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LuftverschmutzungEU plant strengere Grenzwerte

Silhouette einer Stadt mit rauchenden Schornsteinen im Winter
Unsere Luft soll besser werden, aber der Wunsch allein verändert nichts. (Foto: PxHere / CC0)

In der EU sollen die Grenzwerte für Luftschadstoffe herabgesetzt werden. Der Vorschlag der EU-Kommission ist ambitioniert. Die angepeilten geringeren Werte sind kein Selbstläufer, sondern bedeuten strenge Maßnahmen und Vorgaben.

28.10.2022 – Die EU-Kommission hat den ersten Aufschlag zur Senkung von Schadstoffen in der Luft und im Wasser gemacht. Teilweise sind massive Absenkungen der aktuell gültigen Werte vorgesehen. So liegt der vorgeschlagene Grenzwert für die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) künftig bei nur noch 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, nicht mehr wie bisher bei 40 Mikrogramm. Empfohlen von der WHO sind 10 Mikrogramm.

Auch für Feinstaub PM2.5 soll das Limit stark abgesenkt werden: von derzeit 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf 10 Mikrogramm (WHO-Empfehlung 5 Mikrogramm). Zudem soll der Grenzwert für Feinstaub PM10 von bisher 40 auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sinken (WHO-Empfehlung 15 Mikrogramm) und der maximale Tagesmittelwert für Schwefeldioxid (SO2) auf 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft statt bisher 125 Mikrogramm. Die WHO empfiehlt hier einen Höchstwert von 20 Mikrogramm.

Vielerorts in Deutschland werden neue Grenzwerte überschritten

Auch wenn der Vorschlag den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht in letzter Konsequenz folgt, sind die Verschärfungen dennoch massiv. Teilweise hätte dies große Auswirkungen auf die Maßnahmen zur Luftreinhaltung – wie etwa innerstädtische Fahrverbote. In Deutschland zum Beispiel würde bei einer entsprechenden Verschärfung des NO2-Grenzwertes aktuell an über der Hälfte der Messstationen dieses Limit überschritten.

Der Vorschlag der EU-Kommission bildet den Auftakt des Gesetzgebungsprozesses, in dem sich in den kommenden Monaten auch der EU-Rat und das Parlament positionieren müssen. Erst am Ende dieses Prozesses sind die dann ausgehandelten Vorgaben rechtsgültig. Sollten die Grenzwerte in der vorgeschlagenen Form in Kraft treten, müssten die Mitgliedsstaaten diese bis spätestens 2030 einhalten – mit einer Ausnahme für Regionen, die das aus gut belegten Gründen bis dahin nicht erreichen können. Dieser Schritt ist eine Etappe auf dem Weg zum Null-Schadstoff-Ziel, das wiederum Teil des Green Deals der EU ist.

Der Vorschlag der EU-Kommission beinhaltet auch einen Entschädigungsanspruch, wenn Menschen auf Grund von Luftschadstoffen gesundheitlich leiden und ein Verstoß gegen die EU-Luftqualitätsvorschriften vorliegt. Zudem sollen kollektive Schadenersatzklagen von Nichtregierungsorganisationen möglich sein. Wirksame Sanktionen und eine bessere Information der Öffentlichkeit über die Luftqualität sind ebenfalls vorgesehen.

Die Reaktion von Experten sind gemischt. Einerseits werden die geplanten Verschärfungen als substanziell und in die richtige Richtung weisend bewertet. Andererseits seien die Gesundheitsgefahren auch mit diesen strengeren Werten nicht gebannt.

So kommentiert beispielsweise Christoph Hüglin, Leiter des Nationalen Beobachtungsnetzes für Luftfremdstoffe (NABEL) und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) in der Schweiz:„Die Stoßrichtung stimmt. Der Vorschlag der EU-Kommission orientiert sich an den Empfehlungen der WHO, welche auf dem aktuellen Stand des Wissens über die schädigende Wirkung von Luftschadstoffen basieren. Auch wenn die EU-Kommission die Richtwerte der WHO nicht eins zu eins umsetzt, so bin ich doch positiv überrascht, denn die EU hat sich anspruchsvolle Ziele und strengere Grenzwerte für 2030 gesetzt. Die Menschen in Europa werden stark davon profitieren, wenn sich die Luftqualität so sehr verbessert, dass die vorgeschlagenen neuen Grenzwerte eingehalten werden.“ Nach Meinung von Hüglin erfordern die Zielwerte für einige Regionen und die größeren Städte bedeutende Anstrengungen, seien ambitioniert, aber erreichbar.

