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Verkehr und WärmeEin erweiterter Emissionshandel würde zu spät greifen

Bild einer Brücke mit Schiffen die drunter durchfahren und Autos die drüber hinweg fahren. Im Hintergrund Altbauten.
Der Verkehr und Gebäudewärmebereich sind Treiber des Klimawandels. Eine vernünftige CO2-Bepreisung könnte die Emissionen in diesen Sektoren deutlich reduzieren. (Foto: Pexels, CC0 Public Domain)

Industrie und Teile der CDU fordern eine Erweiterung des Emissionshandels auf Verkehr und Wärme. Doch nach neuesten Analysen könnte damit der CO2-Ausstoß erst ab 2023 reduziert werden. Eine CO2-Steuer hingegen wäre nach drei Monaten wirksam.

21.08.2019 – Ob nun in den bestehenden Emissionshandel EU-ETS für Industrie und den Energiesektor integriert, oder parallel dazu betrieben – grundsätzlich gibt es keine unüberwindlichen Hindernisse für Gebäudewärme und Verkehrsbereich ein Emissionshandelssystem einzuführen. Dies könnte Deutschland allein, oder zusammen mit anderen EU-Staaten umsetzen, wie das Ökoinstitut in einer Analyse im Auftrag der Agora Energiewende darlegt. Doch dabei warnen die Experten auch, dass sich so der CO2-Ausstoß frühestens ab 2023 reduzieren ließe und führen dafür eine Reihe von Gründen auf:

  1. In vielen Bereichen müssten neue gesetzliche Regelungen geschaffen werden. Würde Deutschland etwa im Alleingang Verkehr und Wärme in den EU-Emissionshandel einbeziehen, müssten sie umfangreiche Verhandlungen mit EU-Kommission und -Mitgliedsstaaten führen, um relevante EU-Regelungen zu ändern. Dieser Prozess würde sogar fünf Jahre in Anspruch nehmen, so die Experten des Ökoinstituts.
  2. Zudem müssten aufwendige Regelungen geschaffen werden, um eine Doppelregulierung mit dem bestehenden Emissionshandelssystem zu vermeiden. Dies wäre auch bei einem neuen EU weiten ETS für Wärme und Verkehr der Fall. Auch müssten Lösungen für bisher nicht vom EU-ETS erfasste Teile der Industrie gefunden werden.
  3. Der Aufbau der Infrastruktur und Datenbasis würde ebenfalls viel Zeit beanspruchen. Zunächst müsste der Bedarf an CO2-Zertifikaten ermittelt und daraufhin deren Ausgabe über Auktionsplattformen rechtlich geregelt werden. 12 Monate würde allein dieser Prozess in Anspruch nehmen, zusätzlich zur Aushandlung der Regularien.
  4. Auch Tausende Unternehmen müssten sich erst mal auf das neue System einstellen und Wege finden ihre CO2-Emissionen zu überwachen und abzurechnen. Das Ökoinstitut warnt dabei vor einer Klagewelle der Betroffenen, wie es schon bei der Einführung des EU-ETS 2005 der Fall war.  

Den Befürwortern des Emissionshandels Wind aus den Segeln nehmen

Insgesamt 18 verschiedene Umsetzungsoptionen mit jeweils mehreren Varianten, beleuchteten die Experten des Ökoinstituts unter der Leitung von Felix Matthes. „Es ist das erste Mal, dass die Einführung eines Emissionshandels für die bisher nicht vom europäischen Emissionshandel erfassten Sektoren in allen möglichen Ausdifferenzierungen durchdekliniert wurde“, sagt Matthes. Er und sein Team sehen die Analyse dabei bewusst als Gegenpol zu den Stimmen, die eine Ausweitung des Emissionshandels als einfach zu einführendes marktwirtschaftliches Instrument darstellen.

So legten Berater von Wirtschaftsminister Peter Altmaier vergangenen Monat eine radikal marktwirtschaftliche Lösung mit zwei getrennten Emissionsmärkten für die Sektoren Gebäude und Wärme vor. Innerhalb eines Mindest- und Höchstpreises für die Tonne CO2 würden sich über den Markt die Emissionen entsprechend reduzieren. Auch ein Kohleausstiegsdatum wäre nach Ansicht der Berater aus dem Wirtschaftsministerium damit obsolet. Unterstützung erhielt dieser Plan sogleich von der Industrielobby, die unter diesen Bedingungen nicht stärker belastet würde.

Doch die Analyse des Ökoinstitut zeigt, wie schwierig und zeitraubend die Umsetzung eines Emissionshandelssystems für Verkehr und Wärme ist. Dazu komme auch noch, dass im September 2021 Bundestagswahlen anstehen, wodurch Gesetzesvorhaben noch einmal verzögert würden, wie Patrick Graichen von Agora Energiewende darlegt. Ganz anders hingegen sei dies bei einer CO2-Bepreisung auf Grundlage einer Steuer. „Das kann man in drei Monaten schaffen, wie die Ökosteuerreform 1999 gezeigt hat“, so Graichen. Das bestehende Energiesteuersystem ließe sich demnach schnell ändern, sodass die CO2-Emissionen im Wärme- und Verkehrssektor einen wirksamen Preis bekämen. mf


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