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Wachstum und EmissionenGrünes Wachstum auf dem Prüfstand

Leere Flugsteige im Flughafengebäude von Palma de Mallorca
Die Industrieländer müssen ihre Wirtschaften auf Suffizienz ausrichten, so das Fazit der Studie zu den Erfolgen von grünem Wachstum. (Foto: Friedrich Haag auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Grünes Wachstum ist ein Trugbild. Die Fortschritte in Ländern, die Wirtschaftswachstum und Emissionen entkoppeln konnten, sind zu klein, um den Klimakollaps zu verhindern. Der Weg zur Netto-Null würde immer noch 220 Jahre betragen.

25.09.2023 – Seit vor 50 Jahren der Diskurs über die Grenzen des Wachstums begann, sind die Emissionen und der Verbrauch natürlicher Ressourcen gestiegen. Politische Anstrengungen, die Entwicklung umzukehren, entfalten zu wenig Wirkung.

Die durch fossile Emissionen und Umweltzerstörung hervorgerufene Klimakrise zeigt weltweit ihre katastrophale Vielfalt: Stürme, Dürren, Brände, Fluten. Besonders die Industrienationen stehen in der Pflicht, ihre Emissionen drastisch und schnell zu verringern und gleichzeitig ihren Verpflichtungen für mehr Klimagerechtigkeit nachzukommen. Die Idee des grünen Wachstums scheint der Lösungsweg: Steigende Wirtschaftskraft bei geringeren Emissionen. Diese Entkopplung gelingt tatsächlich – aber nur wenigen Ländern und selbst dort ist das Erreichte bei weitem nicht genug.

Länderspezifische Betrachtung schließt Forschungslücke

Mit einem neuen Ansatz haben Jefim Vogel und Jason Hickel untersucht, ob Länder mit hohem Einkommen das Bruttoinlandsprodukt schnell genug von den CO2-Emissionen entkoppeln, um die Klima- und Gerechtigkeitsziele des Pariser Abkommens zu erfüllen. Die Studie erschien im Journal Lancet Planetary Health. Die länderspezifische Betrachtung schließt eine wichtige Lücke, wie das Autorenteam betont. Frühere Studien hätten die erreichten nationalen Minderungsraten mit den global notwendigen Durchschnittsraten verglichen und nicht mit den länderspezifischen Anforderungen.

Vogel und Hickel identifizierten 11 Länder mit hohem Einkommen, die zwischen 2013 und 2019 eine absolute Entkopplung von Wachstum und Emissionen erreicht haben: Australien, Österreich, Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich.

Die Forscher bewerteten die erreichten Entkopplungsraten mit den Reduktionsraten, die notwendig wären, um die Pariser Klimaziele mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent zu erreichen. Dafür bildeten sie einen Fair-Share-Emissionspfad, der neben anderen Parametern auch das jeweils verbliebene nationale Kohlenstoffbudget einbezog.

Entkopplungsraten sind zu gering – Netto-Null in weiter Ferne

Das Ergebnis fällt ernüchternd aus: Kein Land hat Entkopplungsraten erreicht, um die Klima- und Gerechtigkeitsverpflichtungen des Pariser Abkommens zu erfüllen, wobei die Diskrepanz zwischen bestehenden Trends und notwendigen Reduktionen extrem groß ist.

Im Durchschnitt würden die Länder mehr als 220 Jahre brauchen, um ihre Emissionen um 95 Prozent zu reduzieren, was dem 27-fachen ihres verbleibenden Budgets entspräche. Wollten sie ihre fairen Anteile erreichen, müssten die Entkopplungsraten bis 2025 um den Faktor zehn steigen. Dies sind allerdings Durchschnittswerte, im Detail weichen die Daten der einzelnen Länder stark voneinander ab.

Das Mantra vom Wachstum aufgeben

Die Studienautoren finden recht deutliche Worte in ihrer Interpretation der Ergebnisse: Weiteres Wirtschaftswachstum in Ländern mit hohem Einkommen steht im Widerspruch zu den Klima- und Gerechtigkeitsverpflichtungen des Pariser Abkommens. Narrative, die die Entkopplung von Errungenschaften in Ländern mit hohem Einkommen als grünes Wachstum feiern, sind daher irreführend und stellen eine Form von Greenwashing dar.

Wenn Länder mit hohem Einkommen ihre gerechten Kohlenstoffbudgets überschreiten, verschärfen sie entweder den Klimakollaps oder eignen sich die Kohlenstoffbudgetanteile von Ländern mit niedrigerem Einkommen an, oder höchstwahrscheinlich tun sie beides. Daran ist nichts Grünes.

Die Industrienationen müssen Postwachstums-Strategien zur Verringerung der Nachfrage entwickeln, die Wirtschaft auf Suffizienz, Gerechtigkeit und Wohlergehen ausrichten sowie gleichzeitig einen schnelleren technologischen Wandel und Effizienzsteigerungen schaffen.

Postwachstumsansätze beinhalten die gerechte Reduzierung kohlenstoff- oder energieintensiver und weniger notwendiger Produktions- und Konsumformen, die Verbesserung der Versorgungssysteme und die Umstellung auf kohlenstoffarme, energiearme Alternativen für notwendige Güter und Dienstleistungen. Diese Maßnahmen verringern die aggregierte Wirtschaftstätigkeit und senken den Gesamtenergiebedarf, wodurch die Emissionen direkt gesenkt und gleichzeitig eine schnellere Dekarbonisierung ermöglicht wird. Der rasche Ausbau Erneuerbarer Energien und der effiziente Umgang mit Energie sind entscheidende Wegbereiter für diesen Pfad. pf


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