Tamara Schikowski, Arbeitsgruppenleiterin Umweltepidemiologie von Lunge, Gehirn und Hautalterung am Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (IUF) erklärt:Ich persönlich hätte strengere Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid erwartet, da gerade diese Schadstoffe zur Krankheitslast und Mortalität in der Bevölkerung beitragen. Ich hätte auch einen strengeren Grenzwert für Ozon erwartet, da besonders in Bezug zum Klimawandel Ozon eine große Rolle spielt.“

Jens Borken-Kleefeld, Professor für Verkehrsökologie am Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr an der Technischen Universität Dresden betont den großen Handlungsbedarf für den Verkehrssektor, der sich aus den geringeren Stickoxid-Grenzwerten ergibt. Er sagt: „Es wäre sinnvoll,nicht nur schärfere Emissionswerte für Neufahrzeuge vorzuschreiben, sondern auch die hoch-emittierenden, älteren Diesel-Pkw und leichten Nutzfahrzeuge zügig aus der Flotte zu nehmen.“

Die Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt die Verschärfung der Grenzwerte und den vorgesehenen Schadenersatzanspruch. Die Kritikpunkte: Das Inkrafttreten der neuen Grenzwerte im Jahr 2030 sei deutlich zu spät und die Luftschadstoffgrenzwerte gingen nicht so weit, wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen. Die DUH fordert ein Inkrafttreten bereits 2025.

Saubere Luft und sauberes Wasser sind existenziell

Luftverschmutzung ist global eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit. Die Europäische Umweltagentur EEA geht von etwa 417.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr in 41 europäischen Staaten aus.

Die DUH spricht von jährlich rund 53.800 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland aufgrund der Luftverschmutzung mit Feinstaub, weitere 6.000 vorzeitige Todesfälle kommen jährlich durch das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid hinzu, weitere 3.350 Menschen sterben vorzeitig aufgrund hoher Ozonwerte. Luftverschmutzung ist darüber hinaus eine der Hauptursachen für chronische Erkrankungen wie Schlagfälle, Krebs und Diabetes.

Eine grundlegende Erkenntnis der Forschung im Bereich Luftqualität ist, dass es keine unschädliche Konzentration an Luftverschmutzung gibt. Dreckige Luft schadet also nicht ab einem bestimmten Schwellenwert, sondern immer. Leitlinien und Richtwerte spiegeln vor allem wider, ab welchem Wert schwere und schwerste Folgen für die Gesundheit zu erwarten sind.

EU will Vorgaben für Schadstoffe im Wasser verschärfen

Neben strengeren Vorschriften zur Luftreinhaltung will die EU auch die Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser überarbeiten. Dazu gehören die Pflicht zur Verwertung von Nährstoffen aus Abwasser, neue Normen für Mikroschadstoffe und neue Überwachungsregeln für Mikroplastik. Da 92 Prozent der giftigen Mikroschadstoffe in EU-Abwässern von Arzneimitteln und Kosmetika stammen, sollen die Hersteller stärker in die Pflicht genommen werden und die Kosten für deren Beseitigung tragen. Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, die Liste der Wasserschadstoffe zu aktualisieren, die in Oberflächengewässern und Grundwasser strenger kontrolliert werden müssen.

Die Vorschläge werden nun vom Europäischen Parlament und vom Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beraten. Nach ihrer Annahme werden sie schrittweise mit unterschiedlichen Zielen für 2030, 2040 und 2050 in Kraft treten, um Industrie und Behörden Zeit zu geben, sich anzupassen und die notwendigen Investitionen vorzunehmen. pf


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