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Fossile EnergiekriseUmverteilung von Erzeugern zu Verbrauchern

Windräder vor Kohlekraftwerk
Hohe Erlöse bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien und Kohlekraft könnten demnächst abgeschöpft werden, um Verbraucher zu entlasten.  (Foto: Frank Bothe auf Wikimedia / CC BY-SA 3.0)

Die Koalition will am Strommarkt Zufallsgewinne abschöpfen. Erzeuger, die hohe Erlöse erzielen aber gleichbleibend niedrige Produktionskosten haben, sollen einen Teil ihrer Gewinne abführen und damit eine Strompreisbremse finanzieren.

08.09.2022 – Die extrem hohen Energiepreise für Verbraucher und Unternehmen sollen mit dem dritten Entlastungspaket der Bundesregierung gedämpft werden. Das Paket hat ein Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro und umfasst unter anderem höhere Kindergeldsätze, Einmalzahlungen für Rentner und Studierende und eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket.

Im Paket wird auch ein Eingriff in den Elektrizitätsmarkt angekündigt. Das Vorhaben ist zentral und wird im Koalitionspapier als erstes genannt. Die Absicht, Zufallsgewinne bei Energieerzeugern abzuschöpfen und zur Kostendeckelung eines Strom-Basisverbrauchs einzusetzen, hat ihren Ursprung im derzeitigen Preisbildungsmechanismus am Strommarkt. Der jeweils höchste aktuell erzielbare Preis bestimmt auf dem Spotmarkt den Preis für alle Erzeugungsarten. Preissetzend sind momentan die Gaskraftwerke mit ihren historisch hohen Preisen.

Erlösobergrenzen sollen Gewinne deckeln

Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke, deren Kosten kaum gestiegen sind, profitieren von diesem Mechanismus, aber auch Erneuerbare Energien-Anlagen. Die erzielten Mehreinnahmen bezeichnet die Bundesregierung als Zufallsgewinne. Die für die soziale Marktwirtschaft wichtige Balance zwischen Chancen und Risiken stimme hier nicht mehr.

Deshalb soll ein Höchstpreis für die Erlöse am Spotmarkt festgelegt werden und die Energieerzeuger die Differenz zwischen Großhandelspreis und Erlösobergrenze an den Verteilnetzbetreiber abführen. Zur administrativen Abwicklung soll auf die etablierten Zahlungswege der EEG-Förderung zurückgegriffen werden, quasi der umgekehrte Weg der EEG-Umlage gegangen werden. Der Mechanismus ist vergleichbar mit der Einführung von Differenzverträgen (Contracts for Difference – CfD).

Ähnliche Signale kommen aus Brüssel

Die Bundesregierung strebt an, die jetzt vorgeschlagene Abschöpfung von Übergewinnen auch auf europäischer Ebene einzuführen, will aber notfalls auch im Alleingang diesen Weg gehen. Erste Signale seitens der EU-Kommission kamen bereits Ende August von Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen. Sie hatte in einer Grundsatzrede beim Strategischen Forum im slowenischen Bled eine Reform des Strommarktdesigns in Europa angekündigt und unter anderem als Ziel formuliert: Die niedrigen Erzeugungspreise von Erneuerbaren Energien müssten sich auch auf Verbraucherinnen und Verbraucher übertragen. Gestern hat von der Leyen in Brüssel die Vorschläge der EU-Kommission zum Umgang der Energiekrise skizziert und dabei wiederum den Transfer von Übergewinnen an Verbraucher als möglichen Weg genannt.  

Abgeführte Gewinne sollen Strompreisbremse finanzieren

Nach Einführung der Erlösobergrenze sollen die Einnahmen dazu verwendet werden, eine Strompreisbremse für den Basisverbrauch von Haushalten und kleinen Unternehmen zu finanzieren. Sie erhalten dann eine gewisse Menge Strom zu einem vergünstigten Preis, der Anreiz Strom zu sparen bliebe aber erhalten.

Die skizzierten Maßnahmen sind im Detail noch sehr unscharf und werden nicht kurzfristig eingeführt. Weder wird gesagt, wer die Erlösobergrenze festlegt, ob es Unterschiede zum Beispiel zwischen Kohlekraft und Erneuerbaren Energien-Anlagen gibt und wie eine Basis-Strommenge definiert werden soll. Das werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.

Markteingriffe sollten Notfall-Maßnahme bleiben und den Erneuerbaren ein Schub gegeben werden

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) befürchtet, dass mit der Abschöpfung von Übergewinnen bei Betreibern von Solar- und Windkraftanlagen notwendige finanzielle Mittel für Investitionen in weitere EE-Anlagen fehlen. „Teure fossile und atomare Energieträger müssten überwunden, energiepreissenkende Erneuerbare Energieträger und ein Erneuerbares Energiemarktsystem beschleunigt aus- und aufgebaut werden. Hierfür gebe es ein Rezept: Investieren, Investieren, Investieren“, mahnte die BEE-Präsidentin Simone Peter. Die Energiewende brauche einen Schub statt neuer Bremsen und einem Investitionskorsett.

Aus Sicht des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft müssen die Markteingriffe unbedingt eine befristete Notfall-Maßnahme bleiben. Der Markt dürfe nicht dauerhaft in seiner Funktionsfähigkeit eingegrenzt werden. Die Merit Order nicht anzutasten, sei daher folgerichtig. Ein zielgerichtetes Entlastungs- und damit Beschleunigungspaket beim Ausbau der Erneuerbaren sei notwendig. „Jede zügig hinzukommende Kilowattstunde aus Windenergie und Photovoltaik entlastet die Verbraucher doppelt: Mehr Strom aus erneuerbaren Energien führt über den Merit-Order-Effekt zu niedrigeren Strompreisen im Strommarkt“, erklärte bne-Geschäftsführer Robert Busch.

Im Entlastungspaket ebenfalls enthalten und von Umweltverbänden kritisiert: Die für 2023 geplante Erhöhung des nationalen CO2-Preises auf Gas und Kraftstoffe um 5 Euro pro Tonne wird ausgesetzt und auch nicht nachgeholt, der Preispfad vermindert sich also auch für 2024 und 2025 um diesen Betrag. Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender, bezeichnete die Entscheidung als klimapolitisch bedauerliches Symbol. pf


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