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Fossile EnergiekriseDeutschland bereitet sich auf möglichen Gaslieferstopp Russlands vor

Erdgas Infrastruktur
Russland droht, den Gashahn zuzudrehen: Deutschland bereitet sich auf möglichen Lieferstopp vor. (Bild: Anita starzycka / pixabay)

Die G7-Staaten lehnten Anfang der Woche Russlands Forderung ab, Gaslieferungen mit Rubel zu bezahlen. Es droht ein Gaslieferstopp. Deutschland hat nun die Frühwarnstufe des Gasnotfallplans ausgerufen. Die Versorgung sei jedoch derzeit gesichert.

31.03.2022 – Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat gestern die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Es bestünden keine akuten Versorgungsengpässe, betonte das BMWK. Russland hatte mit einem Lieferstopp gedroht, wenn Gaslieferungen nicht ab April in Rubel bezahlt würden. Die G7-Staaten hatten dies am Montag einheitlich abgelehnt.

Deutschland erhöht Vorsorgemaßnahmen

Deutschland hat einen bundesweit geltenden Plan, in dem geregelt ist, wie die Bundesrepublik im Notfall mit Gas versorgt wird. Der Plan sieht drei Stufen vor, die anzeigen, wie stark der Staat in den Energiemarkt eingreift. In der ersten Stufe – der Frühwarnstufe – tritt ein Krisenteam aus Bundes- und Landesbehörden sowie Energieversorgern regelmäßig zusammen, um die Lage einzuschätzen. Diesen Schritt hat das BMWK nun getan.

Gashändler und -lieferanten, Fernleitungs- und Verteilnetzbetreiber sind dabei dazu verpflichtet, an der Lagebeurteilung teilzunehmen. Der Staat greift jedoch in der ersten und zweiten Stufe noch nicht in den Markt ein. Die Markteilnehmer sind vielmehr aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Versorgung zu gewährleisten.

Es ist das erste Mal, dass der Notfallplan in Deutschland eingesetzt wird. Er basiert auf der SoS-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates, in der Maßnahmen für eine sichere Gasversorgung im Krisenfall festgelegt sind. Vor Deutschland haben in den vergangenen Wochen bereits Italien und Lettland die Frühwarnstufe ausgerufen.

Russland droht mit Stopp der Gaslieferungen

Die Frühwarnstufe greift dann, wenn konkrete Ereignisse eine deutlich schlechtere Versorgung mit Gas wahrscheinlich machen. Das konkrete Ereignis war für Deutschland die Ablehnung der G7-Staaten, russisches Gas ab April mit Rubel zu bezahlen. Russland hatte zuletzt eine Bezahlung mit Rubel gefordert, um den schwachen Rubelkurs zu stützen und mit einem Gaslieferstopp gedroht, wenn der Forderung nicht nachgekommen werde.

Die G7-Staaten lehnten dies am Montag gemeinsam ab. Zum einen würde die Bezahlung mit Rubel westliche Sanktionen gegen die russische Zentralbank schwächen. Zum anderen ist die Forderung eine Vertragsverletzung, die die G7 nicht akzeptieren. Laut BMWK ist die Bezahlung von russischen Gaslieferungen an deutsche, europäische oder andere Firmen der G7-Staaten mit Euro oder Dollar in privatrechtlichen Verträgen geregelt.

Deutschland importiert durchschnittlich rund 50 Prozent seines Erdgasbedarfs aus Russland. Dabei wird ein Großteil des Erdgases zum Heizen oder in der Lebensmittel- oder in der Chemieproduktion direkt verbrannt. Die Bundesregierung arbeitet daran, die Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren. Laut des am vergangenen Freitag veröffentlichten Fortschrittsbericht Energiesicherheit könnte dieser Anteil bis Ende des Jahres auf rund 30 Prozent gesenkt und eine weitgehende Unabhängigkeit bis zum Sommer 2024 erreicht werden.

Versorger bereiten sich auf Knappheitsfall vor

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) befürwortete die Einleitung des Notfallplans. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing forderte jedoch auch frühzeitige Informationen dazu, wie Stadtwerke im Krisenfall vorzugehen hätten. Man benötige klare Kriterien und Rechtssicherheit in der Frage, wer zu priorisieren sei und wem wie viel Gas geliefert werden solle.

Sollte sich die Lage trotz der in Stufe eins und zwei ergriffenen Maßnahmen weiter verschlechtern, kann per Verordnung die Notfallstufe ausgerufen werden. Voraussetzung ist, dass eine "außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas, eine erhebliche Störung der Gasversorgung oder eine andere erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage", vorliegen. Auch die Priorisierung bestimmter Verbrauchergruppen ist hier grundsätzlich geregelt.

Im akuten Knappheitsfall greifen umfangreiche regulierende Maßnahmen: Die Bundesnetzagentur übernimmt in Abstimmung mit den Netzbetreibern zentral die Gasverteilung. Haushalte, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Infrastruktur zur Wärmeversorgung von Haushalten würden dann bevorzugt behandelt.

Versorgungskrise als Chance für den Wandel

Das BMWK betonte, dass aktuell keine Engpässe bestehen und die Versorgung gesichert sei. Das heißt, es ist derzeit ausreichend Gas am Markt erhältlich und weder private Verbraucher noch die Industrie müssen mit Engpässen über die kommenden Wochen und Monate rechnen. Sollte Russland die Gaslieferungen tatsächlich einstellen, würde es frühestens ab dem kommenden Winter zu Engpässen kommen. Bis dahin ist es allerdings wahrscheinlich, dass die Gas- und Energiepreise weiter steigen. Die Bundesregierung hat für diesen Fall weitere Entlastungen angekündigt.

Zudem sei ab sofort jeder Gasverbraucher – von der Wirtschaft bis zu Privathaushalten – angehalten, den Verbrauch so weit wie möglich zu reduzieren. Michael Sterner, Professor an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg, sieht das größte Potenzial für Gaseinsparungen im Bereich der Raum- und Gebäudewärme, die 50 Prozent des deutschen Gasbedarfs ausmachen. Die energieintensive Industrie sei hingegen bereits auf kosten- und Wettbewerbseffizienz getrimmt.

„Ob Versorgungskrise oder Standortsicherung: Dieser Schritt der Umstellung auf erneuerbare Energien ist im Zuge des Klimaschutzes ohnehin notwendig. Der Ukrainekrieg und damit die Versorgungskrise beschleunigt das lediglich. Eine Krise kann immer auch als Chance genutzt werden, die wir ergreifen sollten. Nicht nur aus moralischer Sicht gegenüber der Ukraine, sondern auch aus Rück-Sicht auf die kommenden Generationen in der Voraus-Sicht gegenüber dem Klima. Das ist die Krise, die uns wesentlich länger begleitet und wesentlich mehr Ländereien rauben wird“, so Sterner. Julia Broich


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