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Nachhaltige LandwirtschaftKlarheit für Agroforst fehlt

Frisch gepflanzte Setzlinge mit Baumschutz. Im Hintergrund Kühe auf einer Weide.
Hier wächst eine Futterlaubhecke, die den Kühen auf dem Weidetriebweg Windschutz und Schatten spenden soll. Angepflanzt wurden Knoblauch, Stangensellerie, Kürbis, aber auch Maulbeere, Holunder, Hasel, Wildkirsche. (Foto: Rieckens Landmilch)

Der Bundestag beschloss im Januar, Agroforstsysteme in das Schema der Agrarförderung aufzunehmen. Seitdem warten Landwirte auf rechtliche Klarheit. Milchbauer Felix Riecken hat bereits losgelegt, denn er ist von den Vorteilen überzeugt.

08.06.2021 – Bäume auf Acker- oder Weideflächen sichern Erträge und unterstützen die Artenvielfalt. Eine althergebrachte Wirtschaftsform wird derzeit neu entdeckt und mit modernen Methoden kombiniert. Die EU hat bereits den rechtlichen Rahmen geschaffen, den Deutschland aber noch nicht mit Leben erfüllt hat. Dennoch gibt es bereits Pioniere, die sich dem Agroforst verschrieben haben.

Felix Riecken und seine Familie betreiben einen Milchviehbetrieb in Schleswig-Holstein. 140 Rinder gibt es auf dem Hof, rund 80 davon sind Milchkühe. Riecken ist noch jung, im letzten Jahr schloss er sein Agrarstudium ab. Den Hof und den Familienbetrieb kennt er seit Kindesbeinen. Die große Trockenheit im Jahr 2018 bewegte ihn dazu, neue Wege zu suchen. „Wir hatten in diesem Jahr wirklich Mühe, unsere Tiere zu ernähren. Nicht nur das Futter hat gefehlt, die Tiere haben auch direkt unter der Hitze gelitten“, berichtet er. „Ich habe mir ausgemalt, wie es wäre, wenn diese Situation ein Dauerzustand wäre und keine Ausnahme.“

Im Herbst ging er auf die Felder und entdeckte das erste Grün nach dem trockenen Sommer dort, wo Bäume stehen und Schatten werfen. Riecken begann sich im Studium mit Agroforst zu beschäftigen, plante und sammelte Ideen. Letztes Jahr setzte er mit tatkräftiger Unterstützung vieler Helfer die ersten Vorhaben um.

Esskastanien, Streuobst, Futterlaub, Wertholz

Da ist zum einen eine moderne Streuobstwiese, die auch als Weidefläche genutzt wird. Das Wort modern bedeutet in diesem Fall, dass die Baumabstände ausreichend groß sind, damit mit großen Maschinen auf der Fläche gearbeitet werden kann. Zudem wurden bei den Baumarten Hochstämme gewählt, die erst bei zwei Metern ihre Krone ausbilden. So können die Rinder die jungen Triebe nicht abfressen. Die Fläche wird damit perspektivisch doppelt genutzt: zum Obstanbau und als Weide.

Ähnliches gilt für die Esskastanienplantage – auch hier ist die dauerhafte Nutzung als Weidefläche geplant. Riecken hat verschiedene Sorten gepflanzt und will schauen, welche sich am wohlsten fühlt. Neben den großen Reihenabständen wurde die Hangneigung ins Konzept einbezogen. An das Gelände angepasste Furchen leiten das Regenwasser so ab, dass bei Starkregen wenig Erosion entsteht und das Regenwasser möglichst gleichmäßig verteilt wird. Keyline-Design nennt sich diese Methode.

