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Globale LieferkettenEuropa ist Vizeweltmeister der Waldzerstörung

Luftaufnahme von Feldern in Paraguay
In Paraguay werden riesige Landflächen für die Rinderzucht abgeholzt. (Foto: Peer V auf Wikimedia / CC BY-SA 3.0)

Die industrielle Landwirtschaft schlägt eine Schneise der Zerstörung rund um den Globus. Denn für den Anbau von Soja und Palmöl werden Wälder gerodet, ebenso für die Rinderzucht. Die Menschen in Europa sind daran mit ihrem Konsumverhalten beteiligt.

15.04.2021 – Europa nimmt einen traurigen Spitzenplatz in der Weltrangliste der Waldzerstörer ein, denn für den Konsum von Soja, Palmöl und Rindfleisch werden an anderen Orten Wälder gerodet. 16 Prozent der globalen Tropenabholzung gehen auf das Konto der EU, die damit auf Platz zwei der größten Treiber von Waldzerstörung liegt. China führt diese Liste an mit einem Anteil von 24 Prozent, auf Platz drei und vier folgen Indien mit 9 Prozent und die USA mit 7 Prozent. Diese Bilanz zieht ein Report des WWF. Die Umweltschutzorganisation hat darin die Auswirkungen von Handelsbeziehungen auf die globale Entwaldung und Naturzerstörung im Zeitraum von 2005 bis 2017 untersucht.

Die Abholzung von Wäldern ist gleich auf mehreren Ebenen verheerend: Sie ist eine der größten Quellen für Treibhausgasemissionen, zieht den Verlust von Lebensräumen und Artensterben nach sich und verändert Wasserkreisläufe. Während die Waldbestände in vielen wohlhabenden Staaten in den vergangenen Jahrzehnten zunehmen oder zumindest stabil geblieben sind, ist der Trend in vielen sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern genau umgekehrt. Ein Hauptgrund ist die steigende Weltmarktnachfrage nach Rindfleisch, Soja oder Palmöl, für deren Haltung beziehungsweise Anbau Wälder gerodet und zu Agrarflächen umfunktioniert werden. Somit wird es immer wichtiger, Handelsverflechtungen zwischen Ländern und die Triebkräfte dieser Waldverluste zu kennen und sie zurückzudrängen.

Keine importierte Entwaldung mehr

Der WWF fordert die Bundesregierung und EU-Kommission auf, bessere und verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in den internationalen Handelsbeziehungen zu etablieren. Ein EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten könnte verhindern, dass für unseren Konsum intakte Wälder, Savannen und Feuchtgebiete in Ackerflächen umgewandelt werden.

Christine Scholl, WWF-Expertin für nachhaltige Lieferketten fordert einen Paradigmenwechsel im globalen Handel: „Produkte, die auf dem europäischen Markt landen, dürfen nicht auf Kosten von Natur und Menschenrechten produziert werden.“ Weil freiwillige Absichtserklärungen die Naturzerstörung bisher nur in Einzelfällen stoppen, müsse die EU-Kommission mit einem ambitionierten Gesetz einen verbindlichen Rahmen setzen.

Emissionen aus Entwaldung werden in Statistiken nicht erfasst

Am meisten tropischen Wald zerstörten die Importe von Soja, Palmöl und Rindfleisch, gefolgt von Holzprodukten, Kakao und Kaffee. In Brasilien, Indonesien und Paraguay vernichtete der EU-Konsum am meisten Waldfläche. Durch die importierte Entwaldung verursachte die EU 2017 indirekt 116 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Das entspricht mehr als einem Viertel der Emissionen aus dem europäischen Landwirtschaftssektor im selben Jahr. Diese indirekten Emissionen werden in den offiziellen Statistiken zu Treibhausgasemissionen nicht erfasst. 

Innerhalb Europas ist Deutschland für die meisten Abholzungen durch Importe verantwortlich. Rund 43.700 Hektar Wald wurden jährlich zwischen 2005 und 2017 für deutsche Importe vernichtet.

Ein Gesetz zum Schutz der Wälder müsse aber auch andere Ökosysteme schützen, so der WWF. Sonst verlagere sich die Naturzerstörung nur vom Wald auf andere Ökosysteme wie Feuchtgebiete, Grasland und Savannen. Diese sind für Klima, Artenvielfalt und den Lebensunterhalt von Menschen vor Ort allerdings genauso wichtig wie tropische Wälder und stehen jetzt schon unter enormen Druck.

Lebensraum der Indigenen Ayoreo in Paraguay wird zerstört

Ein Beispiel für die Schneise der Zerstörung, die die industrielle Landwirtschaft hinterlässt, liefert die britische Umweltorganisation Earthsight mit ihrer Beschreibung der Waldzerstörung in Paraguay. Der paraguayische Chaco – Teil eines riesigen Tieflandplateaus namens Gran Chaco, das Teile Paraguays, Boliviens, Argentiniens und Brasiliens umfasst – verliert den Wald schneller als irgendwo sonst auf der Erde. Zwischen 2001 und 2019 verschwanden mehr als 45.000 Quadratkilometer - eine Waldfläche größer als die Schweiz, Holland oder Dänemark. Hier wird vor allem für die Rinderzucht gerodet. Betroffen ist auch das indigene Volk der Ayoreo, das in diesem Gebiet seine Heimat hat und mit immer weniger Fläche zurechtkommen muss. Die Ayoreo leben in freiwilliger Isolation, fürchten aber um ihre Lebensgrundlage – denn weniger Fläche bedeutet weniger Tiere, Pflanzen und Artenvielfalt.

Ernährungsweise spielt eine Rolle

Auch ein Wandel in den Ernährungsgewohnheiten kann Wälder vor der Abholzung bewahren. Halbiert sich der der Fleischkonsum aller Deutschen auf im Schnitt 470 Gramm pro Woche – zugunsten von mehr Hülsenfrüchten und Nüssen – sinkt damit auch Deutschlands ernährungsbedingter Flächenbedarf um fast drei Millionen Hektar. Das entspricht in etwa der Größe Brandenburgs. Diese Zusammenhänge erläutert eine ebenfalls kürzlich vom WWF veröffentlichte Ernährungsstudie. pf


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