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EU-Vorgaben nicht umgesetztDeutschland schlampt beim Naturschutz

Baumstumpf, im Hintergrund Mischwald
Holzbewirtschaftung in einem ausgewiesenen Schutzgebiet. Foto: Julia Jaro Oberer auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Die EU wird gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, weil natürliche Lebensräume und wildlebende Tiere und Pflanzen ungenügend geschützt sind. Fristen zur Umsetzung von Maßnahmen sind teilweise schon über zehn Jahre verstrichen.

02.03.2021 – Vor gut einer Woche gab die Europäische Kommission bekannt, Deutschland per Klage zu mehr Naturschutz zu zwingen. Es geht um die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU (FFH-Richtlinie), die von Deutschland nur mangelhaft umgesetzt wurde. Die Richtlinie hat zum Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen. Wohlgemerkt, es geht um Vorgaben, zu denen sich die Bundesrepublik bereits vor 30 Jahren bekannt hat.

Die Mitgliedsstaaten müssen gemäß der FFH-Richtlinie besondere Schutzgebiete ausweisen und gebietsspezifische Erhaltungsziele und -maßnahmen festlegen, um die dort lebenden Arten und Lebensräume zu erhalten. Das geschieht in Deutschland viel zu schleppend. Bereits 2015 und 2019 gab es Mahnungen, im letzten Jahr einen Warnschuss in Form einer begründeten Stellungnahme, nun folgt die Klage.

Schutzgebiete nicht ausgewiesen, Ziele nicht messbar

Den jüngsten Informationen der Behörden zufolge hat Deutschland eine bedeutende Anzahl von Gebieten immer noch nicht als besondere Schutzgebiete ausgewiesen. Außerdem ist die Kommission der Auffassung, dass die für die einzelnen Gebiete in Deutschland festgelegten Erhaltungsziele nicht hinreichend quantifiziert und messbar sind und dass sie keine ausreichende Berichterstattung ermöglichen.

Die Kommission geht davon aus, dass es in allen Bundesländern und auf Bundesebene allgemeine und anhaltende Praxis war, für alle 4.606 Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung keine hinreichend detaillierten und quantifizierten Erhaltungsziele festzulegen.

Beispiel Cöthener Fließ in Brandenburg

Ein konkretes Beispiel zeigt, dass diese Vorwürfe nicht von ungefähr kommen. Das Cöthener Fließ liegt im Nordosten Brandenburgs zwischen Barnim und dem alten Odertal. Bereits lange als Naturschutzgebiet ausgewiesen, wurde es 2003 Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet. Seit 2014 liegt ein entsprechender Managementplan vor. Ende 2017 wurde das Cöthener Fließ auf dem Verordnungsweg durch das brandenburgische Landesamt für Umwelt als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bestätigt, ohne dass konkrete Schutzmaßnahmen erlassen wurden.

Bis heute sind deshalb trotz des erkannten Bedarfs keine konkreten Schutzmaßnahmen gesetzlich festgelegt. Es kam, wie es kommen musste. Nach dem Verkauf an einen privaten Waldeigentümer im Jahr 2016 wird das Gebiet holzwirtschaftlich genutzt.

Auch im Hambacher Wald hätte zwingend ein FFH-Gebiet ausgewiesen werden müssen. Die Landesregierung hatte das absichtlich unterlassen, um die Fortführung des Tagebaus nicht zu gefährden. Erst der anhaltende Protest vor Ort und deutschlandweite Unterstützungsaktionen retteten schließlich Reste des seit vielen Jahrhunderten bestehenden Dauerwaldes.

Beim Naturschutz sind die Bundesländer in der Pflicht

Der schwerwiegendste Vorwurf aus Sicht des Naturschutzbund Deutschland (NABU) ist, dass Deutschland bisher keine gebietsspezifischen Erhaltungsmaßnahmen festgelegt und umgesetzt hat. „Es ist ein Unding, dass dies auch sieben Jahre nach Einleitung dieses Vertragsverletzungsverfahrens und fast drei Jahrzehnte nach Inkrafttreten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie noch erstritten werden muss.“ beschreibt Raphael Weyland, NABU-EU-Umweltrechtsexperte, das Verhalten Deutschlands. Dabei gehe es hier um das Umsetzen von Vorgaben, zu denen sich Deutschland bereits 1992 verpflichtet hat, und nicht etwa um das Ausweisen neuer Schutzgebiete.

Jetzt sind vor allem die Bundesländer in der Pflicht. „Damit in den Gebieten aber tatsächlich Arten und Lebensräume geschützt werden, ist eine ausreichende Finanzierung notwendig. Wer nicht mit Verboten und Vorgaben arbeiten will, muss Landwirten und Waldbesitzern attraktive Anreize für Naturschutzmaßnahmen bieten“, erklärt Weyland. Basierend auf Zahlen der Bundesregierung schätzt der NABU, dass hierfür 1,4 Milliarden Euro im Jahr notwendig sind. Diese müssen und können durch Umschichtung von bisher pauschal fließenden Agrarzahlungen mobilisiert werden. Doch die derzeitigen Pläne des Bundeslandwirtschaftsministeriums ignorieren dies völlig und riskieren so weiter schmerzhafte Urteile des Europäischen Gerichtshofs.

Litauen, Polen und Spanien erhielten ebenfalls Rüffel aus Brüssel

Noch keine Klage, aber ein Aufforderungsschreiben erhielt Litauen, das die Verpflichtungen der FFH-Richtlinie ebenfalls nicht ausreichend umgesetzt hat. Auch Polen hinkt bei der Umsetzung von Umweltrecht hinterher: Die EU-Kommission fordert das Land auf, das Białowieża-Urteil des EuGH innerhalb der nächsten zwei Monate umzusetzen. Andernfalls drohe eine erneute Klage. Der EuGH hatte 2018 geurteilt, dass Polen Natur- und Vogelschutzverpflichtungen im Białowieża-Nationalpark nicht eingehalten hatte. Der Waldbewirtschaftungsplan für den Nationalpark hatte keine erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen für geschützte Arten enthalten.

Auch in Spanien ist die Umsetzung der FFH-Richtlinie ein Problem: Das Land wurde von der EU-Kommission dazu aufgefordert, weitere Maßnahmen zum Schutz und Management des Natura-2000-Gebietes Delta del Llobregat zu ergreifen. Die Ökosysteme in dem Gebiet seien durch große Infrastrukturprojekte gefährdet. pf


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