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LNG-Terminal in WilhelmshavenBaustart missachtet Umwelt- und Klimaschutz

Landzunge mit einem Leuchtturm am Meer
Der Jadebusen bei Wilhelmshaven: Biotop gefährdet. (Bild: Erich Westendarp, pixabay, Public Domain)

Bund und Länder treiben den Bau von LNG-Terminals voran. Der Baustart in Wilhelmshaven soll am heutigen Donnerstag erfolgen, ungeachtet möglicher Gefahren für sensible Biotope. Zudem ist der Bedarf an neuen LNG-Terminals mehr als strittig.

05.05.2022 – Noch Anfang des Jahres schien der Bau von Flüssiggasterminals in Deutschland fragwürdig. Große Investoren sprangen von den geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven ab. Die Beteiligungen hätten bislang zu hohen Verlusten geführt, teilte etwa die niederländische Investmentgesellschaft Vopak mit und zog sich aus dem Brunsbütteler Projekt in Schleswig-Holstein zurück. Zur etwa gleichen Zeit verkündete der Energiekonzern Uniper, dass im niedersächsischen Wilhelmshaven vorerst kein Terminal für verflüssigtes Erdgas gebaut werde.

Doch mit dem drohenden Ukraine-Krieg erhielten die Planungen für LNG-Terminals in Deutschland neuen Schwung. Inzwischen wird der Bau von Bund und Ländern offensiv vorangetrieben. Kurzfristig will der Bund 2,94 Milliarden Euro für vier schwimmende Flüssiggasterminals bereitstellen, wovon die ersten – in Wilhelmshaven und Brunsbüttel – schon Ende dieses und Anfang nächsten Jahres fertig seien sollen. Der Baustart für die erste sogenannte FSRU – Floating Storage and Regasification Unit – soll bereits am heutigen Donnerstag im niedersächsischen Wilhelmshaven erfolgen, in Anwesenheit des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck.

Bei FSRUs handelt es sich um spezielle Schiffe, für die Anladestationen gebaut werden müssen. Das geht deutlich schneller als der Bau fester LNG-Terminals, die frühestens in dreieinhalb Jahren fertig wären. Nach Angaben einer Hamburger Reederei gegenüber dem Handelsblatt, existierten aktuell weltweit 48 FSRUs, von denen Deutschland einige beschaffen könnte. Doch ebenso wie Bau und Betrieb fester LNG-Terminals, sind auch die Anladestationen für FSRUs mit Umweltrisiken verbunden.

Widerspruch eingelegt

Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert, dass der Baustart in Wilhelmshaven ohne Offenlegung der Unterlagen und Beteiligung von Umweltverbänden genehmigt wurde und legt daher Widerspruch gegen den Bescheid des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zur Errichtung des Terminals ein. Für den Bau müssten Stahlrohrpfähle in den Meeresgrund gerammt werden. Dies verursache hohe Schallemissionen, die eine Gefährdung für den Schweinswal in der Jade-Mündung und im Nationalpark Wattenmeer bedeuten würden, teilt der Umweltverband mit.

Zudem sei am Bauplatz ein geschütztes Unterwasser-Biotop nachgewiesen worden, dass durch die Arbeiten teilweise zerstört wird. Der Baustart wäre ein Skandal, so Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der DUH, gegenüber energiezukunft. „Das hat eine ganz unmittelbare Bedrohung für die Schweinswalepopulation in der Jade und im Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer. Wir können uns gerade in Krisenzeiten nicht erlauben, wie in einem Rausch schnell Entscheidungen zu treffen. Denn gerade in Krisenzeiten müssen wir uns an unsere eigenen rechtsstaatlichen Verfahren halten und erinnern.“

Zerger weist zudem daraufhin, dass das Bundeswirtschaftsministerium bis heute keine Zahlen und Daten geliefert habe, inwieweit LNG-Terminals in Deutschland für die Versorgungssicherheit nötig wären. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hatte bereits Anfang April errechnet, dass die deutsche Versorgungssicherheit auch ohne russisches Erdgas und den Bau neuer LNG-Terminals auf deutschem Boden gewährleistet werden könnte.

Bestehende LNG-Terminals nicht ausgelastet

Eine am gestrigen Mittwoch veröffentlichte Analyse des auf Energiedaten spezialisierten Unternehmens Artelys im Auftrag der European Climate Foundation, kommt zudem zu dem Ergebnis, dass in der Europäischen Union insgesamt ein einziges neues LNG-Terminal nötig sei, um russisches Erdgas zu ersetzen. Über die Analyse berichtete zuerst die taz. Nötig sei lediglich ein Terminal in Finnland, worüber auch die baltischen Staaten mitversorgt werden könnten. Ansonsten würden bestehende, aber nicht ausgelastete LNG-Terminals reichen, wenn zugleich in ausreichendem Maße Einsparungen vorgenommen und Investitionen in Erneuerbare Energien getätigt würden.

Den Berechnungen zufolge würden bei einem Importstopp 152 Milliarden Kubikmeter russisches Gas entfallen. Über bestehende LNG-Infrastrukturen könnten 100 Milliarden Kubikmeter zusätzlich ins Energiesystem gepumpt werden. Weitere 15 Milliarden könnten über Pipelines aus Norwegen und Nordafrika kommen. Zudem soll der Erdgasbedarf laut EU-Klimaplänen, vor allem durch Effizienzmaßnahmen und Einbau von Wärmepumpen, sinken, sodass der Bedarf ohne zusätzliche Infrastruktur gedeckt wäre – allerdings ohne Reserven vorzuhalten. Daher wären zusätzliche Investitionen in Erneuerbare Energien nötig.

Auf Bundesebene und in den Landesregierungen jedoch wird dem Bau neuer LNG-Terminals höchste Priorität eingeräumt. Die schleswig-holsteinische Landesregierung änderte jüngst das Landeswassergesetz. Womit die Terminals auch dann weitergebaut werden dürfen, wenn Gerichte noch über mögliche Klagen urteilen müssen. Das Bundeswirtschaftsministerium plant darüber hinaus ein „LNG-Beschleunigungsgesetz“, mit dem der Bau der Terminals im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen soll. Im Zuge dessen soll die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Projekte zumindest teilweise abgeschafft werden, Klagerechte weiter eingeschränkt sowie Beteiligungszeiträume verkürzt werden. Laut Gesetz soll der Betrieb der LNG-Terminals bis 2040 begrenzt werden und die Anlagen zudem für den Betrieb mit Wasserstoff und Ammoniak bereit sein.

Für den Baustart des schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven kann das LNG-Beschleunigungsgesetz noch nicht greifen, auch gab es jüngst keine entsprechenden Gesetzesänderungen in Niedersachsen. Den vorzeitigen Baustart in Wilhelmshaven sieht Constantin Zerger jedoch als Vorboten des LNG-Beschleunigungsgesetzes. Zudem sei auch das Land Niedersachsen bestrebt, Verfahren zu beschleunigen. Bis zu sieben LNG-Projekte sind in Deutschland aktuell geplant, vier schwimmende und drei feste Anlagen. Manuel Först


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Kommentare

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KK 05.05.2022, 09:15:46

Der Zynismus des Herrn Putin äußert sich im Konterkarieren "Grüner" Maßstäbe, die die Rücksichtslosigkrit und Bestialität der westlichen Lebenweise offenbart.

 

Man schämt sich, dieser Gattung anzugehören.


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