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Hambacher WaldRitterschlag vom Kölner Verwaltungsgericht

Aktivist:innen aus dem Hambacher Wald stehen auf einem Campgebäude mit einer Fahne "Hambi bleibt"
Am 05. Oktober 2018 untersagte das Oberverwaltungsgericht Münster schließlich die geplante Rodung. Die für die Rodung durchgeführte Räumung war der größte Polizeieinsatz in der Geschichte NRWs. (Bild: Clemens Weiß)

Die Räumung im Hambacher Wald 2018 aus Brandschutzgründen war nur vorgeschoben. Nun hat das Kölner Verwaltungsgericht dies rechtlich bestätigt. Geklagt hatte ein Mensch*, der von der Räumung direkt betroffen war. Wir haben mit ihm gesprochen.

10.09.2021 – Wie hast du die Räumung im September 2018 im Hambacher Wald erlebt?

Daran habe ich noch immer zu knabbern. Wir wurden ja schon Wochen vor der eigentlichen Räumung belagert. Zu der Zeit teilte ich mir mit einem Menschen namens Elf die Verantwortung für ein Baumhaus. Elf hatte eine Tumorerkrankung und wir mussten unter großen Schwierigkeiten Medikamente in den Wald schaffen. Als die Räumung dann anfing war ich viel außerhalb des Waldes mit Rechtshilfe beschäftigt. Bei der Räumung von Elf aus dem Baumhaus war ich leider nicht dabei, aber später wurde ich ebenfalls aus einem anderen Baumhaus geräumt.

Diese ganze Zerstörung und Verluste waren sehr einschneidend. Elf und noch ein*e weitere*r Freund*in sind sogar unter wesentlichem Einfluss der Räumung später verstorben, weshalb wir nicht nur von einem sondern drei Toten sprechen, die diese Räumung verursacht hat. Bezüglich der Räumung läuft auch noch ein Strafverfahren gegen mich wegen vermeintlichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, das am 21. Oktober in die Berufungsverhandlung geht. Ich hoffe, dass das Urteil von dieser Woche hilft, denn meine Handlungen können nicht strafbar sein, wenn die dahinterstehende Vollstreckungsmaßnahme rechtswidrig ist.

Wann und warum hast du dich zu der im Endeffekt erfolgreichen Klage entschlossen?

Elf berichtete mir, dass eine Räumungsverfügung, die von den Vollstreckungsbeamten vor einer Räumung verlesen werden muss, gar nicht hörbar war, bevor es vom Baumhaus geholt wurde. Vor diesem Hintergrund habe ich Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln gestellt. Das war im Oktober 2018. Das Gericht hat sich dann tiefer in die Akten eingelesen und festgestellt, dass die komplette Räumungsverfügung juristisch anfechtbar ist. Konkret hatte das Gericht die Akten vorliegen, die vom Bauamt in Kerpen geführt wurden – unter anderem mit der Weisung aus dem Bauministerium NRWs an die Stadt Kerpen zur Räumung des Waldes und dem E-Mailverkehr zwischen den Behörden.

Dabei handelt es sich um die Weisung, die Baumhäuser aufgrund von Mängeln beim Brandschutz zu räumen, richtig?

Genau, aber das Gericht hat in seiner Urteilsverkündung auch festgestellt, dass aus der Weisung des Ministeriums erkennbar hervorgehe, dass die Räumungsaktion letztlich der Entfernung der Braunkohlegegner aus dem Hambacher Forst gedient habe. Es wurde in der Weisung auch mit der Entfernung vermeintlich krimineller argumentiert. Darüber hinaus stellten die Richter fest, dass vermeintlicher Brandschutz nicht pauschal für alle Anlagen im Hambacher Forst gelten kann. Man hätte vorher prüfen müssen welche Anlagen bauliche Anlagen im Rechtssinne seien. Denn Brandschutz gilt nur für bestimmte Aufenthaltsräume, nicht aber zum Beispiel für einzelne Plattformen ohne Dach oder Hängebrücken, die letztendlich auch geräumt wurden.

