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Gas aus dem SenegalDer klimafreundlichen Entwicklung im Weg

Küste mit Fauna. Im Hintergrund Bau einer Gasplattform
Der Bau von Gas-Infrastruktur vor der Küste, wie hier in Israel, birgt erhebliche Gefahren für schützenswerte Gebiete. (Bild: Deror Avi, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Zur Deckung künftiger Gas-Bedarfe Deutschlands steht eine Kooperation mit dem Senegal zur Debatte. Doch kurzfristig wird dies nicht helfen und könnte langfristig enorme Schäden – auch wirtschaftlich – anrichten.

20.07.2022 – Rund 40 Staaten hatten vergangenen November auf der Klimakonferenz in Glasgow vereinbart, kein neues öffentliches Geld mehr in fossile Infrastrukturen im Ausland zu investieren, außer unter eng begrenzten Umständen, die im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen. Infolge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und zunehmenden Spannungen auf dem Gasmarkt aber, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch im afrikanischen Senegal im Mai eine Korrektur dieser Politik an.

Senegal verfügt gemeinsam mit Mauretanien über riesige Gasvorkommen vor der Küste. Ab Herbst 2023 wollen beiden Länder Flüssigerdgas exportieren. Dafür wird ein schwimmendes LNG-Terminal an der Seegrenze der beiden Staaten geplant. Mit einer anfänglichen Produktionskapazität von 3,4 Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas pro Jahr, soll diese bis 2030 auf 30 Milliarden Kubikmeter jährlich steigen. Betreiber wird der internationale Öl- und Gaskonzern BP sein. Das Projekt ist zunächst auf 20 Jahre angelegt, könnte aber bei der Erschließung zusätzlicher vorhandener Gasfelder noch deutlich länger laufen.

Und Deutschland soll dazu mit weiteren Investitionen beitragen. Nach einem Gespräch mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall, erklärte Scholz, man wolle eine solche Kooperation intensiv verfolgen. Auf Drängen des Bundeskanzlers bekannten sich in der Folge auch auf dem G7-Gipfel in Elmau die weiteren führenden Industriestaaten zu neuen öffentlichen Investitionen in Gas-Infrastrukturen und einer Aufweichung der Vereinbarung von Glasgow. Nun dürfe jedes Land selbst definieren, was begrenzte Umstände für Ausnahmen bedeuten.

Bundesregierung gibt sich bedeckt

Was genau bei dem Besuch des Kanzlers im Senegal vereinbart wurde ist unbekannt, wie Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), bei einem Hintergrundgespräch mitteilte. Auf Anfrage der DUH habe sich die Bundesregierung in dieser Hinsicht bedeckt gegeben. Müller-Kraenner erkannte an, dass es voraussichtlich des Importes von Flüssigerdgas bedarf, um durch den kommenden Winter zu kommen, doch senegalesisches LNG, dass frühestens ab Ende 2023 verfügbar seien wird, helfe dabei nicht.

„Die Energielücke im kommenden Winter schließen wir damit nicht. Dagegen entsteht mit dem Bau einer neuen Plattform vor der Küste Senegals und Mauretaniens eine Infrastruktur, die die langfristige Abhängigkeit von fossiler Energie manifestiert und die Erschließung weiterer Gasquellen erfordert“, so Müller-Kraenner.

Die Planungen erstrecken sich aktuell über Gasvorkommen auf einer Fläche von 33.000 km2. DUH und die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald schätzen das gesamte Gasproduktionspotenzial auf 425 Milliarden Kubikmetern. Sie verweisen zudem darauf, dass BP derzeit Optionen für weitere Erschließungsphasen des Beckens prüft, das bis zu 1.133 Milliarden Kubikmeter Gas enthalten soll. Dies würde einen CO2-Austoß von 2,2 Milliarden Tonnen verursachen – fast das doppelte der jährlichen Energieemissionen des afrikanischen Kontinents.

Gefahr auch für Umwelt und Wirtschaft

Nicht nur die negativen Auswirkungen auf den Klimaschutz wären immens, auch die Biodiversität würde leiden, wie Yero Sarr, Klimaktivist von Fridays for Future im Senegal, beim Gespräch deutlich machte. Die geplante Gas-Infrastruktur befinde sich inmitten schützenswerter Gebiete, so Sarr. Sie bietet etwa Millionen Zugvögeln auf ihrer Reise eine Zuflucht. DUH und urgewald weisen darauf hin, dass sich unweit – in 5 bis 35 km Entfernung – der geplanten Gebiete zur Gasförderung und -verschiffung drei Nationalparks befinden, mit einer schützenswerten Flora und Fauna, von Mangroven und Akazienwäldern über Meeresschildkröten, hin zu Affen, Waranen, Vögeln sowie Walen und Delphinen. Das Gebiet, wo die schwimmenden LNG-Terminals gebaut werden sollen, gilt als Futtergebiet für viele Meeresarten.

Fehlende Nahrung hätte auch immense Auswirkungen auf die Fischerei im Senegal. Diese gilt als wichtige Stütze der senegalesischen Wirtschaft. Tausende Fischer:innen sind täglich im Meer vor Senegal unterwegs. „Die Bundesrepublik Deutschland darf sich nicht an diesem Projekt beteiligen, das Tausenden von Menschen und der Biodiversität schaden könnte. Es steht der klimafreundlichen Entwicklung im Senegal und den Klimazielen im Weg“, so Sarr.

Laut einer Studie von Climate Action Tracker, wäre es volkswirtschaftlich gesehen sinnvoller auf Erneuerbare Energien, statt Gas-Infrastrukturen zu setzen. Pro Megawattstunde (MWh) Strom würden Erneuerbare viermal so viele Jobs schaffen. Demnach könnten mit einem Ausbau Erneuerbarer im Einklang mit dem 1,5 Grad Pfad im Zeitraum von 2021 bis 2030 durchschnittlich jährlich 6.700 Arbeitsplätze pro MWh geschaffen werden, gegenüber nur 1.500 Arbeitsplätzen bei der derzeitigen Politik.

Und dies gilt nicht nur für den Senegal. „Der Senegal ist ein Land von vielen, in dem die Gasinfrastruktur für den Export ausgebaut werden soll“, sagte Regine Richter, Kampaignerin von urgewald. Allein in Afrika seien in Kamerun, Dschibuti, Mosambik, Nigeria, Republik Kongo und Tansania Flüssigerdgasterminals für den Export geplant. Dafür spiele die Finanzierung mit öffentlichen Geldern eine wesentliche Rolle. Wenn Deutschland und Europa nun in Afrika öffentliche Gelder für fossile Infrastruktur bereitstelle, schwäche dies deren Postion in den Verhandlungen für mehr Klimaschutz auf der kommenden Klimakonferenz in Ägypten, warnte Richter. Manuel Först


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