Esskastanien so weit im Norden zu kultivieren ist ungewöhnlich, sie haben ihre Heimat in wärmeren Gefilden. Riecken geht hier ein gewisses Risiko ein. Denn wie sich der Klimawandel tatsächlich auswirkt, weiß auch er nicht. Von mehr Wärme würden die Bäume profitieren, mehr Kälte ihnen kein langes Leben bescheren. Ohnehin ist dieses Projekt für die nächste und übernächste Generation gedacht, denn die Bäume werden erst in zehn bis 15 Jahren ihren vollen Ertrag bringen. Das Laub soll teilweise als Futter, teilweise als Nahrung für den Boden dienen. Die Esskastanien selbst sind als Nahrungsmittel für Menschen gedacht.

Und noch eine dritte Idee hat Riecken umgesetzt: Er hat Futterlaubhecken angepflanzt. Sie säumen den Weg, den die Rinder zweimal täglich von der Weide zum Melkstand zurücklegen. Sie bieten nicht nur wertvolles Futter, sondern schützen die Tiere auch vor Wind und Sonne. „Ähnlich wie das Gras schneiden wir die Hecken zwei bis dreimal im Jahr und konservieren das Laub als Futter. Hier wird sich ein vielfältiger Biotopverbund bilden, da bin ich mir sicher“, berichtet Riecken. In der Hecke sind auch junge Bäume zu finden. Als sogenannte Werthölzer sollen sie in einigen Jahrzehnten vermarktet werden, auch dies sei eine Kapitalanlage für die nächste Generation.

Bestehende Gesetze behindern Agroforst

Doch genau hier liegt ein Knackpunkt, den der gegenwärtige gesetzliche Rahmen nicht fördert, sondern bestraft. Bäume auf landwirtschaftlichen Flächen werden nach einiger Zeit zu Landschaftselementen. Sie stehen dann unter Schutz und dürfen nicht mehr entfernt werden. So kann der Agroforstwirt kein Geld verdienen.

Der Grund dafür liegt in der Landwirtschaft selbst. Weil der Trend der letzten Jahrzehnte zu immer größeren Maschinen ging, entfernten die Landwirte Bäume von ihren Flächen, denn sie standen den Maschinen im Weg. Weil das flächendeckend geschah, wurden die verbliebenen Elemente unter Schutz gestellt. Dieser Schutz gilt nun auch für neu entstehende Landschaftselemente.

Die Futterlaubhecke von Riecken würde deshalb nach derzeitiger Rechtslage in einigen Jahren unter Schutz gestellt. Oder sie fiele unter den Knickschutz, eine spezielle Schutzvorschrift im waldarmen Schleswig-Holstein, um wenigstens einige Gehölzstreifen zu bewahren.

Riecken hat die Hecke deshalb aus seinem Flächenantrag herausgenommen. Das bedeutet eine Einbuße von 500 Euro. „Das ist nicht dramatisch, aber eben auch nicht cool“, kommentiert er. „Diese Fläche müsste eigentlich mehr gefördert werden, um die Landwirte zu bewegen, solche Konzepte anzuwenden.“

Ein weiteres gravierendes Hindernis ist nach Meinung von Riecken das fehlende Wissen der Landwirte, um Bäume zu kultivieren. Agroforstsysteme sind wenig bekannt und Landwirte haben nicht viel Freizeit, in der sie sich mit neuen Konzepten auseinandersetzen können. „Ich hatte das Glück, dass ich mich während meines Studiums damit intensiv beschäftigen konnte und die Möglichkeit hatte, Inspirationen nachzugehen“, sagt Riecken.

Im Januar 2021 hatte der Bundestag beschlossen, Agroforstsysteme zukünftig fördern zu wollen. Die Bundesregierung sollte rechtsverbindliche Definitionen erarbeiten und die Agroforstwirtschaft im Agrar-Fördersystem fest verankern. Das ist bis heute nicht geschehen. Im Mai hat das Land Thüringen eine Initiative gestartet und in den Bundesrat eingebracht. Sie zielt darauf, die bereits gemachten Ankündigungen in die Tat umzusetzen und die für Mensch und Umwelt gleichermaßen nutzbringende Agroforstwirtschaft nun endlich voranzubringen. pf


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