Was ging aus dem E-Mailverkehr zwischen den Behörden hervor?

Die Stadt Kerpen lehnte einen Antrag zur Räumung nach dem Baurecht zuerst ab. Diese sei Zweckentfremdung des Baurechts und damit Rechtsmissbrauch. Erst die Weisung aus dem Bauministerium nötigte die Stadt Kerpen aktiv zu werden. Zwar war die Stadt Kerpen als vollstreckende Behörde nun Beklagte in diesem Verfahren, aber im Endeffekt musste sie in dem Prozess die Position der Landesregierung vertreten.

Derweil machte die Richter besonders eine E-Mail des Bauministeriums an die lokalen Behörden stutzig. Vor dem Hintergrund der Klage des BUND vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen den Hautbetriebsplan von RWE war absehbar, dass Rodungsmaßnahmen, wenn überhaupt, erst Mitte Oktober starten können. Und das Bauministerium kommunizierte, dass man deswegen die Räumung auch um ein paar Tage verschieben könne. Das war für die Richter ein weiterer Beweis, dass das Baurecht nur vorgeschoben war.

Du hast die Klage gegen die Stadt Kerpen ohne rechtlichen Beistand geführt, besitzt du einen juristischen Background?

Ich habe kein Jura studiert. Mir macht es aber Spaß mich in Rechtsgebiete reinzufuchsen, von denen wir betroffen sind. Ich würde mich als Juranerd bezeichnen. Bei einer Verwaltungsklage sind Kläger und Beklagte gleichermaßen verantwortlich für den Fortgang des Verfahrens. Das läuft vor allem erstmal über Schriftsätze, die ausgetauscht werden. Nur bei wichtigen und komplizierten Verfahren wird, wie in diesem Fall, zu einer mündlichen Verhandlung eingeladen. Die Stadt Kerpen wurde von einem Anwalt vertreten. Ich habe zwar mit Menschen mit juristischem Background gesprochen, die Klage aber im Endeffekt allein geführt.

Mit Erfolg.

Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet. Ich hatte vor der mündlichen Verhandlung eher das Gefühl, dass ich mich mit der Klage verzettelt habe. Im Endeffekt haben wir dann umfassender gewonnen als ich es für möglich gehalten hatte. Offensichtlich war die Beweislast erdrückend.

Zwei Gutachten, die die NRW-Landesregierung 2019 aufgrund einer Klage herausgeben musste, belegen bereits, dass die Ministerien händeringend nach Gründen für die Räumung suchten und schließlich im Baurecht fanden.

Dass das Baurecht ein billiger Vorwand war, war allen Beteiligten von Anfang an klar. Zwar haben diese Gutachten offiziell nicht in die Bewertung des Verwaltungsgerichtes reingespielt, aber solche Prozesse finden ja nie im luftleeren Raum statt. Beteiligte sagen schon lange, dass dieser Vorgang rechtswidrig war. Jetzt kam der entsprechende Ritterschlag vom Kölner Verwaltungsgericht.

Was müsste nach dem Urteil politisch passieren und was denkst du was tatsächlich passieren wird.

Zwar kann die Stadt Kerpen gegen das Urteil Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster einlegen, aber die Beweislage ist eindeutig. Ein Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag zur Räumung im Jahr 2018 ist lange überfällig. Ministerpräsident Armin Laschet, Innenminister Herbert Reul und Bauministerin Ina Scharrenbach müssten eigentlich zurücktreten. Ich denke in der Realität wird das Kanzlerkandidat Laschet und der CDU bei der Bundestagswahl jedoch lediglich ein bis zwei Prozentpunkte an Stimmen kosten und das wars. Zumindest besteht die Hoffnung, dass Laschet nach der Wahl politisch erledigt ist.

*Der Name der klagenden Person ist der Redaktion bekannt.

Das Interview führte Manuel Först


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