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KohleindustrieDeutschlands klimaschädliche Unterstützung Russlands

Ein Bagger und Lastwagen in einer Kohlemine
Eine Kohlemine in Russland (Bild: form PxHere, Public Domain)

Die Commerzbank vergibt Gelder an russische Kohleproduzenten und von dort landen Millionen Tonnen Steinkohle in deutschen Kraftwerken. Der schwierige Kampf gegen Russlands Kohlewirtschaft wurde jetzt mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

04.10.2021 – Die Aktiengesellschaft Siberian Coal Energy Company, kurz JSC SUEK, ist größter Kohleproduzent Russlands und viertgrößter Kohlelieferant der Welt. Über 100 Millionen Tonnen Kohle werden in den aktuell 28 Minen von JSC SUEK jährlich abgebaut. Der Ausbau und die Erschließung weiterer Minen sind bereits in Planung, um weitere 25 Millionen Kohle jährlich abzubauen. Auch baut oder plant SUEK an fünf Standorten neue Kohlekraftwerke. 27 Kohlekraftwerke sind bereits im Besitz des Unternehmens.

Finanziert wird dieses Gebaren unter anderem von der deutschen Commerzbank. Eine Finanzrecherche der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald ergab, dass die Bank von Oktober 2018 bis Oktober 2020 Kredite in Höhe von 240 Millionen US-Dollar an SUEK vergab. Das Unternehmen sei damit ein Top-Kunde der Bank, teilt urgewald mit. Auch beim geplanten Ausbau und Erschließung neuer Kohleminen und –kraftwerken, wird die Commerzbank sich laut Recherchen von Bloomberg wahrscheinlich mit Anleihen beteiligen.

Über die Hälfte der abgebauten Kohle exportiert SUEK derweil in andere Länder – unter anderem nach Deutschland. 2019 erhielten deutsche Kohlekraftwerke unter anderem von Uniper und EnBW 17,2 Millionen Tonnen Steinkohle aus den Minen SUEKs und anderer Bergbauunternehmen in Russland.

Missachtung von Umwelt- und Sozialstandards

Vladimir Slivyak, Vorsitzender der russischen Umweltorganisation Ecodefense, kritisiert die Verwicklungen deutscher Unternehmen. „Kohleproduzenten wie SUEK missachten Umwelt- und Sozialstandards. Die Folgen des Kohleabbaus in Russland sind massive Luft- und Wasserverschmutzung sowie schwere Krankheiten. Dies bedeutet schreckliche Lebensbedingungen für die Menschen, die in der Nähe der Kohleminen leben“, sagt Slivyak.

Abgebaut wird die Kohle hauptsächlich im Kusnezker Becken, kurz Kuzbass, in Sibirien. Dort sei die Sterblichkeit um 16 Prozent höher als im Landesdurchschnitt, so Slivyak. Unter hohen staatlichen Repressionen geht Ecodefense in Russland seit 1989 gegen Atomkraft und später gegen die Kohleindustrie vor. Für sein Engagement wurde Slivyak als Mit-Gründer und Vorsitzender von Ecodefense nun mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet.

Die Auszeichnung wird auch als Alternativer Nobelpreis bezeichnet und anerkannt. Seit 1980 verliehen, würdigt dieser Menschen, die sich unter anderem für bürgerliche Freiheiten sowie Klima- und Umweltschutz einsetzen. Im letzten Jahr gehörte auch Greta Thunberg zu den Ausgezeichneten. Ermutigt durch den wachsenden Einfluss junger Klimaaktivist:innen sei er auf Kurs geblieben, zitiert die Zeit Slivyak, der dieses Jahr neben zwei weiteren Aktivistinnen aus Kanada und Kamerun sowie einer Umweltschutzorganisation aus Indien ausgezeichnet wurde.

Unter strenger Beobachtung

In einem Interview mit der energiezukunft 2018 sprach Slivyak über die Probleme, die ihnen der russische Staat bereite. Das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz etwa zwingt Ecodefense zur Offenlegung aller Finanzen und Aktivitäten an die russische Regierung. Auch werden sie in der Öffentlichkeit diffamiert, als von ausländischen Kräften gesteuerte Organisation.

„Die meisten Menschen in Russland haben keine Ahnung was Umweltorganisationen machen. Es geht vielen Menschen in Russland wirtschaftlich sehr schlecht und die russische Regierung hat große Angst, dass die Menschen deswegen auf die Straße gehen und Veränderung fordern. Und wir werden, genau wie Menschenrechtsbewegungen, von der Staatsmacht als die Organisatoren einer möglichen Revolution gesehen. Deswegen werden wir klein gehalten und in ein negatives Licht gerückt“, sagte Slivyak.

Doch Ecodefense ließ sich nicht entmutigen. Gemeinsam mit deutschen Organisationen verhinderten sie den Bau eines nuklearen Reaktors in Kaliningrad, der gerade einmal 600 km von Deutschland entfernt gewesen wäre. Durch Veröffentlichung geheim gehaltener Verträge verhinderte Ecodefense auch den Bau eines Atomreaktors durch einen russischen Atomkonzern in Südafrika. Im Kuzbass organisierte Ecodefense ein Netzwerk, das einen Austausch vieler Dörfer und kleiner Städte zu den Nachteilen der Kohleproduktion ermöglichte, und erfolgreiche Proteste ermöglichte.

Energiewende in Russland?

Im Oktober letzten Jahres veröffentlichte Eceodefense einen viel beachteten Report, der auf die gesundheitlichen und umweltschädlichen Probleme der Kohleproduktion aufmerksam machte. In der Folge und unter dem öffentlichen Druck erklärte sogar die russische Regierung im Juli dieses Jahres den Anteil der Kohleenergie in Russland künftig zu verringern. Von einer echten Energiewende kann in Russland jedoch weiterhin keine Rede sein. Das machen nicht zuletzt die Planungen der Siberian Coal Energy Company deutlich.

Slivyak fordert: „Deutsche Banken wie die Commerzbank, aber auch Energiekonzerne wie Uniper und EnBW sollten diese ökologische und humanitäre Katastrophe im Kuzbass, aber auch anderen Teilen Russlands nicht länger unterstützen. Sie sollten die Finanzierung bzw. die Verbrennung von Kohle einstellen.“ Mithilfe von urgewald befindet sich Slivyak derzeit in Deutschland. Ohnehin schon als ausländischer Agent eingestuft, war der Druck gegen ihn vor den russischen Parlamentswahlen Mitte September noch einmal deutlich erhöht worden. mf


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