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Spuren des AnthropozänGeologen finden plastikverkrustete Felsen an Madeiras Küsten

Weiße und blaue Plastikruste auf Felsgestein an der Küste Madeiras
Geologen des Marine and Environmental Sciences Centre haben an der Felsküste Madeiras eine Plastikruste auf Felsgestein nachgewiesen, deren Fläche sich seitdem kontinuierlich ausweitet. (Foto: © Ignacio Gestoso / Marine and Environmental Sciences Centre)

Geologen beobachten seit drei Jahren, wie sich an Madeiras Küste eine Kruste aus Kunststoff auf dem Felsgestein festsetzt. Kleinstlebewesen im Gezeitenbereich futtern das Mikroplastik, das damit wiederum in unsere Nahrungskette gelangen kann.

15.08.2019 – In unseren Meeren schwimmen gewaltige Mengen an Plastikabfällen, wieviel genau ist unbekannt. Der landet auch wieder an Stränden und Küsten und gestaltet dort die Landschaft neu – nicht nur als Plastikmüllteppiche oder -berge. Die Kunststoffabfälle, die im Meer teilweise zermahlen und zersetzt werden, können an den Küsten auch uralte Gesteinsformationen verändern – wie Geologen auf der atlantischen Insel Madeira entdeckt haben.

Die Wissenschaftler um Ignacio Gestoso vom Marine and Environmental Sciences Centre hatten dort bereits vor drei Jahren eine sogenannte Plastikruste nachgewiesen, deren Fläche sich seitdem kontinuierlich ausgeweitet hat – das berichten sie nun in der Fachzeitschrift Science oft he Total Environment. Die weiße und blaue Kruste, die sich auf dem Gestein festgesetzt hat, besteht aus Polyethylen. Bereits jetzt prägt sie das Landschaftsbild des Küstenabschnitts, indem sie in klein- und großflächigen Flecken das vulkanische Gestein im Gezeitenbereich der Insel überzieht.

Willkommen im Plastozän

Bei der Entdeckung im Jahr 2016 hielten die Geowissenschaftler das Phänomen noch für einen Einzelfall. Doch bereits drei Jahre später seien nun zehn Prozent der Fläche im Gezeitenbereich betroffen. Wie genau der Plastiküberzug am Gestein entstehen konnte ist noch nicht ganz eindeutig geklärt, so die Forscher in ihrer Studie. Sie vermuten jedoch einen Zusammenhang mit der Brandung, den Gezeiten und dem Salzwasser, das den Kunststoff chemisch beeinflusst. Brandung und Gezeiten sorgen dafür, dass die vom Salzwasser bearbeiteten Plastikstücke regelmäßig gegen die Felsen geschwemmt werden. Dabei bilde sich im Laufe der Zeit eine Kruste aus Polyethylen, wie man es auch bei Algen oder Flechten beobachten kann, die die Felsen im Laufe der Jahre natürlich überziehen.

Die Forschergruppe befürchtet nun unmittelbare Auswirkungen des Plastik-Überzugs. Denn gerade im Gezeitenbereich tummeln sich auf den Felsen zahlreiche Lebewesen: Kleinstlebewesen aus dem Meer, die auf dem Gestein Flechten und Algen abweiden. Das machen sie nun auch mit den Plastikrusten: Die Forscher zählten in diesen Gebieten bspw. genauso viele Meeresschnecken wie auf den mit organischem Material bedeckten Felsen. Die Kleintiere nähmen damit Mikroplastik auf, so kann sich der Kunststoff in der weiteren Nahrungskette anreichern. Plastikgefüllte Vögel und Fische kennt man ja bereits.

Geologisches Zeugnis für das Anthropozän

Dass Plastik sich dauerhaft mit Gestein verbindet ist nicht neu, diese Art der „Plasitifizierung auf Gestein“ jedoch schon. Vor einigen Jahren stießen Geologen an der hawaiianischen Küste auf gesteinsähnliche Gebilde, deren Zusammensetzung sich als Konglomerat von Vulkangestein, Sandkörnern, Korallenfragmenten und Kunststoffen erwies. Dabei verschmolzen bspw. Plastikabfälle in Strandfeuern oder Kunststoff-Treibgut kamen mit abgekühlter, aber noch ausreichend heißer Lava in Kontakt. Die Schmelze zementiert die anderen Bestandteile zusammen, es entstehen neue Konglomerate, welche die Forscher als Plastiglomerate bezeichnen. Plastikruste als auch Plastiglomerat könnten den Geologen der Zukunft später also wohl als trauriges Zeugnis für unser menschengeprägtes Zeitalter dienen. na


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