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Landwirtschaft kann KlimaschutzNationale Ackerbaustrategie muss ökologisch werden

Blühwiese vor Acker
Gut für Insekten, gut fürs Auge, gut für uns: Im hohen Fläming hat ein Landwirt freiwillig eine große Blühfläche an seinem Acker angelegt, um Insekten, Vögeln und anderen Tieren Lebensraum zu bieten und das natürliche Ökosystem zu bewahren. (Foto: Nicole Allé)

Die industrielle Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen zerstört Ökosysteme und fruchtbare Böden. Dabei könnten Landwirte Ackerflächen im Kampf gegen die Klimakrise als Kohlenstoffsenken einsetzen. Die Agrarpolitik muss jetzt umsteuern.

15.10.2019 – In der Debatte um den Klimaschutz wird die Landwirtschaft oft kaum berücksichtigt. Dabei ist sie ein entscheidender Baustein: Nicht nur um die Klimaziele zu erreichen, sondern auch um unsere Versorgung und Ökosysteme für die Zukunft zu erhalten. Rund 32 Prozent der gesamten Fläche Deutschlands sind Ackerland. Von den 11,7 Millionen Hektar Ackerland werden rund 95 Prozent konventionell bzw. industriell bewirtschaftet.

Experten sind alarmiert: Der Zustand der Böden weltweit gilt als äußerst kritisch. Durch eine nicht nachhaltige, sondern industrielle Bodenbewirtschaftung geht immer mehr Humus verloren. Die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft 2018 des Thünen-Instituts hat gezeigt, dass in Deutschland in den kommenden zehn Jahren im Schnitt 0,21 Tonnen organischer Kohlenstoff pro Hektar Ackerland und Jahr im Oberboden verloren gehen könnten – wenn sich an dieser umweltschädlichen Bewirtschaftung nichts ändert. Ein natürlicher Neuaufbau von fruchtbarem Boden dauert in mittleren Breiten wie Deutschland etwa 100 bis 300 Jahre: In diesem langen Zeitraum kann sich eine Bodenschicht von nur etwa einem Zentimeter bilden.

Umdenken und Subventionen umlenken

Monokulturen, der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden zerstören die Umwelt und schaden dem Klima. Dabei könnten Landwirte diese Flächen im Kampf gegen die Klimakrise als Kohlenstoffsenken einsetzen, widerstandfähiger gegen Extremwettereignisse in Deutschland machen und zugleich die Bodenfruchtbarkeit erhöhen, so das Fazit einer neuen Studie der Naturschutzorganisation WWF.

Der ökologische Landbau beansprucht nur einen Bruchteil der landwirtschaftlichen Fläche in Europa als auch in Deutschland und wird kaum gefördert. Die EU und Deutschland subventionieren die große Fläche und Masse und damit den industriellen Ackerbau. Für den ersten Schritt in einen nachhaltigeren Ackerbau auch jenseits des ökologischen Landbaus könnten in der konventionellen Landwirtschaft daher zunächst einmal breitere Fruchtfolgen mit Zwischenfrüchten Standard werden und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um mindestens 25 Prozent, sowie der von Stickstoffdünger um 15 Prozent sinken, schlagen die Studienautoren der WWF-Studie „Vielfalt auf den Acker“ vor.

Perspektivisch gelte es, den Pestizid- und Stickstoffeinsatz darüber hinaus weiter deutlich zu reduzieren. Die Subventionen müssen gerechter verteilt werden. „Landwirte, die nachweislich Wasser, Boden und Klima schützen sowie die Artenvielfalt fördern, dürfen nicht draufzahlen“, sagt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland. „Das muss die kommende Ackerbaustrategie der Bundesregierung sicherstellen. Je dichter die Praxis im konventionellen Ackerbau in den nächsten Jahren an den ökologischen Landbau heranreicht, desto besser für Klima und Umwelt.“

Messlatte für die „Nationale Ackerbaustrategie“ der Bundesregierung

Noch im Herbst will das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine „Nationale Ackerbaustrategie“ vorstellen. Mit dem „Aktionsplan Insektenschutz“ solle das zentraler Baustein für den „besseren Schutz des Klimas, der Gewässer und der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften sowie für den Erhalt der Bodenqualität in Deutschland“ werden.

