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EnergiewendeKritik an der neuen Kraftwerksstrategie

Gas, Methan, Wasserstoff, Energiewende
Was soll künftig durch die Rohre fließen? Die Umstellung von Gas auf Wasserstoff ist nicht einfach und könnte noch lange dauern. (Foto: Antonio Vivace on Unsplash)

Die Bundesregierung hat sich auf eine Strategie geeinigt, womit der Bau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke angereizt werden soll. Umweltverbände kritisieren die Verlängerung der Frist für den Umstieg auf Wasserstoff und die CCS-Lösung.

06.02.2024 – Die Bundesregierung hat gestern die wesentlichen Elemente einer Kraftwerksstrategie sowie Festlegungen zu weiteren Vorhaben vereinbart. „Die Kraftwerksstrategie nimmt nun endlich Fahrt auf, die Bundesregierung muss aber anerkennen, dass Erneuerbare mittlerweile systemsetzend sind und der Ausgleich für Sonne und Wind deshalb am besten mit einem dezentralen erneuerbaren Back-up gelingt“, kommentierte die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. (BEE) Simone Peter das Ergebnis.

Der Paradigmenwechsel von der überholten Struktur fossiler und atomarer Großkraftwerke und Grundlast hin zu Flexibilität und Dezentralität müsse sich auch in der Kraftwerksstrategie widerspiegeln. Zusammen mit dem Strommarktdesign sollte nun eine Flexibilitätsstrategie erarbeitet werden. Das Papier der Bundesregierung skizziere bisher nur den Rahmen.

„Jetzt müssen zügig und in Zusammenarbeit mit den Verbänden die Detailfragen geklärt werden“, so Peter. „Wir brauchen no-regret Maßnahmen, um flexible erneuerbare Kapazitäten zur Verfügung stellen zu können. Die Technologieoffenheit ist in dieser Hinsicht zu begrüßen.“

Keine fossilen Überkapazitäten schaffen

Dass die auszuschreibenden Kapazitäten für H2-ready-Gaskraftwerke verringert wurden, sei richtig, meint Peter. Der BEE warne im Rahmen der Diskussionen um die Kraftwerksstrategie schon lange vor fossilen Überkapazitäten.

Die Verlängerung der Frist für den Umstieg auf Wasserstoff lehnt der BEE aber deutlich ab. „Neue fossile Gaskraftwerke müssen bis spätestens 2035 auf Wasserstoff umgestellt werden. Die Verlängerung auf ein Umstiegsdatum zwischen 2035 und 2040, wie sie die Kraftwerksstrategie vorsieht, ist nicht mit den Klimazielen vereinbar“, so Peter.

Klimafreundliche Flexibilitätspotenziale nutzen

„Bei den Ausschreibungen sind im Sinne der Kosteneffizienz, der dauerhaften Versorgungssicherheit, der Klimaneutralität und der Resilienz alle verfügbaren klimafreundlichen Flexibilitätspotenziale zu berücksichtigen, also vor allem die steuerbaren Quellen Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, zudem grüne Kraft-Wärme-Kopplung, Speicher und Power-to-X“, so Peter. Allein die Bioenergie könne durch Leistungssteigerung kurzfristig bis 2030 zwölf Gigawatt (GW) und bis 2045 sogar 24 GW an steuerbarer Leistung zur Verfügung stellen – und das zu deutlich geringeren Kosten. Bei der Standortwahl spricht sich der BEE klar für ein dezentrales System aus: „Die Standorte der neuen Kraftwerke müssen systemdienlich und verbrauchsnah ausgewählt werden“, so Peter.

Die Förderung der systemdienlichen Nutzung von Elektrolyseuren, die Absage an die Doppelbelastungen bei Speichern und Elektrolyseuren sowie Nutzung von Überschussstrom statt Abschaltung seien explizit zu begrüßen, ebenso, dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die in der Kraftwerksstrategie enthaltenen Kraftwerke substanziell beschleunigt werden sollen.

CCS – Frontalangriff auf die Energiewende

Überraschend hatten sich Teile der Ampel-Koalition im Rahmen der Gespräche für die Erlaubnis von Carbon Capture and Storage, kurz CCS, bei Erdgas-Kraftwerken eingesetzt. CCS beschreibt die Abscheidung von CO₂ bei Industrieprozessen oder der Energiegewinnung, um das CO₂ anschließend in tiefen Gesteinsschichten zu verpressen. Die Einigung der Bundesregierung sieht vor, „die CO₂-Abscheidung und -speicherung für Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern (...) im Rahmen der Carbon-Management-Strategie (...)“ aufzugreifen.

Kernfusion und CO₂-Abscheidung und -speicherung für Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern seien teure Experimente, die mit dem Ausbau der Erneuerbaren und der Sektorenkopplung zudem nicht mehr gebraucht würden, kritisiert der BEE. Auch die Brücke blauer Wasserstoff führe zu Fehlanreizen. Allein grüner Wasserstoff, überwiegend heimisch und dezentral produziert, verbinde Klimaschutz mit Wertschöpfung und Versorgungssicherheit, so Peter. Hier müsse der Fokus zudem auf der Versorgung der Industrie liegen.

Erreichen der Klimaneutralität mit CCS massiv gefährdet

Ein breites Bündnis von Umweltverbänden kritisierte die Einigung der Ampel-Spitzen scharf, im Rahmen der Kraftwerksstrategie nun auch CCS-gestützte Gaskraftwerke ermöglichen zu wollen. Mit ihrer Entscheidung öffne „die Bundesregierung die Büchse der Pandora“ und ziehe die Abhängigkeit von fossilem Erdgas für die Energieerzeugung unnötig in die Länge.

Wie der BEE fordern auch sie, dass die Schaffung von gesicherter Leistung im Rahmen der Kraftwerksstrategie konsequentauf grünen Wasserstoff ausgerichtet werden müsse – um den Kohleausstieg bis 2030 nicht zu gefährden. Die angekündigte Aufnahme von Erdgas-CCS in die Carbon Management Strategie sei ein Frontalangriff auf die Energiewende.

Energiewende nicht ausbremsen, Abhängigkeiten nicht verlängern

„CCS im Energiesektor zu ermöglichen, war bisher zu Recht politisch ausgeschlossen, denn es verlängert Abhängigkeiten von fossilen Importen aus Ländern wie Katar oder den USA und bremst die Energiewende aus. Wenn wir jetzt in CCS-Anlagen investieren, werden diese über Jahrzehnte genutzt“, warnen die Organisationen.

Industrie und Gesellschaft bräuchten dringend Planungssicherheit und einen realistischen und finanzierbaren Fahrplan. „Es ist ein Widerspruch in sich, dass die FDP alle Ministerien auf einen Sparkurs einschwört, jetzt aber dennoch ineffiziente und überflüssige Investitionen in neue fossile CCS-Infrastrukturen fordert. Wir appellieren an die Bundesregierung, sich nicht vor den Karren der Gaslobby und der Lieferländer spannen zu lassen. Die Bundesregierung müsse endlich Konsequenz zeigen und diesen fossilen Irrweg verlassen, fordern die Umwelt-Organisationen. na


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