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Neue GutachtenRegierungsberater fordern umfassende Agrarwende

Mehr Geld für weniger Spritzen: Die Wissenschaftlichen Beiräte des Landwirtschaftsministeriums haben deutliche Vorstellungen. (Foto: © Chafer Machinery / flickr.com, CC BY 2.0)

Gleich zwei neue Gutachten der Wissenschaftlichen Beiräte des Landwirtschaftsministeriums empfehlen eine Agrarwende und rechnen mit der bisherigen Politik ab. Ministerin Julia Klöckner (CDU) müsse einen radikalen Umbau der Subventionen ermöglichen.

06.06.2018 – „Nutztiere leiden unsichtbar im Stall, Insekten und Vögel sterben einen leisen Tod, und der Klimaschutz findet vor allem auf dem Papier statt“, so drastisch fasst der Spiegel die Gutachten zusammen. Und tatsächlich sparen die Wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) sowie für Biodiversität und Genetische Ressourcen nicht mit Kritik. Die ist offenbar so heftig, dass Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) die Gutachten nur hinter verschlossenen Türen annehmen wollte.

Ausrichtung am Gemeinwohl

Insbesondere der WBAE stellt sich gegen die Politik der Ministerin und ihrer Unions-Vorgänger. Die 19 Wissenschaftler halten ihr vor, gegen die Interessen von Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie gegen den volkswirtschaftlichen Nutzen und einen Großteil der Bürger zu handeln. Im Kern fordern sie eine Neuausrichtung der Agrarsubventionen am Gemeinwohl. Derzeit erhalten europäische Bauern den Großteil der Zahlungen pro Hektar Land, egal ob sie dort naturverträgliche Landwirtschaft betreiben oder großflächig Glyphosat einsetzen. In Deutschland werden jedes Jahr gut fünf Milliarden Euro ausgezahlt.

73 Prozent der EU-Subventionen machen diese Direktzahlungen ohne jegliche Effekte aus, es seien volkswirtschaftlich weitgehend sinnlose Zahlungen, so die Agrar-Experten. Ebenso wirkungslos seien die an Umweltauflagen geknüpften Greening-Zahlungen, die einen geringen Teil ausmachen. Sinnvoller seien Zahlungen, die eindeutig an für die Allgemeinheit sinnhafte Leistungen geknüpft sind.

Nicht mit dem Deutschen Bauernverband

Seit Jahren liegen Vorschläge auf dem Tisch, die die Wissenschaftlichen Beiräte erneut aufzählen: Wer mehr für den Naturschutz, für die Artenvielfalt und Insekten, wer mehr für die ländlichen Räume und Beschäftigung tue, solle mehr Geld erhalten. Ganz konkret: Nicht wer mehr Hektar Land besitzt, sondern wer mehr Blühstreifen entlang seiner Felder einrichtet oder wer mehr Angestellte beschäftigt, wird finanziell belohnt. Die Direktzahlungen müssten sukzessive auslaufen, fordert der WBAE.

Für eben jene wirkungslosen Direktzahlungen macht sich Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner stark und blockiert damit in Brüssel Reformen. Sie hat den mächtigen Deutschen Bauernverband an ihrer Seite, der seit Jahrzehnten für den Erhalt des Status quo kämpft. Allerdings könnte Klöckner auch ohne Brüssel handeln: 15 Prozent der Direktzahlungen können die EU-Staaten für andere Zwecke umverteilen, etwa für die Förderung der Biodiversität oder des Tierwohls. 530 Millionen Euro sind das in Deutschland pro Jahr.

Ökologie darf kein Nischenthema sein

Unterstützung erhalten die Agrar-Experten vom Umweltbundesamt (UBA), das mit neuen Daten zu den negativen Folgen der Landwirtschaft in die Diskussion einsteigt. „Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik muss es endlich schaffen, dass nicht mehr die Betriebe das meiste Geld bekommen, die die meisten Flächen bewirtschaften, sondern diejenigen, die am meisten für die Umwelt tun – zum Beispiel gezielter düngen, weniger Pestizide einsetzen oder Blühstreifen und Ausgleichsflächen für Insekten schaffen“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger.

Mehr Ökologie dürfe kein Nischenthema sein. „Wir brauchen mehr Umweltschutz auch in den konventionell arbeitenden Betrieben.“ Das UBA belegt seine Forderungen mit Zahlen: Die Bestände von Vogelarten, die sich typischerweise auf Agrarland aufhalten, nehmen weiter ab. Zeitgleich hat der Absatz von Pflanzenschutzmitteln einen Rekordwert von über 40.000 Tonnen erreicht und die Probleme mit Nitrat und Antibiotika in Ställen und im Grundwasser nehmen weiter zu. Die Zeit für eine Agrarwende scheint mehr als reif zu sein. cw


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