Menü öffnen

BeihilferechtNeue EU-Regeln erschweren Energiewende

Atomium: Skulptur eines Atoms
Das Atomium ist ein Wahrzeichen von Brüssel. Es steht als Symbol für die friedliche Nutzung der Kernenergie. Zwar emittieren Kernkraftwerke wenig Emissionen, aber können dennoch nicht als nachhaltig gelten. Die enormen Risiken und Gesundheitsgefahren bürden zukünftigen Generationen eine inakzeptable Last auf. (Foto: PxHere)

Ab 2022 sollen neue Leitlinien für staatliche Beihilfen in den EU-Mitgliedsländern gelten. Der vorliegende Entwurf könnte dem Zubau Erneuerbarer Energien eine strukturelle Bremse verpassen. Auch die Ausschreibungsgrenzen sollen herabgesetzt werden.

04.08.2021 – Welche Fördergelder und Beihilfen die europäischen Staaten in ihren Ländern gewähren dürfen, wird auf europäischer Ebene entschieden. Nicht alles ist erlaubt – denn ein fairer Wettbewerb, in dem alle Akteure die gleichen Chancen haben, soll überall in der europäischen Union gewährleistet sein. Die Leitlinien für staatliche Beihilfen in den Bereichen Klima, Umweltschutz und Energie werden gerade neu gefasst. Nach den darin formulierten Prämissen wird die Wettbewerbskommission künftig die Beihilfen der einzelnen Staaten beurteilen.

Schon die jetzigen Regeln waren nicht immer kompatibel mit den Ideen des Gesetzgebers hierzulande. Nachjustierungen verabschiedeter Gesetze waren die Folge. Doch der Entwurf der neuen Leitlinien wartet mit einigen Überraschungen auf, die dem Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht gerade den Weg ebnen.

Kein Vorrang für Ausbau der Erneuerbaren Energien mehr

Wurde in den Leitlinien von 2012 dem Ausbau der Erneuerbaren Energien ein Vorrang eingeräumt, verschwinden diese nun unter „ferner liefen“. Vor dem Ziel der Treibhausgasminderung sind zukünftig alle Wege und Mittel gleichgestellt – auch die Verpressung von Kohlendioxid unter der Erde oder die Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas können die Mitgliedsstaaten zukünftig fördern, wenn damit Emissionen reduziert werden.

„Die Förderung Erneuerbarer Energien in einem weit gefassten technologieoffenen Rahmen, der lediglich auf das Kriterium der THG-Minderung abstellt, lässt die erneuerbaren Technologien als wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme und zentrale Säule der Energiewende fast zweitrangig erscheinen“, kommentiert Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie e.V. (BEE). Sie sieht die Gefahr von Lock-in-Effekten. Fossile Technologien würden künstlich im Markt gehalten und damit langfristig der Modernisierung der Wirtschaft entgegenstehen.

Ausschreibungen künftig schon ab 200 Kilowatt Leistung geplant

Ein zweites Hemmnis entsteht durch die geplante Absenkung der Ausschreibungsgrenzen für Erneuerbare-Energien-Projekte. Diese Grenze wird nicht in den Leitlinien selbst formuliert, sondern durch die Hintertür – einen Querverweis auf die Richtlinien zum EU-Energiebinnenmarkt. Zunächst sollen alle Erneuerbaren Projekte ab einer Leistung von 400 Kilowatt ihren Preis über Ausschreibungen ermitteln, ab 2026 soll die Grenze auf 200 Kilowatt abgesenkt werden.

Diese Vorgabe trifft vor allem das Segment der Photovoltaikanlagen auf Gewerbedächern. Das mit dem EEG 2021 neu eingeführte Ausschreibungssegment für solare Dachanlage entfaltet bereits seine negative Wirkung: In der Leistungsklasse zwischen 300 und 750 Kilowatt sank im Mai und Juni dieses Jahres der Neubau um mehr als die Hälfte.

Weil für Teilnehmer an einer Auktion bereits im Vorfeld Kosten entstehen und Risiken nicht in einem Portfolio verschiedener Projekte gestreut werden können, werden kleinere und mittlere Unternehmen und Bürgerenergiegesellschaften durch niedrige Ausschreibungsgrenzen benachteiligt. Die Akteursvielfalt und damit die Akzeptanz droht verloren zu gehen – doch dieser qualitative Aspekt steht nicht im Zielkatalog der Wettbewerbshüter.

Nach Meinung von Peter widerspricht damit der Entwurf auch dem Ziel der Kommission, allen europäischen Bürgern den Zugang zum Eigenverbrauch zu ermöglichen: „Solange die Mitgliedstaaten den Eigenverbrauch in Ausschreibungen verbieten können, wird die Ausweitung der verpflichtenden Teilnahme an Auktionsverfahren direkt zu einer Reduzierung des Eigenverbrauchs führen und damit die Bürgerenergie ausbremsen. Dabei ist sie der Schlüssel für die Akzeptanz der Energiewende.“

Weitreichende Wirkung ohne weitreichende Beteiligung

Bedenkt man, welch weitreichende Wirkung die Leitlinien entfalten können, steht zudem die Frage im Raum, inwieweit sie einem demokratischen Findungsprozess unterliegen. Denn dieser ist im Moment wenig sichtbar. Die Leitlinien sind die Arbeitsgrundlage und der Kriterienkatalog der Wettbewerbskommission und werden von dieser selbst aufgestellt. Werden sie verabschiedet, gelten sie – ohne weitere andere Gremien durchlaufen zu müssen. Dass der vorliegende Entwurf zur Stellungnahme an Verbände und Organisationen übergeben wurde, ist ein freiwilliger Dialogprozess. Ab 2022 sollen die neuen Leitlinien gelten. pf


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft