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Europäische UnionSo wird das nichts mit nachhaltigen Lieferketten

gerodete Fläche neben intaktem Wald
Deutscher Konsum sorgt vor allem in Indonesien für Entwaldung für die Palmölproduktion. (Bild: Vanessa Böttcher, flickr, CC BY-ND 2.0)

Verhandlungen auf europäischer Ebene über nachhaltige Lieferketten gehen in die heiße Phase. Umweltorganisationen warnen vor unzureichenden Standards und fehlender Verantwortung der Finanzbranche bei entsprechenden Gesetzesvorhaben.

06.09.2022 – Zwei Gesetzesvorhaben der Europäischen Union gewinnen aktuell in den EU-Gremien wieder an Fahrt und verfolgen das gemeinsame Ziel nachhaltiger Lieferketten: ein europaweites Lieferkettengesetz und eine Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten. Während ein EU-Lieferkettengesetz bei den Unternehmen ansetzt und diese zu einer größeren Sorgfaltspflicht bei der Einhaltung nachhaltiger Lieferketten verpflichten soll, verfolgt das Gesetzesvorhaben für entwaldungsfreie Lieferketten einen produktbezogenen Ansatz.

Demnach sollen Holz, Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch und Soja sowie daraus gewonnene Produkte künftig strengeren Importregularien unterliegen und nicht mehr in der EU vertrieben werden, wenn deren Herstellung Entwaldung verursacht hat. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag hatte die EU-Kommission im November letzten Jahres unterbreitet. Dazu hatte der EU-Umweltrat Ende Juni dieses Jahres eine gemeinsame Position verabschiedet, der Sorgfaltspflichten für Unternehmen vorsieht und die gesamte Landschaft in den Blick nimmt. Hauptgrund für Entwaldung ist die Ausdehnung der Landwirtschaft, mit einem Anteil von 90 Prozent. 16 Prozent der dabei angebauten Agrarrohstoffe werden in der EU konsumiert. Nur China ist für einen noch weitaus höheren Anteil verantwortlich.

1,3 Milliarden für entwaldungskritische Unternehmen

Voraussichtlich am 13. September wird das EU-Parlament über die Verordnung abstimmen. Die norwegische Umweltorganisation Harvest und die Deutsche Umwelthilfe mahnen dabei auch Finanzinstitute in Verantwortung zu nehmen. In einer gemeinsamen Studie zeigen sie auf, wie allein deutsche Finanzinstitute zwischen 2016 und 2021 Investitionen und Kreditfinanzierungen von 1,3 Milliarden US-Dollar für Produkte mit besonders hohem Entwaldungsrisiko bereitgestellt haben. Demnach wurden rund 300 globalen Unternehmen, die besonders entwaldungskritische Agrarprodukte wie Rindfleisch, Soja, Palmöl, Kautschuk, Holz sowie Zellstoff und Papier in Entwaldungs-Hotspots in Südostasien, Zentral- und Westafrika sowie in Teilen Südamerikas produzieren, 899 Millionen US-Dollar in Form von Krediten und Emissionsübernahmen bereitgestellt. Zudem investierten deutsche Finanzakteure etwa 423 Millionen US-Dollar in Anleihen und Aktien von Unternehmen mit hohem Entwaldungsrisiko.

Namentlich handelt es sich bei den Finanzinstituten vor allem um Deutsche Bank, Allianz, DZ Bank, Deka-Gruppe und Munich RE, die 95 Prozent der Gesamtinvestitionen ausmachen. Heraus sticht hierbei noch einmal die Deutsche Bank, mit mehr als der Hälfte aller Kredite und Investitionen. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, fordert: „Diesem verantwortungslosen Treiben muss die EU einen Riegel vorschieben. Sie muss Finanzinstitute unbedingt in die EU-Verordnung gegen importierte Entwaldung aufnehmen. Unternehmen müssen verbindliche Sorgfaltspflichten erfüllen und so sollten auch Finanzprodukte auf ihr Entwaldungsrisiko geprüft werden.“ Und Anahita Yousefi, Direktorin der Umweltorganisation Harvest, sagt: „Die Entwaldung und der Verlust der biologischen Vielfalt stellen nicht nur ein Risiko für das zukünftige Leben auf unserem Planeten dar, sondern auch für die Finanzinstitute, da sie sich auf verschiedene Wirtschaftssektoren auswirken. Wir können den Fußabdruck der Entwaldung in der EU nicht reduzieren, ohne auch den Finanzsektor einzubeziehen.“

Private Industriestandards nicht geeignet

Auch beim Vorhaben für ein europaweites Lieferkettengesetz, dass Unternehmen zu Sorgfaltspflichten in der gesamten Wertschöpfungskette ihrer Produkte verpflichten soll, geht es voran. Nachdem die EU-Kommission, auf Drängen des EU-Parlaments, im Februar einen Gesetzesvorschlag unterbreitet hatte, beschäftigen sich ab dieser Woche auch die zuständigen Gremien in Rat und Parlament damit. Neben der Beachtung von Menschenrechten, sieht der Kommissionsvorschlag auch Sorgfaltspflichten der Unternehmen bei Umweltauswirkungen und Klimafolgen vor und geht damit über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus, welches im Juni 2021 von der Großen Koalition verabschiedet wurde und ab Januar 2023 in Kraft treten soll.

Doch bereits bei der Vorstellung des Kommissionsvorschlages forderten EU-Parlamentarier:innen und Umweltverbände Verbesserungen. EU-Parlamentarierin Anna Cavazzini mahnte etwa an, kleine und mittelständische Unternehmen nicht pauschal rauszunehmen. Und Müller-Kraenner von der DUH kritisierte unter anderem fehlende Sanktionen bei Nicht-Einhaltung von Klimaschutzplänen. Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch befürchtet nun, dass bislang genutzte private Standards Einzug in den Nachweis erfüllter Sorgfaltspflichten im neuen EU-Lieferkettengesetz finden werden.

Auf Grundlage einer neuen Studie zeigt Germanwatch auf, dass diese Industriestandards nicht geeignet seien die Anforderungen einschlägiger Menschenrechts- und Umweltstandards wirksam umzusetzen. Besonders eklatant seien die Ergebnisse im Bereich der Transparenz. Johanna Sydow, Rohstoffexpertin bei Germanwatch, kritisiert: „Kaum ein Standard stellt ausreichend Informationen für Unternehmen bereit, damit diese ihren Sorgfaltspflichten tatsächlich nachkommen können. Ein Teil überprüft erst gar nicht, ob die gestellten Anforderungen tatsächlich umgesetzt werden. Ebenso alarmierend ist, dass keiner der Standards einen Beschwerdemechanismus für Betroffene hat, der mit den UN-Leitprinzipien für die Umsetzung von Menschenrechten in Lieferketten konform ist.“ mf


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Kommentare

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Maria garrido 06.09.2022, 08:20:25

Finally!


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