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DigitalisierungDigitale Ökonomie ist nicht nachhaltig

Der Energieverbrauch und die Emissionen der Digitalwirtschaft steigen stetig. Sie ist damit ein Treiber ökologischer Krisen, anstatt ein Teil ihrer Lösung zu sein. Ein aktueller Report skizziert Hebel für eine Neuausrichtung.

06.10.2022 – Die Zukunft ist digital – aber die digitale Ökonomie trägt aktuell nicht dazu bei, das Pariser 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Das Gegenteil ist der Fall, wie der Bericht Digital Reset zeigt. Er trägt bereits in seinem Titel seine zentrale Forderung nach einem grundlegenden Wandel bei der Digitalisierung und wurde in einem gemeinsamen Projekt der TU Berlin und des Einstein Center Digital Future erarbeitet. Kurz vor der diesjährigen Bits-und-Bäume-Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit wurde er vorgestellt.

Stromverbrauch der Digitalisierung könnte sich verdoppeln bis 2030

Der Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen der Digitalwirtschaft steigen laufend an, und in ihrer derzeitigen Form trägt die Digitalisierung eher zur Verschärfung sozialer und ökologischer Krisen bei, anstatt sie zu lösen. So macht die Herstellung und Nutzung digitaler Geräte und Dienstleistungen bereits heute rund 8 bis 10 Prozent der weltweiten Stromnachfrage aus. Szenarien gehen von einem weiteren Anstieg um 50 bis 80 Prozent bis 2030 aus.  Zwar haben sich viele Tech-Unternehmen eigene Klimaziele gesetzt, diese stellen sich jedoch als unzureichend heraus. Der Report zeigt, wie die Digitalwirtschaft umlenken kann und wie digitale Technologien dabei helfen können, alle Wirtschaftssektoren auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen.

„Keines der Big-Tech-Unternehmen befindet sich auf einem Entwicklungspfad, der mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris kompatibel ist. Unsere Analyse zeigt, dass sich der Energieverbrauch von Alphabet und Meta in den letzten fünf Jahren rund verdreifacht hat, linear zu ihren Einnahmen – und das trotz massiver Effizienzsteigerungen in ihren riesigen Rechenzentren“, berichtet Tilman Santarius von der TU Berlin, einer der Leitautoren des Reports.  Die beiden großen umweltpolitischen Hoffnungen, Digitalisierung könne die Energieeffizienz steigern und digitale Dienstleistungen physische Produkte ersetzen, stellten sich in der Realität nicht ein. Das Einsparpotenzial der Digitalisierung werde leider durch die intensivere Nutzung digitaler Technologien aufgefressen.

Grundlegende Neuausrichtung notwendig

Die 15 renommieren europäischen Expert:innen verschiedener Disziplinen fordern nicht weniger als eine grundlegende Neuausrichtung der digitalen Ökonomie. Die Digitalisierung müssen mit dem Ziel gestaltet werden, die Ursachen nicht nachhaltiger Produktions- und Konsummuster zu beseitigen anstatt bloß deren Symptome zu lindern. Zuallererst müssten der ökologische Fußabdruck und die sozialen Kosten der Herstellung und des Betriebs von digitalen Endgeräten, Rechenzentren und Infrastrukturen verringert werden. Eine Kombination von Maßnahmen wird vorgeschlagen, die nicht nur auf Effizienz, sondern vor allem auf Suffizienz und Kreislaufwirtschaft abzielen.

Weiter müssten die Geschäftsmodelle der großen Tech-Unternehmen dringend auf das Gemeinwohl ausgerichtet werden. Steffen Lange von der TU Berlin, einer der Leitautoren des Reports, räumt ein: „Das ist keine leichte Aufgabe, denn die Politik muss hier beim Kerngeschäft der mächtigsten Unternehmen der Welt ansetzen. In unserem Report zeigen wir, wie eine Verschärfung des Monopolrechts, die konsequente Durchsetzung sozialer, ökologischer und ökonomischer Standards und zugleich die Förderung alternativer Geschäftsmodelle einen Richtungswechsel einleiten können.“

Daten gemeinwohlorientiert nutzen

Außerdem sehen die Autor:innen in der gemeinwohlorientierte Nutzung digitaler Daten ein zentrales Ziel. Gleiches gelte für die Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI). Der Report schlägt vor, dass Entwickler:innen von KI-Systemen verpflichtend über Energieverbrauch und Emissionen während der Entwicklungs- und Trainingsphase berichten müssen. Denn nur auf dieser Grundlage kann die Politik sicherstellen, dass die Anwendungen tatsächlich Einsparungen erzielen.

Der größte Teil des Reports legt politische Maßnahmen vor, wie Digitalisierungsprozesse so gestaltet werden können, dass sie einer tiefgreifenden Nachhaltigkeitstransformation aller Wirtschaftssektoren – Landwirtschaft, Mobilität, Industrie, Energie, Wohnen und Konsum – dienen.

Konferenz Bits und Bäume in Berlin

„Die Bits dürfen uns nicht die Bäume kosten.“ Diese Forderung brachte am vergangenen Wochenende über 2.500 Teilnehmende zur Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit nach Berlin. Auf Einladung von 13 Organisationen aus Umwelt,- Klima- und Naturschutz, Digitalpolitik, Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft trafen sich Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen und Politiker:innen, um politische Forderungen und Handlungsansätze für eine nachhaltige Digitalisierung zu diskutieren. Mit mehr als 60 Forderungen für eine gerechte und demokratische Digitalisierung innerhalb planetarer Grenzen präsentierten die Veranstalter einen Gegenentwurf zur Digitalstrategie der Bundesregierung. Bei der Entwicklung politischer Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Digitalisierung müssten umwelt- und netzpolitische Akteurie in laufende Strategieprozesse viel stärker eingebunden werden.

Zahlreiche Beiträge auf der Konferenz widmeten sich aktuellen Themen wie der Energiewende sowie der Diskussion rund ums Heizen. Unter anderem wurden digitale Tools vorgestellt, um das Energiesystem zu dekarbonisieren und zu demokratisieren, sowie digitale Methoden für signifikante Einsparungen von Heizenergie.

Für Juni 2023 ist die nächste Regionalkonferenz der „Bits & Bäume“ in Nordrhein-Westfalen angekündigt. pf

 


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