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EU-KommissionsvorschlagWeitaus strenger als das deutsche Lieferkettengesetz

Ein Kind pflückt Teeblätter in der Sonne
Für Tee in Europa sind zum Teil Kinder in Indien im Einsatz. Dieser Praxis soll mit einem europäischen Lieferkettengesetz Einhalt geboten werden. (Bild: Bauer, flickr, CC BY-SA 2.0)

Produkte in der EU könnten bald deutlich strengeren Kontrollen unterliegen. Ein Kommissionsvorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz geht weit über das Deutsche hinaus. Doch auch die Kommission wartet mit Schlupflöchern auf.

24.02.2022 – Das EU-Parlament hatte die Kommission bereits im Oktober 2020 in einer Resolution dazu aufgerufen einen Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz vorzulegen. Doch die Kommission ließ sich Zeit. Nun, nach drei Verschiebungen, veröffentlichte sie gestern einen entsprechenden Gesetzesvorschlag. Und der stößt im Parlament durchaus auf Lob. Zugleich kündigt die Fraktion der Grünen im Europaparlament an, auf weitere Verbesserungen hinzuarbeiten.

Die EU-Kommission setze mit dem Vorschlag einen neuen globalen Standard, sagt Anna Cavazzini, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. „Wir begrüßen, dass die EU-Kommission, zusätzlich zu den menschenrechtlichen auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten vorschlägt und Unternehmen dazu verpflichtet, die Klimafolgen ihrer Betriebe zu analysieren und ihre Strategien an den grünen Wandel anzupassen.“

Dem Deutschen weit voraus

Das deutsche Lieferkettengesetz, welches im Juni 2021 von der Großen Koalition verabschiedet wurde und ab Januar 2023 in Kraft treten soll, sieht eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht vor. Umweltaspekte werden aber nur dann berücksichtigt, wenn sie in einem gewissen Zusammenhang zu einer Menschenrechtsverletzung, zum Beispiel einer Gesundheitsschädigung, stehen. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, Sorgfaltspflichten der Unternehmen auch für Umweltauswirkungen wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, Emissionen oder übermäßigen Wasserverbrauch einzuführen. Sollten Umweltschäden auftreten, sind die Unternehmen verpflichtet Maßnahmen dagegen zu ergreifen.

Zudem sieht der Kommissionsvorschlag vor, Unternehmen zu verpflichten, die Klimafolgen ihrer Betriebe zu analysieren und ihre Strategien an den grünen Wandel anzupassen. Das fehlt ebenso im deutschen Lieferkettengesetz, wie eine zivilrechtliche Haftung. Die Kommission will auf EU-Ebene sicherstellen, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können bei Verstößen gegen ein Lieferkettengesetz. Damit könnten auch Menschen aus Nicht-EU-Ländern gegen Verstöße bei der Produktion der Produkte klagen.

Das deutsche Lieferkettengesetz soll ab 2023 bei Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeiter:innen greifen und ein Jahr später ab einer Größe von 1.000 Mitarbeiter:innen. Die EU-Kommission hingegen sieht vor, dass die Sorgfaltspflichten bereits bei Unternehmen ab einer Größe von 500 Beschäftigten und einem weltweiten jährlichen Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten sollen. In Branchen, wo das Risiko für die Verletzung von Umweltstandards und Menschenrechtsverletzungen besonders hoch ist, soll das Gesetz schon bei einer Größe von 250 Mitarbeiter:innen greifen.

Weitere Verbesserungen nötig

Anna Cavazzini, sowie weiteren EU-Parlamentarier:innen und Umweltverbänden geht auch diese Größenordnung nicht weit genug. Die Befreiung aller kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) bedeute, dass 99 Prozent der Unternehmen in der EU weiterhin Business as usual betreiben können, so Cavazzini. „Zwar muss es Abstufungen nach Risiko und Größe geben, aber eine pauschale Ausnahme von KMU, selbst wenn sie in Risikosektoren aktiv sind, ist eine verpasste Chance.“ Cavazzini kritisiert zudem, dass sich die Sorgfaltsprüfung auf etablierte Geschäftsbeziehungen beschränkt. Ein Unternehmen, das ständig seine Zulieferer wechselt, könnte die Regeln umgehen.

Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sind auch die Klimasorgfaltspflichten nicht streng genug gefasst. Es solle nur die Vorgabe für Unternehmen geben, einen Klimaschutzplan vorzulegen. Dessen Nicht-Einhaltung werde aber nicht mit klaren Sanktionen verbunden. „Hier hat die EU-Kommission ganz klar dem Druck von Wirtschaftslobbyisten nachgegeben“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch kritisiert, die EU-Kommission habe es versäumt die Frage der Beweislast zu klären. Cornelia Heydenreich, Teamleiterin Unternehmensverantwortung bei Germanwatch, erläutert: „Betroffene können in der Regel auf Grundlage öffentlich zugänglicher Informationen nicht beweisen, dass ein Unternehmen seine Sorgfaltspflichten verletzt hat, weil sie keinen Einblick in Unternehmensentscheidungen haben.“ Auch eine Regelung, die Schäden nach der ersten Lieferkettenebene von der Haftung ausnimmt, dürfe nicht zum Schlupfloch werden.

Germanwatch und die DUH fordern die deutsche Bundesregierung auf, ihren Einfluss im EU-Rat zu nutzen und ein wirksames EU-Lieferkettengesetz zu unterstützen. Die Ampel-Parteien hatten im Koalitionsvertrag eine entsprechende Unterstützung angekündigt, aber zugleich erklärt, man wolle kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordern. Neben dem Rat wird sich auch das EU-Parlament mit dem Gesetzesvorschlag befassen. Die Grünen Fraktion kündigt Änderungsvorschläge an. mf


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