalten werde eher abgewertet als gefördert. Jüngste Studien haben dem Policy Paper zufolge auch gezeigt, dass Männer im Durchschnitt mehr CO2-Emissionen verursachen, was vor allem auf einen höheren Kraftstoff- und Fleischkonsum zurückzuführen sei.

Wie eine geschlechtergerechte Klimawende aussehen könnte

Die Strategien und Maßnahmenpakete des Green Deal adressieren die unterschiedlichen Geschlechterbelange nur unzureichend, kritisiert das Policy Paper. Struktureller Benachteiligung innerhalb der Sektoren müsse entgegengewirkt und Bedürfnisse von Frauen stärker eingebunden werden. Dafür brauche es zunächst eine bessere Datenlage. In den betreffenden Bereichen sollten geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselte Daten erhoben und entsprechende Förderungen und Folgeabschätzungen integriert werden. Diversität sollte stärker gefördert, und einschränkenden Geschlechterrollen entgegengewirkt werden. Bei politischen Entscheidungen und der Ausarbeitung von Maßnahmen sowie Klimaverhandlungen sollte zudem stärker auf Parität geachtet werden.

Durch den geringen Frauenanteil in den Branchen wird zudem eine Menge Potenzial vergeben, denn Studien zeigen immer wieder, dass gemischte Teams und Frauen in der Führungsspitze Firmen nachhaltig erfolgreicher machen. All diese Faktoren, die entscheidend dazu beitragen, wie Nachhaltigkeit in der Gesellschaft gestaltet und gelebt werde, sind bisher jedoch noch viel zu selten Teil einer klimabewussten Politik. Julia Broich


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