Schritt für Schritt zu einer ökologischeren Landbewirtschaftung

Die deutsche Bundeslandwirtschaftsministerin protegiert bislang hartnäckig die konventionelle Landwirtschaft mit Massentierhaltung, Monokulturen und Dünger- sowie Pestizideinsatz. Die alte Lobby ist stark und starr. Dabei wirke sich im konventionellen Ackerbau bereits eine Kulturart mehr in der Fruchtfolge zusammen mit 25 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel und 15 Prozent weniger Stickstoffdünger positiv auf die Bodenfruchtbarkeit aus, so die Studie. Damit ließe sich der Humusgehalt des Bodens um bis zu 300 Kilogramm Kohlenstoff pro Hektar und Jahr erhöhen. Auf die gesamte ackerbaulich genutzte Fläche Deutschlands hochgerechnet ergäbe sich hier ein CO2-Einsparungspotential von 12,7 Millionen Tonnen. Das entspreche schon fast einem Fünftel der momentanen Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft. Gleichzeitig ließen sich die Stickstoffüberschüsse jährlich um bis zu 25 Kilogramm pro Hektar senken.

Stickstoffüberschüsse verursachen Nitratauswaschung ins Grundwasser und befeuern durch die Bildung von klimaschädlichem Lachgas (Distickstoffmonoxid) zudem die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft. „Humusreiche Böden brauchen weniger Dünger und binden vorhandenen Stickstoff besser“, erläutert Christoph Heinrich vom WWF die Ergebnisse. „Das ist cleveres Stickstoffmanagement in Zeiten des verschärften Düngerechts.“

Wirtschaftliche Folgen der ökologischen Anpassung

„Werden die Fruchtfolgen erweitert und Kulturen wie Kleegras oder Luzernegras integriert, ist dies für viele Landwirte aufgrund der fehlenden Nachfrage derzeit wenig rentabel,“ erläutert Heinrich die Fehler in der Subventionspolitik. „Wer für Eiweißlieferanten wie Ackerbohne, Lupine, Erbse, aber eben auch Klee- oder Luzernegras keine eigene Verwendung als Futtermittel hat, konkurriert auf dem Futtermittelmarkt mit importiertem Sojaschrot.“ Ökologisch lägen heimische Futtermittel eindeutig vorn, aber für die Landwirte müssten sie eben auch ökonomisch attraktiver werden.

Politische Unterstützung müsse daher dringend aus Berlin und Brüssel kommen: „Bis zu 15 Prozent der derzeit bestehenden flächengebundenen EU-Subventionen können zur Förderung umweltfreundlicher Maßnahmen auf dem Acker umgeleitet werden, zum Beispiel auch zur Unterstützung des Anbaus von heimischen Hülsenfrüchten“, sagt Heinrich. „Deutschland plant aber nur mit sechs Prozent. Wer Deutschlands Landwirte beim ökologischen Wandel auf dem Acker unterstützen will, muss hier das Potenzial voll ausschöpfen.“

Europas Agrarpolitik überarbeiten

Seit 1962 regelt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) die finanzielle Unterstützung europäischer Landwirte. Betriebe in allen EU-Mitgliedsstaaten werden gefördert und erhalten Direktzahlungen, Basisprämien pro Hektar. Die EU subventioniert damit vor allem große landwirtschaftliche Betriebe, mit verheerenden Folgen für die kleinen Höfe, die umweltfreundlicher wirtschaften.

Für die Neuordnung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik fordert der WWF nun, dass mindestens eine viergliedrige Fruchtfolge mit einer Zwischenfrucht und eine Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln um 25 Prozent sowie die Minderung des Einsatzes von Stickstoffdünger um 15 Prozent Voraussetzung wird für eine finanzielle Unterstützung aus Brüssel. Darauf aufbauend bieten die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Eco-Schemes weiteres Finanzierungspotenzial: „Diese Fördergelder müssen Landwirten zugutekommen, die auf breite Fruchtfolgen mit Futterleguminosen wechseln und den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln noch weiter zurückfahren“, fordert Heinrich. na


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